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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des N in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Dezember 1994, Zl. SD 983/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. Dezember 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer, der sich seit Juli 1988 in Österreich aufhalte, sei vom Finanzamt für Körperschaften Wien mit Straferkenntnis vom 4. Februar 1993 wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 200.000,-- rechtskräftig bestraft worden. Er sei für schuldig erkannt worden, als verantwortlicher Geschäftsführer der Intex Ges.m.b.H. vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen für die Jahre 1989 und 1990 eine Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben bewirkt, in den Jahren 1989 bis 1991 Abgaben, die selbst zu berechnen seien, nicht entrichtet sowie unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für das Jahr 1991 in der Höhe von S 164.396,-- bewirkt zu haben. Da der Beschwerdeführer somit wegen mehrerer Tathandlungen, bei denen es sich nicht bloß um Finanzordnungswidrigkeiten handle, bestraft worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG vor. Das den Bestrafungen zugrundeliegende Fehlverhalten bringe eine "krasse Mißachtung finanzrechtlicher Vorschriften" durch den Beschwerdeführer zum Ausdruck. Die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei daher gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer habe zwar keine familiären Bindungen zum Bundesgebiet, aufgrund seines langjährigen inländischen Aufenthaltes greife das Aufenthaltsverbot jedoch in sein Privatleben ein. Der Beschwerdeführer habe durch seine "geradezu beharrlichen Verstöße gegen finanzrechtliche Vorschriften" öffentliche Interessen in hohem Maße gefährdet, sodaß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie im Interesse des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.
Angesichts des langjährigen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes das "weitaus maßgeblichere" Gewicht beizumessen als den gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers.
Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung der Maßnahme (mit zehn Jahren) erscheine auch nach Ansicht der belangten Behörde notwendig, um den Beschwerdeführer dahin zu bringen, die österreichischen Rechtsvorschriften zu beachten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung rechtskräftig bestraft worden zu sein, vermeint aber, daß dadurch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG nicht erfüllt sei. Er sei nämlich nicht wiederholt wegen Finanzvergehen bestraft worden, "wie es § 18 Abs. 2 Z. 3 Fremdengesetz offensichtlich vorsieht".
Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung erfüllt, wenn der Fremde "wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen, mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit, oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist". Aus diesem Wortlaut ergibt sich bei Gegenüberstellung mit § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, wonach der dort umschriebene Tatbestand nur erfüllt ist, wenn der Fremde "mehr als einmal" wegen der dort genannten Verwaltungsübertretungen bestraft worden ist, klar, daß der hier maßgebliche Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. bereits bei einer Bestrafung wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen verwirklicht ist. Demgemäß hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur diesen Tatbestand bei Vorliegen nur einer rechtskräftigen Bestrafung, etwa wegen versuchten Schmuggels und versuchten vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols (Erkenntnis vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0420) oder wegen vorsätzlicher Monopol- und Abgabenhehlerei (Erkenntnis vom 3. November 1994, Zl. 94/18/0714), als erfüllt erachtet.
Weiters führt der Beschwerdeführer aus, daß seine Bestrafung nur wegen eines Finanzvergehens erfolgte, § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG aber die Bestrafung "wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen", sohin jedenfalls einer Mehrzahl von derartigen Vergehen erfordere.
Der Beschwerdeführer wurde - unbestritten - nicht nur wegen der durch die Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen für die Jahre 1989 und 1990 bewirkten Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (§ 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 lit. a Finanzstrafgesetz), sondern auch wegen Nicht-Entrichtung von Abgaben, die selbst zu berechnen sind, für die Jahre 1989 bis 1991 (§ 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 lit. b Finanzstrafgesetz) und wegen Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für das Jahr 1991 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen (§ 33 Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz) rechtskräftig bestraft. Hiebei handelt es sich um mehrere Finanzvergehen, die alle nach § 33 Finanzstrafgesetz als (vorsätzliche) Abgabenhinterziehung zu bestrafen sind. Da der Beschwerdeführer wegen mehrerer vorsätzlich begangener Finanzvergehen rechtskräftig bestraft wurde, braucht nicht erörtert zu werden, ob der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG auch bereits bei der Bestrafung wegen eines Finanzvergehens erfüllt ist.
2. Die Beschwerde führt aus, daß es zu den Schulden gegenüber dem Finanzamt nur durch einen Einbruchsdiebstahl im September 1991, bei welchem das gesamte Warenlager der I-Ges.m.b.H. gestohlen worden sei, gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe daraufhin einen Konkursantrag beim Handelsgericht Wien gestellt, welcher mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei. Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer "alles andere als ein die öffentliche Ordnung beeinträchtigendes Verhalten gesetzt" habe. Dies hätte die belangte Behörde bei der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren beantragten Einsichtnahme in den diesbezüglichen Akt des Handelsgerichtes Wien feststellen können. Daß der Akt nicht beigeschafft worden sei, werde als Verfahrensmangel gerügt.
Der Beschwerdeführer hat über mehrere Jahre durch Abgabe unrichtiger Erklärungen bzw. Nichtentrichtung von Steuern vorsätzlich eine Verkürzung von Abgaben in der Höhe von - wie sich aus dem in den Verwaltungsakten erliegenden Straferkenntnis ergibt - insgesamt S 826.103,-- bewirkt. Aufgrund der daraus resultierenden großen Beeinträchtigung öffentlicher Interessen ist die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Daran könnte auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Einbruchsdiebstahl im September 1991 nichts ändern. Der Deliktszeitraum der vom Beschwerdeführer begangenen Finanzvergehen umfaßt die Jahre 1989 bis 1991. Der Umstand, daß die finanziellen Schwierigkeiten des Beschwerdeführers bzw. der I-Ges.m.b.H. zum Teil auch auf diesen Einbruchsdiebstahl zurückzuführen wären, könnte somit auf das Verschulden des Beschwerdeführers nur einen marginalen Einfluß haben. Darüber hinaus steht aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung die vorsätzliche Begehung der Finanzvergehen fest. Die Beschwerde unterläßt es somit, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels (Unterlassung der Beischaffung des Aktes über die Abweisung des Konkursantrages) darzutun.
3. Aufgrund des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit Juli 1988 hat die belangte Behörde zu Recht einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in dessen Privatleben angenommen.
Wegen des langen Deliktszeitraumes der vom Beschwerdeführer begangenen Abgabenhinterziehungen und des hohen daraus resultierenden Schadens ist der belangten Behörde jedoch zuzustimmen, wenn sie die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier:
zum Schutz der öffentlichen Ordnung und des wirtschaftlichen Wohles des Landes) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG für zulässig erachtete.
4. Bei der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung kann - entgegen der Beschwerdemeinung - auf das öffentliche Interesse an der Bezahlung der (Steuer-)Schulden des Beschwerdeführers nicht Bedacht genommen werden, weil Interessen, die nicht den privaten und familiären Bereich betreffen, im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG nicht zugunsten des Fremden zu berücksichtigen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, 95/18/0286). Der belangten Behörde kann aufgrund des dargestellten großen Ausmaßes der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
5. Soweit der Beschwerdeführer die mit zehn Jahren festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbots bekämpft und dazu die Meinung vertritt, er habe sich im Zeitraum von sieben Jahren nur "eine Entgleisung" zuschulden kommen lassen, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorsehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0349). Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht imstande sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes - nämlich der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers hervorgerufenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und des wirtschaftlichen Wohles des Landes - vor Verstreichen von zehn Jahren anzunehmen, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.
6. Soweit der Beschwerdeführer meint, er habe aufgrund seines fast siebenjährigen Aufenthaltes bereits einen theoretischen Anspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 erworben, versucht er offensichtlich die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG darzutun. Nach dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 verliehen hätte werden können. Grundvoraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ist jedoch ein seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen bestehender ordentlicher Wohnsitz des Fremden im Inland (§ 10 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.). Diese Voraussetzung erfüllt der Beschwerdeführer aber selbst nach seinem eigenen Vorbringen nicht.
6. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995180165.X00Im RIS seit
20.11.2000