TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/14 95/19/1337

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Veröffentlicht am 14.12.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §21 Abs2;
AufG 1992 §10 Abs1;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §9;
FrG 1993 §10 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §62 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. September 1995, Zl. 302.881/2-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 11. September 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 Z. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 12. Dezember 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Gegen die abweisende Entscheidung der Erstbehörde habe die Beschwerdeführerin eingewendet, sie wohne bei ihrem Vater in Österreich, gehe hier zur Schule, besuche einen Deutschkurs und sei sozial integriert. Die belangte Behörde führte weiters aus, daß sich die Beschwerdeführerin nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden unbestrittenen Aktenlage ohne Sichtvermerk in Österreich aufhalte. Sie sei mit der Absicht nach Österreich gekommen, hier einen ordentlichen Wohnsitz zu gründen und zur Schule zu gehen. Zu diesem Zweck hätte sie von Anfang an einen Sichtvermerk benötigt. Sie halte sich nach wie vor entgegen den Bestimmungen des Fremdenrechtes sichtvermerksfrei und damit illegal in Österreich auf. Deshalb sei maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinn des FrG vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle, nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, wenn durch den Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre. Beide Sichtvermerksversagungsgründe seien erfüllt.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich die Mutter und die Geschwister im Ausland befinden, könne nicht von einer Familiengemeinschaft in Österreich ausgegangen werden. Die Behörde erachte im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen die öffentlichen Interessen höher als die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick darauf, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin sich auf eine Vollmacht der minderjährigen Beschwerdeführerin, nicht jedoch auf eine solche ihres gesetzlichen Vertreters beruft, ist zunächst die Prozeßfähigkeit der Vollmachtgeberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu in seinem Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0838 (auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), ausführlich begründet, daß mündige Minderjährige im Verfahren nach dem AufG und - daran anknüpfend - im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nach diesem Gesetz prozeßfähig sind.

Gemäß § 1 Abs. 1 AufG brauchen Fremde zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich eine besondere Bewilligung.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ist Kindern von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 leg. cit. rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als 2 Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, eine Bewilligung zu erteilen, SOFERN KEIN AUSSCHLIEßUNGSGRUND (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

Gemäß § 5 Abs. 1 darf laut AufG eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt. Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn gemäß Z. 4 leg. cit. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde bzw. gemäß Z. 6 leg. cit. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Nichtanwendung des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG. Es sei nicht richtig, daß alle Geschwister im Ausland leben, sondern dies träfe nur auf die Mutter und einen Teil der Geschwister zu.

Bereits aus dem eindeutigen und unmißverständlichen Wortlaut der zitierten Normen kommt die Anwendung der Bestimmungen über die Familienzusammenführung in § 3 AufG nur dann zum Tragen, wenn kein Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt. Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen der belangten Behörde zum Vorliegen der Sichtvermerksversagungsgründe nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht und nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nur damit entgegengetreten, daß die Tatsache, "daß sich nämlich meine Mutter noch im Ausland aufhält, beweist, daß sich sowohl meine Mutter als auch ich ... der österreichischen Rechtsordnung unterwerfen". Mit dieser - logisch nicht nachvollziehbaren - Behauptung kann die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit nicht dartun. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann darin keine Rechtswidrigkeit erblicken, denn die Beschwerdeführerin ist unbekämpftermaßen ohne Sichtvermerk eingereist, um in Österreich bei ihrem Vater einen ordentlichen Wohnsitz zwecks Schulbesuch zu gründen, und hätte daher bereits bei Einreise einer Aufenthaltsbewilligung bedurft, weshalb die belangte Behörde zu Recht den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG herangezogen hat, der gemäß § 5 Abs. 1 AufG zur Abweisung des Antrages führt (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0272, und vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259).

Es kann daher dahinstehen, ob auch der von der belangten Behörde herangezogene Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vorliegt.

Damit ist aber auch die Anwendung des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG nicht möglich.

Der belangten Behörde kann auch nicht mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die öffentlichen Interessen höher erachtet als das private Interesse auf Familienzusammenführung. Denn aufgrund der Motive der Beschwerdeführerin bei ihrer Einreise nach Österreich hätte sie gemäß § 1 AufG bereits einer Aufenthaltsbewilligung bedurft. Ihr gesamter Aufenthalt war demnach illegal. Dem Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens läuft es aber entgegen, wenn ein Fremder bloß aufgrund von Tatsachen, die von ihm selbst geschaffen wurden, den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0190; siehe weiters das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93, 445/93).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches Recht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Minderjährige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995191337.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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