Index
L82000 BauordnungNorm
AVG §8Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. des Dr. P H und 2. der Dr. U H, beide in S, beide vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Eberhard-Fugger-Straße 2a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 30. September 2021, 405-3/848/1/18-2021, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. S P und 2. Mag. C P, beide vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 35; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 sowie der Landeshauptstadt Salzburg Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution, zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg (Behörde) vom 8. April 2021, mit welchem den mitbeteiligten Parteien die Baubewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses samt Nebenanlage und einer Einfriedung auf einem näher genannten Grundstück in der KG A. erteilt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
Begründend führte das LVwG - soweit für das Revisionsverfahren relevant - zunächst aus, in dem dem verfahrensgegenständlichen Baubewilligungsverfahren vorangegangenen Verfahren zur Änderung des Bauplatzes gemäß § 24 Abs. 1 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) sei mit Bescheid vom 28. Jänner 2019 das natürliche Gelände „fixiert“ worden. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren betreffend die Baubewilligung seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im Rahmen des Bauplatzänderungsverfahrens ein bereits erheblich verändertes Gelände aufgenommen worden wäre. Das Urgelände liege im nordöstlichen Bereich bei ca. 440,71 üA. Auch aus einer erfolgten Urgeländeerhebung durch einen Vergleich der Geländesituation der Jahre 1957/2020 gehe hervor, dass es weder zu Geländeaufschüttungen noch Geländeabtragungen gekommen sei. Dem Baubewilligungsverfahren werde daher das im Bescheid vom 28. Jänner 2019 festgestellte Urgelände zugrunde gelegt. Die eingereichten Planunterlagen stimmten mit den in diesem Bescheid fixierten Höhenpunkten überein.
Im vorliegenden Fall - so das LVwG weiter - werde die maximale Gebäudehöhe im maßgeblichen Bebauungsplan ausschließlich durch die Anzahl von zwei Geschoßen bestimmt; diesbezüglich komme dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zu (Hinweis auf VwGH 23.1.2003, 2000/06/0182). Ausgehend von den Ausführungen des hochbautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung bleibe die Dachfläche gemäß § 57 Abs. 3 iVm § 86 Abs. 6 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) in allen Darstellungen innerhalb der Umrisslinie; das Dachgeschoß sei daher nicht als Geschoß zu beurteilen. Das Untergeschoß sei unterirdisch und daher auch nicht als Geschoß zu rechnen, das Projekt weise demnach zwei Geschoße auf und entspreche dem Bebauungsplan.
Der gesetzliche Mindestabstand zur Grundgrenze der revisionswerbenden Parteien werde - unter Berücksichtigung der besonderen Dachform durch Miteinbeziehung der oberen Traufe - gemäß § 25 Abs. 3 BGG eingehalten. Maßgeblich sei die Dachtraufe, die - entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien - den unteren, waagrechten Rand einer geneigten Dachfläche, über den das Regenwasser abtropfte, darstelle.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in welcher unter der Überschrift „2. Revisionspunkte“ ausschließlich die Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechtes auf Einhaltung des Mindestabstandes gemäß § 25 Abs. 3 BGG gerügt wird. Die vorliegende Zulässigkeitsbegründung ist daher nur unter dem Gesichtspunkt dieses subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes zu prüfen (vgl. VwGH 24.10.2022, Ra 2022/05/0087, Rz 8).
6 Gemäß dem maßgeblichen § 25 Abs. 3 zweiter und vierter Satz BGG idF LGBl. Nr. 31/2009 müssen Bauten im Bauplatz so gelegen sein, dass ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von Dreiviertel ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m, haben. Die Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe ist an der jeweiligen Front vom gewachsenen Gelände aus zu berechnen.
7 In der Zulässigkeitsbegründung wenden sich die revisionswerbenden Parteien zunächst gegen die Feststellungen des LVwG betreffend das natürliche (gewachsene) Gelände, und verneinen eine Bindungswirkung des im Bauplatzänderungsbescheid vom 28. Jänner 2019 festgestellten natürlichen Geländes für das verfahrensgegenständliche Baubewilligungsverfahren.
Der Revision ist insofern zuzustimmen, als Nachbarn, denen gemäß § 12a Abs. 2 BGG im Verfahren zur selbständigen Bauplatzerklärung keine Parteistellung zukommt, ihre mit der Bauplatzerklärung in Zusammenhang stehenden subjektiv-öffentlichen Einwendungen im Baubewilligungsverfahren erheben können (vgl. VwGH 30.9.2015, Ra 2014/06/0029). Gleiches gilt für Verfahren betreffend Änderung des Bauplatzes gemäß § 24 Abs. 1 und 3 BGG.
Das LVwG ging jedoch nicht von einer Bindungswirkung des im Bauplatzänderungsverfahrens festgestellten Urgeländes aus, sondern setzte sich mit der Frage der Geländeveränderung ausführlich auseinander. Anhand eines Geländevergleiches der Jahre 1957/2020 und der Ausführungen des hochbautechnischen Amtssachverständigen gelangte das LVwG zu dem Ergebnis, dass sich im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte ergeben hätten, wonach im Rahmen des Bauplatzänderungsverfahrens bereits ein erheblich verändertes Gelände aufgenommen worden wäre; dem Baubewilligungsverfahren könne somit das im Bauplatzänderungsverfahren festgestellte Urgelände zugrunde gelegt werden. Dem treten die revisionswerbenden Parteien nicht substantiiert entgegen. Insofern gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass das LVwG die einzelfallbezogene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 30.8.2022, Ra 2022/06/0193, Rz 6).
8 Das weitere Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zur „Anzahl der Geschosse sowie der Einhaltung der Mindestabstände zum Nachbargrund“ ist nicht zielführend, weil die Frage, ob das Dachgeschoß als eigenes Geschoß zu zählen ist, zur Beurteilung des - ausschließlich zu prüfenden (siehe Rn. 5) - Mindestabstandes nicht entscheidungsrelevant ist. Ob das Bauvorhaben die Vorgaben des Bebauungsplanes (maximal zwei Geschosse) einhält, ist vom subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht auf Einhaltung des Mindestabstandes nicht umfasst, weil die Berechnung des Mindestabstandes - siehe Rn. 6 - nicht von der Anzahl der Geschosse abhängt.
Im Übrigen stellt die Frage der Übereinstimmung eines konkreten Bauvorhabens mit den Vorgaben des Bebauungsplanes nach der hg. Rechtsprechung eine im Einzelfall vorgenommene Beurteilung dar, die nur dann revisibel ist, wenn dem Verwaltungsgericht dabei eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen und die im Einzelfall erfolgte Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 5.10.2022, Ra 2022/06/0198, Rz 5).
Eine solche Unvertretbarkeit zeigen die revisionswerbenden Parteien jedoch nicht auf. Aufgrund der anzuwendenden Übergangsbestimmung des § 86 Abs. 6 ROG 2009 ist fallbezogen § 57 Abs. 3 letzter Satz ROG 2009 idF LGBl. Nr. 30/2009 maßgeblich, wonach bei der Höhenfestsetzung durch die Anzahl der Geschoße - wie im vorliegenden Fall - das Dach die 45° zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche von einem 1,60 m über der Deckenoberkante des letzten Geschoßes liegenden Schnittpunkt der Außenwand mit der gedachten Umrissfläche einhalten muss. Den Feststellungen des LVwG, wonach ausgehend von den Ausführungen des hochbautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung die Dachfläche in allen Darstellungen innerhalb der Umrisslinie bleibe, traten die revisionswerbenden Parteien nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Es trifft auch nicht zu, dass das LVwG die steilere Dachneigung von 55 bis 57° als irrelevant beurteilt hätte. Vielmehr führte es aus, der Mindestabstand, der sich aus der von den revisionswerbenden Parteien als „fiktive Traufenhöhe“ angenommenen Traufe ergebe, sei geringer als der vorhandene Abstand zu deren Grundstück. In der Zulässigkeitsbegründung wird nicht dargelegt, in welchem Punkt die Aussagen des von den revisionswerbenden Parteien in diesem Zusammenhang zitierten hg. Erkenntnisses VwGH 26.6.2014, 2012/06/0210, zu einem anderen, für die revisionswerbenden Parteien günstigeren Ergebnis hätten führen können. Die Relevanz des gerügten Feststellungsmangels wird somit nicht dargetan. Auch der Hinweis auf VwGH 26.5.2008, 2008/06/0008, ist nicht zielführend, weil die Revision nicht darlegt, inwiefern das angefochtene Erkenntnis von dieser Entscheidung abweiche.
9 Soweit die revisionswerbenden Parteien eine Prüfung im Hinblick auf die Verfassungskonformität des „§ 86 Abs. 6 ROG 2017“ anregen, ist zu entgegnen, dass Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht gegen generelle Rechtsvorschriften nach ständiger hg. Rechtsprechung keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen (VwGH 26.3.2021, Ro 2021/06/0006, Rz 10).
10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 6. Dezember 2022
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060226.L00Im RIS seit
30.01.2023Zuletzt aktualisiert am
30.01.2023