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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der H GmbH in W, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 15. November 2018, RV/7101430/2017, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer, Körperschaftsteuer und Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2006 bis 2009, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls wird zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2017, Ra 2014/13/0030 (im Folgenden: Vorerkenntnis), verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob damit das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 27. Oktober 2014, RV/7102946/2013, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Das Bundesfinanzgericht habe seine Schlussfolgerungen, die im Baugewerbe tätige Revisionswerberin habe von beauftragten Subunternehmen „Deckungsrechnungen“ für Arbeiten erhalten, die von ihren eigenen „Schwarzarbeitern“ erbracht worden seien, weshalb der geltend gemachte Fremdleistungsaufwand entsprechend zu kürzen sei, nicht ausreichend begründet.
2 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin - nach Durchführung eines umfangreichen Vorhalteverfahrens und Befragung zahlreicher Zeugen (gewerberechtlicher Geschäftsführer und Dienstnehmer der von der Revisionswerberin beauftragten Subunternehmen) - erneut ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Bundesfinanzgericht führte zur Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren im Wesentlichen aus, praktisch das gesamte Datenmaterial betreffend die Einschaltung der zahlreichen substanzlosen, kurzlebigen Einmann-GmbHs mit ausländischen Gesellschaftsorganen durch die Revisionswerberin zwecks Lukrierens von überhöhtem Lohnaufwand sei erst im Zuge der Außenprüfung neu hervorgekommen, weshalb die Wiederaufnahme zulässig sei.
4 In der Sache traf das Bundesfinanzgericht - ausgehend vom Außenprüfungsbericht vom 14. Februar 2013 sowie unter Berücksichtigung von Unterlagen aus mehreren (Finanz-)Strafverfahren, u.a. betreffend die Revisionswerberin - zu jedem der insgesamt 17 im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von der Revisionswerberin beauftragten Subunternehmen (GmbHs) umfangreiche - über jene im ersten Verfahrensgang hinausgehende - Feststellungen.
5 Diesen - auf die wesentlichen Punkte zusammengefassten - Feststellungen zufolge habe es sich bei den Subunternehmen durchwegs um Einmann-GmbHs mit einem einzigen (handels- bzw. unternehmensrechtlichen) Geschäftsführer gehandelt. Die GmbHs seien kurz vor der erstmaligen Beauftragung durch die Revisionswerberin gegründet worden oder deren Anteile seien kurz davor auf einen neuen (Allein-)Gesellschafter übertragen worden. Die bereits längere Zeit zuvor gegründeten GmbHs hätten keinen Bezug zum Geschäftsgegenstand der Revisionswerberin (Baumeistergewerbe, Eisenbieger) gehabt, sondern seien - in der Vergangenheit - etwa in der Handelsbranche tätig gewesen. Die Alleingesellschafter seien stets ausländische natürliche Personen gewesen, die nur für einen kurzen Zeitraum - offenbar im Hinblick auf die Gründung bzw. Abtretung der Geschäftsanteile - einen inländischen Wohnsitz gehabt hätten. Teilweise habe sich die Identität der Alleingesellschafter aufgrund der Verwendung gefälschter Ausweisdokumente (Reisepässe) nicht feststellen lassen.
6 Die GmbHs seien im Zeitpunkt ihrer Beauftragung substanzlos sowie inaktiv gewesen und hätten - nach der erstmaligen Beauftragung durch die Revisionswerberin - innerhalb eines kurzen Zeitraums (wenige Monate) Leistungen in Rechnung gestellt, anschließend sei stets das Konkursverfahren eröffnet worden. Bei beinahe allen Subunternehmen seien die auf Geschäftsunterlagen (etwa dem Bauvertrag oder auf Kassabestätigungen) geleisteten Unterschriften von jenen auf den Musterfirmazeichnungserklärungen bzw. im Reisepass oder in den Abtretungsverträgen abgewichen.
7 Im zeitlichen Zusammenhang mit der erstmaligen Beauftragung durch die Revisionswerberin sei es bei den GmbHs zu einem sprunghaften Anstieg der angemeldeten Dienstnehmer gekommen, teilweise habe sich deren Anzahl mehr als verzehnfacht, in manchen Monaten seien weit über 100 Dienstnehmer angemeldet gewesen. Anhand der Anmeldungen zur Sozialversicherung habe sich gezeigt, dass im Rahmen von „Anmeldungsketten“ vielfach dieselben Dienstnehmer bei den beauftragten Subunternehmen - in zeitlicher Abfolge - angemeldet worden seien. Nach den Aussagen der einvernommenen Dienstnehmer sei es immer wieder zu einem „Tausch“ der Firmen gekommen, wenn eine Firma in Konkurs „gegangen“ sei, teilweise hätten die Dienstnehmer erst im Nachhinein erfahren, bei welchem Subunternehmen sie angemeldet gewesen seien. Zu einem Wechsel der Baustellen sei es im Zuge der Ummeldungen allerdings nie gekommen. Die befragten Dienstnehmer hätten durchwegs angegeben, Ansprechpartner bzw. „der Chef“ sei für sie immer der Geschäftsführer der Revisionswerberin gewesen. Die Bezahlung der Dienstnehmer sei ebenfalls stets durch die Revisionswerberin, weitgehend in bar, unmittelbar auf den jeweiligen Baustellen erfolgt, was auch durch - allerdings nur bestimmte Subunternehmen und bestimmte Zeiträume betreffende - vorhandene Auszahlungslisten der Revisionswerberin bestätigt werde.
8 Die Bezahlung der von den Subunternehmen in Rechnung gestellten Arbeiten durch die Revisionswerberin sei teilweise bar, teilweise durch Banküberweisung erfolgt. Die überwiesenen Beträge seien jedoch unmittelbar nach Zahlungseingang (teilweise am selben Tag) bar behoben und nach Abzug einer Provision der Revisionswerberin rückausgefolgt worden.
9 In der Zusammenschau seien die 17 im verfahrensgegenständlichen Zeitraum beauftragten Subunternehmen zwecks Sozialbetrugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer der Revisionswerberin - der dazu gemeinsam mit den wahren Machthabern der Subunternehmen zusammengewirkt habe - eingeschaltet worden. Die beschäftigten Bauarbeiter seien bei diesen Subunternehmen angemeldet, aber von der Revisionswerberin eingesetzt, betreut und bezahlt worden. Die von den Subunternehmen in Rechnung gestellten Leistungen seien somit von diesen nicht erbracht worden, die Rechnungen seien lediglich Deckungsrechnungen. Der tatsächliche Aufwand der Revisionswerberin könne mangels Vorliegens von Aufzeichnungen nur geschätzt werden, wobei die Anerkennung von 50 % der erklärten Fremdleistungssummen als Lohnaufwand der Rechtsprechung entspreche.
10 Hinsichtlich der Haftung für Kapitalertragsteuer führte das Bundesfinanzgericht aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei davon auszugehen, dass im Zuge einer Außenprüfung festgestellte Mehrgewinne - im vorliegenden Revisionsfall in Höhe der in den (Deckungs-)Rechnungen an die Revisionswerberin ausgewiesenen Beträge abzüglich der (geschätzten) tatsächlichen Aufwendungen der Revisionswerberin aufgrund der Bezahlung der Arbeiter - den Gesellschaftern zugeflossen seien.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die Revisionswerberin erstattete in der Folge weitere Eingaben.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit der Revision äußerst weitwendig, wobei die - sich teilweise mehrfach wiederholenden - Ausführungen über weite Strecken allgemeiner (rechtlicher) Natur sind und keinen erkennbaren konkreten Bezug zum vorliegenden Revisionsfall aufweisen. Im Kern wendet sich die Revision aber im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes, weiters werden darin Begründungsmängel und sonstige Verfahrensfehler geltend gemacht.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirft eine in einem Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. VwGH 30.3.2022, Ra 2020/13/0096, mwN).
17 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis - mit einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung - zu jedem der 17 von der Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum beauftragten Subunternehmen detailliert dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände es im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt ist, dass diese Subunternehmen nicht als Erbringer jener Leistungen, die der Revisionswerberin in Rechnung gestellt wurden, anzusehen seien. Das Bundesfinanzgericht hat weiters ausführlich begründet, weshalb es zur Ansicht gelangt ist, dass die bei diesen Subunternehmen angemeldeten Arbeiter tatsächlich von der Revisionswerberin beschäftigt und „schwarz“ entlohnt worden seien sowie dass die von der Revisionswerberin an diese Subunternehmen geleisteten Zahlungen - nach Abzug von Provisionen in ungewisser Höhe für die „Strohmänner“ - als sogenannte „kick-back“ Zahlungen in ihre Einflusssphäre zurückgelangt seien.
18 Das in diesem Zusammenhang mehrfach erstattete Vorbringen der Revisionswerberin, gegen sie lägen - im verfahrensgegenständlichen Zeitraum - keinerlei Beanstandungen nach dem AuslBG vor, bei ihr sei trotz regelmäßiger Kontrollen - durch das Arbeitsinspektorat, BUAK, GKK, KIAB/Finanzpolizei - kein einziger Schwarzarbeiter festgestellt worden, vermag die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes nicht zu erschüttern, waren doch die für die Revisionswerberin tätigen Arbeiter formal Dienstnehmer anderer Subunternehmen und bei diesen tatsächlich (formal) angemeldet.
19 Anders als die Revisionswerberin vermeint, hat das Bundesfinanzgericht im Gegensatz zum im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis - und somit in Entsprechung des Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes - nunmehr hinsichtlich jedes Subunternehmens auch nach Ansicht der Revisionswerberin sie entlastende Umstände berücksichtigt und ausführlich dargelegt, weshalb diesen Umständen bei der Gesamtabwägung kein entscheidendes Gewicht zukommt.
20 Dem vom Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren an die Revisionswerberin gerichteten Vorhalt, weitere Nachweise betreffend die jeweiligen Subunternehmen vorzulegen, wurde nicht entsprochen. In der Revision wird dazu - im Ergebnis - lediglich ausgeführt, die Abgabenbehörde bzw. das Bundesfinanzgericht hätte selbst zu ermitteln gehabt. Ein die Zulässigkeit der Revision begründenden Verfahrensmangel wird mit diesen Vorbringen - auch im Hinblick auf die gebotene Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen - nicht aufgezeigt.
21 Wenn in der Revision eine fehlerhafte Beweiswürdigung aufgrund der Bindung des Bundesfinanzgerichtes an Beweisergebnisse in (Finanz-)Strafverfahren - die im konkreten Fall eingestellt bzw. mit Freispruch abgeschlossen wurden - betreffend u.a. den Geschäftsführer der Revisionswerberin, geltend gemacht wird, ist dem die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach in Abgabenverfahren weder eine Bindung an ein freisprechendes Strafurteil noch an einen Einstellungsbeschluss - schon wegen der anders gearteten Beweisregeln - besteht (vgl. VwGH 27.8.2020, Ra 2020/15/0043, mwN).
22 Wenn die Revisionswerberin in einer ergänzenden Eingabe geltend macht, ein Strafverfahren gegen ihren „Machthaber“ und gegen sie als belangter Verband sei im Juni 2021 mit Freispruch beendet worden, so kann dieser erst nachträglich eingetretene Umstand schon deswegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses (aus dem November 2018) nicht bewirken.
23 Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin ist auch eine - unzulässige - vorweggenommene Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes nicht erkennbar. Weshalb eine solche - wie in der Revision vorgebracht - in der „Passivität“ der Abgabenbehörde im fortgesetzten Verfahren zu sehen sei, ist nicht nachvollziehbar.
24 Mit dem Vorbringen, die Existenz einer „schwarzen Kasse“ zur Auszahlung der „Schwarzarbeiter“ sei weder nachgewiesen noch behauptet worden, entfernt sich die Revisionswerberin vom festgestellten Sachverhalt, wonach die von der Revisionswerberin an die Subunternehmen geleisteten Zahlungen - die im Regelfall am Tag der Wertstellung am Konto in bar behoben wurden - an sie zurückgeführt wurden („kick-back“ Zahlungen).
25 Die Revisionswerberin bringt mehrfach vor, einige der beauftragten Subunternehmen seien nachweislich auch für andere Auftraggeber operativ tätig gewesen, womit bewiesen sei, dass sie über eigenes Personal verfügt hätten. Mit diesem Vorbringen übergeht die Revisionswerberin die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes, wonach bei etlichen Subunternehmen Indizien vorhanden seien, dass sie auch von anderen Auftraggebern als „Zumeldungsfirmen“ eingesetzt worden seien.
26 Was die geltend gemachten Begründungsmängel betrifft, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Begründung eines Erkenntnisses insbesondere erkennen lassen muss, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet wird (vgl. VwGH 23.4.2021, Ra 2020/13/0108, mwN). Da dem angefochtenen Erkenntnis hinreichend klar zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesfinanzgericht von welchem Sachverhalt ausgegangen ist und welche Rechtsfolgen es daraus ableitet, entspricht das Erkenntnis den genannten Anforderungen. Der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor.
27 Soweit in der Revision darüber hinaus konkrete Verfahrensfehler geltend gemacht werden, ist dazu im Einzelnen auszuführen:
28 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 22.9.2022, Ra 2020/15/0038, mwN).
29 Die Revisionswerberin erblickt in der anonymisierten Anzeige aus dem Jahr 2011 - in der ein ehemaliger Dienstnehmer der Revisionswerberin verschiedene Angaben zur Einschaltung von „Scheinfirmen“ gemacht und Auszahlungslisten (über Zahlungen der Revisionswerberin an Arbeiter, die bei Subunternehmen angemeldet waren) vorgelegt habe - ein unverwertbares „geheimes“ Beweismittel, weil ihr die Identität des Anzeigers nicht bekannt sei. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar ist, einen Bescheid auf der Partei nicht zugängliche Beweismittel zu stützen (vgl. VwGH 3.6.2022, Ra 2020/13/0040, mwN), was auch Aussagen von Auskunftspersonen oder Zeugen, deren Namen der Partei gegenüber geheim gehalten werden, miteinschließt (vgl. VwGH 8.3.2022, Ra 2020/15/0010, mwN). Das Bundesfinanzgericht hat seine Feststellungen allerdings nicht auf die genannte Anzeige gestützt, sondern auf Umstände, die im angefochtenen Erkenntnis ausführlich dargelegt und auch der Revisionswerberin - vor Ergehen des Erkenntnisses mit dem umfangreichen Vorhalt vom 27. Juni 2017 - offengelegt wurden. Die Feststellungen hinsichtlich der Zahlungen der Revisionswerberin an die Arbeiter - die bei den Subunternehmen angemeldet waren - hat das Bundesfinanzgericht insbesondere auf die Aussagen der einvernommenen Arbeiter gestützt und - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht auf die Auszahlungslisten. Wenn die Revisionswerberin weiters die vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Abfragen im Abgabeninformationssystem als unverwertbar ansieht - weil ihr diese aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht zugänglich gewesen seien - verabsäumt sie die Relevanz dieses - behaupteten - Verfahrensfehles darzulegen.
30 Soweit die Revisionswerberin das Vorliegen von Aktenwidrigkeit behauptet, ist ihr zu entgegnen, dass eine Aktenwidrigkeit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht schon dann vorliegt, wenn die Behörde oder das Verwaltungsgericht einen Sachverhalt feststellt, der mit dem Vorbringen einer Partei im Widerspruch steht (vgl. dazu VwGH 14.1.2020, Ro 2018/16/0046, mwN). Vielmehr liegt eine Aktenwidrigkeit erst dann vor, wenn sich die Behörde (das Verwaltungsgericht) bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 9.4.2021, Ra 2020/17/0052, mwN). Dass das Bundesfinanzgericht aktenwidrige Feststellungen getroffen hätte, ist aber nicht ersichtlich.
31 Die Revisionswerberin bringt vor, es seien zahlreiche Beweisanträge unerledigt geblieben. Sie legt allerdings - im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens - weder den konkreten Inhalt dieser Anträge dar, noch die Relevanz deren - behaupteten - Nichtberücksichtigung für den Ausgang des Verfahrens. Dies gilt ebenso für die in der Revision mehrfach vorkommenden Verweise auf „verschiedene Eingaben“, die vom Bundesfinanzgericht ignoriert worden seien.
32 In der Revision wird auch eine Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht. Die Revisionswerberin bringt dazu vor, sie sei im fortgesetzten Verfahren zwar informiert worden und habe auch „reichlich“ Gelegenheit gehabt, sich zu äußern. Die Verletzung liege jedoch darin, dass das Bundesfinanzgericht die - zahlreich erstatteten - Eingaben der Revisionswerberin „völlig negiert“ habe. Es liege zudem ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot vor, weil das Bundesfinanzgericht in einem näher genannten Vorhalt nur noch bestimmte Subunternehmen thematisiert habe, woraus die Revisionswerberin habe schließen müssen, dass die nicht mehr erwähnten Subunternehmen „vom Tisch“ seien. Entgegen diesem Vorbringen hat sich das Bundesfinanzgericht - wie bereits ausgeführt - mit jenen Umständen befasst, die nach Ansicht der Revisionswerberin für sie entlastend seien und diese in seine Erwägungen miteinbezogen. Wenn die Revisionswerberin vermeint, es seien nicht sämtliche Eingaben im ausreichenden Ausmaß berücksichtigt worden, wäre es an ihr gelegen gewesen, die angeblich fehlenden Punkte und deren Relevanz näher darzustellen. Nicht erkennbar ist auch der behauptete Verstoß gegen das Überraschungsverbot. Ein solcher läge nur bei der Einbeziehung von Sachverhaltselementen in die rechtliche Beurteilung vor, die der Partei nicht bekannt waren (vgl. VwGH 17.11.2021, Ra 2021/13/0138, mwN), was die Revisionswerberin selbst nicht behauptet.
33 Soweit die Revisionswerberin unter Hinweis auf VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315, geltend macht, es wäre eine Kassation (Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde nach § 278 Abs. 1 BAO) geboten gewesen, so ist zu bemerken, dass im vorliegenden Fall einer umfangreichen Außenprüfung keine Rede davon sein kann, dass es zu einer „Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens“ vor die Kontrollinstanz käme. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt insoweit nicht vor (vgl. VwGH 31.5.2017, Ro 2015/13/0022).
34 Hinsichtlich der Wiederaufnahme beschränken sich die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision in der - zusammengefassten - Wiederholung des Vorbringens in der Sache. Dass keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien, wird hingegen nicht behauptet.
35 Zur Zulässigkeit der Revision hinsichtlich der Haftung für Kapitalertragsteuer wird kein Vorbringen erstattet, womit die Revision insoweit schon deshalb zurückzuweisen ist.
36 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Dezember 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020130014.L00Im RIS seit
01.02.2023Zuletzt aktualisiert am
01.02.2023