Entscheidungsdatum
17.01.2023Index
L81509 Umweltschutz WienNorm
ReinhalteG Wr. §2 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Gratzl über die Beschwerde des Dr. A. B., ..., C., vom 13.12.2022 (Datum der Postaufgabe) gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 58, vom 28.11.2022, Zl. ..., betreffend Übertretungen 1.) des § 5 Wiener Reinhaltegesetz – Wr. ReiG, LGBl. Nr. 47/2007, idF LGBl. Nr. 13/2017 und 2.) des § 2 Abs. 1 leg. cit.
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und wird das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit o.a. Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer – zusammengefasst – zur Last gelegt, 1.) dass er einer Aufforderung durch Organe der öffentlichen Aufsicht („Waste Watcher“) zur Ausweisleistung nicht nachgekommen sei und 2.) dass er ein Stück Papier auf den Boden geworfen habe. Er habe hiedurch zwei Übertretungen des Wr. ReiG begangen und wurden hiefür über ihn zwei Geldstrafen iHv EUR 410,-- bzw. EUR 200,-- und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit zwei Ersatzfreiheitsstrafen im Ausmaß von zehn Stunden bzw. vier Stunden verhängt. Zudem wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG einen Beitrag iHv EUR 61,-- zu den Kosten des behördlichen Verfahrens zu leisten habe.
Hiegegen wurde form- und fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und beantragte der Beschwerdeführer – mit näherer Begründung – die Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens sowie die Durchführung einer Verhandlung einschließlich Ladung der in concreto amtshandelnden Organe.
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht vor.
Das Verwaltungsgericht Wien stellt den folgenden Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer hat am 30.9.2022 um 10.35 Uhr in Wien, D.-Straße, einen Aufkleber, welchen er zuvor von einem Wahlplakat entfernt hatte, zu Boden geworfen und ist anschließend weitergegangen. Unmittelbar danach wurde er von einem Organ der öffentlichen Aufsicht („Waste Watcher“) zur Ausweisleistung aufgefordert, doch ist er dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer entfernte sich vom Vorfallsort und wurde sodann in Wien, E.-straße, polizeilich angehalten.
Nach Durchführung eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, dessen Tatvorwurf – wörtlich – wie folgt lautet:
„1. Datum/Zeit: 30.09.2022, 10:35 Uhr
Ort: Wien, E.-straße
Sie haben es zu verantworten, dass Sie der verpflichtenden Aufforderung durch Organe der öffentlichen Aufsicht (Waste Watcher) zur Ausweisleistung, die dadurch ausgelöst wurde, dass Sie eine Straße mit öffentlichem Verkehr entgegen den Bestimmungen des Wr. Reinhaltegesetzes verunreinigt haben, indem Sie ein Stück Papier auf den Boden geworfen zurückgelassen haben, nicht nachgekommen sind.
2. Datum/Zeit: 30.09.2022, 10:35 Uhr
Ort: Wien, E.-straße
Sie haben es zu verantworten, dass Sie eine Verunreinigung nach dem Wr. Reinhaltegesetz begangen haben, indem Sie ein Stück Papier auf den Boden geworfen und zurückgelassen haben.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Im Verlauf des behördlichen Verfahrens erfolgte kein Tatvorwurf gegen den Beschwerdeführer, welcher eine andere Tatortangabe als „Wien, E.-straße“ enthalten hätte.
Diese Feststellungen gründen sich auf folgender Beweiswürdigung:
Die Wiedergabe des Tatherganges stützt sich auf die Angaben in der verfahrenseileitenden Anzeige der LPD Wien vom 30.9.2022 (AS 4 ff. des vorgelegten Verwaltungsaktes) sowie auf die im Rahmen des behördlichen Verfahrens erfolgten Angaben in einer schriftlichen Stellungnahme des Leiters des „Referats Waste Watcher“ vom 2.11.2022 (aaO, AS 39 ff). Der Beschwerdeführer selbst hat den solcherart festgestellten Tathergang auch nie bestritten.
Die wörtliche Zitierung des Tatvorwurfes im angefochtenen Straferkenntnis gründet sich auf dem – dem vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden – elektronisch gefertigten Straferkenntnis vom 28.11.2022 (aaO, AS 48 ff.).
Es findet sich im gesamten vorgelegten Verwaltungsakt, an dessen Vollständigkeit hg. keine Zweifel bestehen, auch keine gegen den Beschwerdeführer gesetzte Verfolgungshandlung, welche eine andere Tatortangabe enthalten würde (vgl. den Spruch der Strafverfügung vom 4.10.2022, AS 10 des vorgelegten Verwaltungsaktes; eine Aufforderung zur Rechtfertigung ist gegenständlich nicht ergangen).
Der Beschwerdeführer hat sowohl in seinem – im Verlauf des Behördenverfahrens ergangenem – Einspruch vom 14.10.2022 (aaO, AS 20 f.) sowie in seiner Beschwerde gegen das vorliegende Straferkenntnis (aaO, AS 65 ff.) vorgebracht, dass die (übereinstimmende) Tatortangabe in der Strafverfügung vom 4.10.2022 (aaO, AS 10 ff.) sowie im angefochtenen Straferkenntnis „falsch“ sei. Dieses Vorbringen bleibt der nachfolgenden rechtlichen Würdigung vorbehalten.
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest und bedarf es keiner Aufnahme weiterer Beweise.
Das Verwaltungsgericht Wien hat in rechtlicher Hinsicht hiezu erwogen:
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0134; 12.9.2016, Ro 2016/04/0014).
Darüber hinaus ist in – wie hier - Verwaltungsstrafverfahren das in § 42 VwGVG normierte Verbot der „reformatio in peius“ zu berücksichtigen, welches nur dann nicht gilt, wenn – anders als im vorliegenden Fall – die Beschwerde nicht zu Gunsten des Bestraften erhoben wird. Eine Befugnis des Verwaltungsgerichtes zur Ausdehnung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens hinaus wurde durch den Gesetzgeber nicht geschaffen und würde dies eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und damit der Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht darstellen (vgl. hiezu bspw. VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018).
Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zur Erfüllung dieses Erfordernisses darauf an, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, dass dieser in die Lage versetzt ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtschutzüberlegungen zu messendes sein. Diese Rechtschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat lediglich insoweit unverwechselbar konkretisiert sein muss, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. VwGH 3.3.2021, Ra 2021/03/0031; 1.9.2022, Ra 2022/03/0198, jeweils mwN).
Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH 22.8.2022, Ra 2022/02/0143, mwN).
Der Umstand allein, dass im Spruch des Straferkenntnisses ein unrichtiger Tatort genannt wurde, rechtfertigt noch nicht die Einstellung des Verfahrens. Das Verwaltungsgericht ist nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 15.10.2021, Ra 2021/02/0158, mwN).
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die im angefochtenen Straferkenntnis erfolgte Tatortangabe – wie der Beschwerdeführer zu Recht moniert – insofern unrichtig ist, als sich das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten (i.e. Entsorgung eines Aufklebers am Boden sowie Verweigerung der Ausweisleistung) nicht an dem im Spruch des Straferkenntnisses genannten Tatort „Wien, E.-straße“, an welchem lediglich die anschließende polizeiliche Anhaltung des Beschwerdeführers erfolgte, sondern – wie auch von den amtshandelnden Organen der öffentlichen Aufsicht angegeben – in Wien, D.-Straße, zugetragen hat.
Im gesamten behördlichen Verfahren wurde auch keine Verfolgungshandlung gegen den Beschwerdeführer gesetzt, welche die korrekte Tatortangabe beinhaltet hätte. Folglich erfolgte während der Verfolgungsverjährungsfrist (noch) keine durch die Behörde gesetzte, alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente korrekt wiedergebende Verfolgungshandlung, welche das Verwaltungsgericht nach o.a. höchstgerichtlicher Judikatur zu einer Richtigstellung des Spruches in gegenständlichem Straferkenntnis berechtigen würden (vgl. auch VwGH 26.4.2022, Ra 2021/02/0250).
Auch würde hier die Auswechslung des Tatortes über dessen bloße Konkretisierung hinausgehen (vgl. etwa VwGH 19.9.1996, 96/07/0002) und handelt es sich bei der unrichtigen Tatortangabe jedenfalls um keinen für jedermann erkennbaren Schreibfehler (vgl. VwGH 14.3.1977, 2365/76; 25.9.1978, 1855/75).
Es war daher – schon alleine deshalb – spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die zitierte Gesetzesstelle.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).
Schlagworte
Verunreinigung; Verweigerung der Ausweisleistung; Organ der öffentlichen Aufsicht; Tatvorwurf; unverwechselbare Konkretisierung; Verfolgungshandlung; fehlerhafter Spruch; TatortEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.001.016.15401.2022Zuletzt aktualisiert am
31.01.2023