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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
VwGG §30aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Rehak und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über den in der Revisionssache des Ing. H T in W, vertreten durch Mag. Martin Prett, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Ringmauergasse 8, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 24. Oktober 2019, KLVwG-2052/3/2019, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See, vertreten durch die Tschurtschenthaler Walder Fister Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7; mitbeteiligte Parteien: 1. A H in B und 2. H H in G, beide vertreten durch Arneitz & Dohr Rechtsanwälte in 9500 Villach, Peraustraße 2/5; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), von den mitbeteiligten Parteien gestellten Antrag, über die von ihnen in der Revisionsbeantwortung beantragte Zuerkennung von Aufwandersatz zu entscheiden, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (im Folgenden: Verwaltungsgericht) in einem baurechtlichen Verfahren einen Antrag des Bauwerbers (Revisionswerbers), den von Nachbarn eines Baugrundstücks (den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien) eingebrachten Beschwerden die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, als unzulässig zurück. Es erklärte die ordentliche Revision gegen diesen Beschluss für zulässig.
2 Der Bauwerber erhob gegen diesen Beschluss ordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht zunächst unter anderem dem Gemeindevorstand der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) und den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien gemäß § 30a Abs. 4 VwGG mit der Aufforderung zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung übermittelte.
3 Sowohl die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien in einem gemeinsamen Schriftsatz als auch die rechtsanwaltlich vertretene belangte Behörde erstatteten Revisionsbeantwortungen, in denen jeweils die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision sowie die Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt wurden.
4 In weiterer Folge wies das Verwaltungsgericht - nachdem sich der Revisionswerber zu einem Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichts innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert hatte - die ordentliche Revision mit Beschluss vom 6. Mai 2020 (Vorentscheidung gemäß § 30a Abs. 1 VwGG) als verspätet zurück. Über die in den Revisionsbeantwortungen gestellten Anträge auf Aufwandersatz sprach das Verwaltungsgericht im Spruch dieses Beschlusses nicht ab. Vielmehr führte das Verwaltungsgericht in der Begründung seines Beschlusses aus, dass „dem Verwaltungsgericht keine Zuständigkeit zur Entscheidung über derartige Anträge zukommt (§ 47 ff VwGG)“ und „diese Anträge - nach Ablauf der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt“ würden.
5 Daraufhin beantragten die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien in ihrem mit „Mitteilung“ betitelten Schriftsatz vom 25. Mai 2020, „der Verwaltungsgerichtshof möge über den Aufwandersatz der mitbeteiligten Parteien für die Erstattung der Revisionsbeantwortung entscheiden“.
6 Die belangte Behörde beantragte in ihrem mit „Anträge“ benannten Schriftsatz vom 2. Juni 2020 in einem Primärantrag, dass das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Kostenentscheidung in einem ergänzenden Beschluss nachholen und dem Revisionswerber auftragen möge, die der belangten Behörde im Revisionsverfahren entstandenen Kosten zu ersetzen. In einem Eventualantrag beantragte die belangte Behörde, „dass gemäß § 30b Abs 1 und 2 VwGG die Revision dem VwGH zur Entscheidung vorgelegt werden möge (Vorlageantrag)“.
7 Schließlich übermittelte das Verwaltungsgericht den Bezug habenden Akt an den Verwaltungsgerichtshof. Im Vorlageschreiben vertrat es dabei die Ansicht, dass aufgrund der Enumeration der Zuständigkeiten des Verwaltungsgerichtes im Revisionsverfahren in § 30a und § 30b VwGG davon auszugehen sei, dass eine Kompetenz des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung über diese Anträge auf Aufwandersatz nicht bestehe.
8 2. Der von der belangten Behörde in ihrem Schriftsatz vom 2. Juni 2020 gestellte Primärantrag, die Kostenentscheidung mit ergänzendem Beschluss nachzuholen, richtet sich an das Verwaltungsgericht. Der im selben Schriftsatz gestellte Vorlageantrag wurde lediglich als Eventualantrag gestellt.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Eventualantrag erst dann, wenn über den Primärantrag entschieden (vgl. etwa VwGH 23.9.2014, 2012/11/0187, mwN) und dem Primärantrag nicht entsprochen wurde (vgl. VwGH 3.5.2022, Ra 2022/09/0022).
10 Dass das Verwaltungsgericht bereits über den genannten Primärantrag entschieden hätte, wird weder im Vorlageschreiben des Verwaltungsgerichts dargelegt, noch ist eine solche Entscheidung den übermittelten Akten zu entnehmen. Eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über den Eventualantrag (Vorlageantrag) der belangten Behörde besteht bereits aus diesem Grund nicht; ein (formaler) Abspruch über den Eventualantrag ist daher - aufgrund des Fehlens einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Primärantrag - derzeit nicht geboten.
11 3. Der von den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien in ihrem Schriftsatz vom 25. Mai 2020 an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Antrag, über den Aufwandersatz der mitbeteiligten Parteien für die Erstattung der Revisionsbeantwortung zu entscheiden, stellt keinen Vorlageantrag im Sinn des § 30b VwGG dar, weil ein Vorlageantrag nach dieser Bestimmung nur gegen die Zurückweisung einer Revision bzw. eines Fristsetzungsantrages zulässig ist (vgl. dazu in anderem Zusammenhang auch VwGH 20.11.2014, Ra 2014/07/0084). Gegen die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6. Mai 2020 erfolgte Zurückweisung der ordentlichen Revision richtet sich der erwähnte Antrag der mitbeteiligten Parteien jedoch nicht. Vielmehr beantragen sie (lediglich) die Entscheidung über den von ihnen in ihrer Revisionsbeantwortung geltend gemachten Aufwandersatz. Ein die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes begründender Vorlageantrag der mitbeteiligten Parteien gemäß § 30b VwGG liegt somit nicht vor.
12 Der Antrag der mitbeteiligten Parteien vom 25. Mai 2020 ist auch nicht als Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG zu qualifizieren. Eine „Umdeutung“ des Antrags in einen Fristsetzungsantrag nach § 38 VwGG verbietet sich deshalb, weil der Antrag ausgehend von seinem Inhalt - ausdrücklich - auf eine Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof abzielt (vgl. VwGH 20.11.2019, Fr 2019/03/0005).
13 Gemäß dem die Vorentscheidung durch das Verwaltungsgericht regelnden § 30a Abs. 1 VwGG hat die Zurückweisung der Revisionen aus den dort genannten Gründen „ohne weiteres Verfahren“ zu erfolgen. Eine Fallkonstellation wie vorliegend, in der das Verwaltungsgericht eine ordentliche Revision zunächst den anderen Parteien (als dem Revisionswerber) mit der Aufforderung zustellt, eine Revisionsbeantwortung einzubringen, in weiterer Folge (hier: nach Erstattung von Revisionsbeantwortungen) jedoch die ordentliche Revision als verspätet zurückweist, hatte der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang offenkundig nicht vor Augen; auch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. die Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, GP XXIV. RV 2009) ergibt sich kein anderer Anhaltspunkt.
14 Das Zusprechen von Aufwandersatz durch den Verwaltungsgerichtshof kommt gegenständlich nicht in Betracht, weil die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG über den Aufwandersatz auf die Parteien „im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof“ abstellen (vgl. § 47 Abs. 1 VwGG) und ein solches Verfahren - mangels Vorliegen eines Vorlageantrags (wie dargelegt wurde hier ein solcher nur als nicht maßgeblicher Eventualantrag eingebracht) - nie geführt wurde.
15 Gemäß § 51 VwGG ist in Fällen, in denen die Revision nach der Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof oder die außerordentliche Revision nach der Einleitung des Vorverfahrens zurückgewiesen oder zurückgezogen wurde, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen, wie wenn die Revision abgewiesen worden wäre.
§ 51 VwGG stellt somit darauf ab, dass die (ordentliche) Revision „nach der Vorlage“ an den Verwaltungsgerichtshof oder die außerordentliche Revision nach Einleitung des Vorverfahrens zurückgewiesen wurde. Eine Fallkonstellation, in der die ordentliche Revision vom Verwaltungsgericht nach Einleitung bzw. Durchführung des Vorverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt, sondern zurückgewiesen wird, wird darin nicht geregelt.
16 Gleichzeitig ist dem Gesetz kein Hinweis darauf zu entnehmen und es erscheint die Annahme auch nicht vertretbar, dass der Gesetzgeber für diesen Fall keinen Aufwandersatz zuerkennen wollte.
17 Vielmehr ist - was den Zuspruch von Aufwandersatz in einem Fall wie den vorliegenden betrifft - vom Vorliegen einer echten (das heißt planwidrigen) Rechtslücke auszugehen. Eine solche planwidrige Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wo sein Ergänzen nicht etwa einer von Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (vgl. dazu etwa VwGH 14.12.2021, Ro 2020/04/0032, mwN).
18 Im vorliegenden Fall ist die planwidrige Lücke in der Weise zu schließen, dass es nicht zur Aufsplittung der Zuständigkeiten kommt, sondern die Kostenentscheidung - als typische Annexfrage zum Hauptantrag - vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist. Die Zuständigkeit zur Zurückweisung der Revision als verspätet (hier: durch Vorentscheidung des Verwaltungsgerichts) schließt auch die Zuständigkeit ein, über die in diesem Fall von den Parteien allenfalls gestellten Kostenersatzanträge zu entscheiden. Dafür spricht auch, dass das Verwaltungsgericht auch im Regelfall, in dem es eine Revision als verspätet zurückweist, mit dieser Entscheidung - ohne dies gesondert auszusprechen - auch den in dieser Revision typischerweise enthaltenen Kostenantrag abschlägig bescheidet.
19 Die hier in Rede stehende Kostenentscheidung ist somit als Annex zur Entscheidung über die ordentliche Revision zu beurteilen. Hinsichtlich des Anspruchs auf Aufwandersatz ist eine Lückenschließung derart vorzunehmen, dass das Verwaltungsgericht, das im Vorverfahren gemäß § 30a Abs. 1 VwGG die Zurückweisung der ordentlichen Revision angesprochen hat, auch die Entscheidung über den Aufwandersatz unter sinngemäßer Anwendung des § 47 in Verbindung mit § 51 VwGG - unbeschadet eines gegen diese Entscheidung in der Folge möglichen Vorlageantrags - vorzunehmen hat. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Vorlagebericht ist aus dem (die Stattgabe eines Antrags auf aufschiebende Wirkung betreffenden) hg. Beschluss vom 20.4.2017, Ra 2017/19/0113, für den vorliegenden Fall keine gegenteilige Rechtsansicht abzuleiten.
20 Der Antrag der mitbeteiligten Parteien vom 25. Mai 2020 ist auf eine Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof gerichtet, dem jedoch wie dargelegt keine Zuständigkeit zur Entscheidung in dieser Sache zukommt, weshalb der Antrag vom 25. Mai 2020 zurückzuweisen war.
21 4. Als Ergebnis ist somit festzuhalten:
22 Aus den dargelegten Gründen war vom Verwaltungsgerichtshof keine Entscheidung über den lediglich als Eventualantrag gestellten Vorlageantrag der belangten Behörde zu treffen.
23 Ferner besteht im Hinblick auf die Zurückweisung der Revision durch das Verwaltungsgericht im Vorverfahren gemäß § 30a Abs. 1 VwGG keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über den von den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien in ihrem Schriftsatz vom 25. Mai 2020 gestellten Antrag, über ihren geltend gemachten Aufwandersatz für die Erstattung der Revisionsbeantwortung zu entscheiden. Der Antrag war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.
Wien, am 14. Dezember 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020060007.J00Im RIS seit
30.01.2023Zuletzt aktualisiert am
30.01.2023