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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A A, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. April 2022, W212 2247254-1/5E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein im Jänner 1978 geborener nordmazedonischer Staatsangehöriger, der sich bereits davor (jedenfalls seit dem Jahr 2002) wiederholt als Saisonier im Bundesgebiet aufgehalten hatte, heiratete am 7. Dezember 2018 eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick auf diese Ehe wurden ihm beginnend mit 18. Dezember 2018, letztmals verlängert bis 17. Dezember 2021, Aufenthaltstitel als Familienangehöriger erteilt.
2 Mit Bezug auf Berichte der Landespolizeidirektion Niederösterreich, abschließend auf deren Bericht vom 4. Juni 2021, wonach die genannte Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren sei, hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 7. September 2021 gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das BFA unter einem fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nordmazedonien zulässig sei. Gemäß § 55 FPG bestimmte es eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise des Revisionswerbers.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. April 2022 insofern statt, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.
5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
7 In dieser Hinsicht bemängelt der Revisionswerber die Annahmen des BVwG, zwischen ihm und seiner österreichischen Ehefrau habe zu keinem Zeitpunkt ein Eheleben bestanden und die Ehe sei geschlossen worden, um ihm ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen, sodass sich sein gesamter niedergelassener Aufenthalt seit dem 18. Dezember 2018 auf rechtsmissbräuchliches Verhalten, nämlich auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe, gestützt habe.
8 Bei den in diesem Rahmen erstatteten Ausführungen geht die Revision allerdings nicht auf die schlüssige Beweiswürdigung des BVwG ein, in der vor allem auch darauf verwiesen wurde, die genannte österreichische Staatsbürgerin habe in ihrer Vernehmung nicht einmal den Namen, den erlernten Beruf oder das Geburtsdatum ihres Ehemannes richtig angeben können, und in der im Übrigen massive Widersprüche in den Darstellungen der Eheleute, etwa zum Ablauf des Kennenlernens und der Hochzeit sowie zu den jeweiligen Gewohnheiten des Partners, aufgezeigt wurden.
9 In der Revision wird in diesem Zusammenhang konkret nur bemängelt, das BVwG habe das Vorbringen in der Beschwerde unbeachtet gelassen, die österreichische Ehefrau habe aufgrund ihres Gesundheitszustandes und der Einnahme von Antidepressiva Probleme mit dem Merken von Zahlen; sie leide unter Angststörungen und Panikattacken, zum Zeitpunkt ihrer Einvernahme durch die Polizei sei eine solche Panikattacke aufgetreten.
10 Dieser Vorwurf ist aktenwidrig, weil das BVwG auf diesen Einwand im Rahmen der Beweiswürdigung ohnehin einging und ihm entgegenhielt, die genannten Umstände könnten keinesfalls rechtfertigen, dass sie nicht einmal den Vornamen ihres Ehemannes habe nennen können und dass ihre eigenen Angaben mit seiner Aussage in nahezu keinem einzigen Punkt übereinstimmten. Diese Ausführungen des BVwG sind nicht unschlüssig und werden vor allem in der Revision nicht konkret bekämpft.
11 Soweit der Revisionswerber auf sein Beschwerdevorbringen verweist, in einem gegen ihn und seine Ehefrau eingeleiteten Strafverfahren sei es zu keiner Verurteilung gekommen, ist dem zunächst zu entgegnen, dass - wie bereits das BFA und das BVwG zutreffend dargelegt haben - das Ergehen einer strafgerichtlichen Verurteilung für die Annahme einer Aufenthaltsehe nicht erforderlich ist (vgl. dazu aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0033, Rn. 12, mwN).
12 Soweit der Revisionswerber diesbezüglich noch bemängelt, dass der Inhalt des Strafverfahrens (die dort „vorhandenen“ Einvernahmen des Revisionswerbers und seiner Ehefrau) nicht berücksichtigt worden sei, legt er die Relevanz der damit geltend gemachten Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht dar. Er bringt in diesem Zusammenhang nämlich nur vor, es hätte sich „ein anderes Bild der Geschehnisse ergeben“, ohne den Inhalt der dort getätigten, angeblich gegen das Vorliegen einer Aufenthaltsehe sprechenden Angaben der Eheleute zu konkretisieren. Das Revisionsvorbringen reicht daher insgesamt nicht aus, um einen relevanten Verfahrensmangel in Bezug auf die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung aufzuzeigen.
13 Entgegen den Ausführungen in der Revision hat das BVwG auch eine ausreichende Gefährdungsprognose vorgenommen, indem es davon ausging, aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe nur zu dem Zweck, dem Revisionswerber ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen, sei anzunehmen, dass er neuerlich ein Verhalten setzen könnte, um die Regelungen über eine legale Niederlassung im Bundesgebiet zu umgehen. Es sei daher auch unter Berücksichtigung der fehlenden Schuldeinsicht des Revisionswerbers keine positive Zukunftsprognose möglich; vielmehr sei davon auszugehen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit (in Bezug auf ein geordnetes Fremdenwesen) darstelle. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden.
14 Weiters wendet sich der Revisionswerber gegen die Interessenabwägung des BVwG. Er wirft dem BVwG diesbezüglich vor, davon ausgegangen zu sein, dass er im Bundesgebiet über keine relevanten familiären Bindungen verfüge, obgleich es die Feststellung getroffen habe, dass sich „drei Brüder, mehrere Nichten und Neffen“ in Österreich aufhielten. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass das BVwG auf die Beziehung zu diesen Angehörigen ohnehin Bedacht nahm, ihr aber mangels gemeinsamen Haushalts oder Abhängigkeitsverhältnisses eine derart berücksichtigungswürdige Intensität abgesprochen hat, dass von einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot hätte Abstand genommen werden müssen. Diese Abwägung ist nicht zu beanstanden. Dazu kommt nämlich auch die vergleichsweise kurze und nur auf eine Täuschungshandlung zurückzuführende Dauer des - nach den unbekämpften Feststellungen zudem mehrfach unterbrochenen - Aufenthalts im Bundesgebiet erst seit Ende 2018.
15 Das Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird in der Revision nur unter dem Gesichtspunkt gerügt, das BVwG hätte sich vom Revisionswerber einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen. Dieser Einwand geht aber deshalb ins Leere, weil es sich insgesamt um einen eindeutigen Fall handelt, der eine Entscheidung ohne Vornahme der beantragten Beschwerdeverhandlung erlaubte (vgl. dazu etwa VwGH 2.11.2020, Ra 2020/21/0227, Rn. 7/8, und VwGH 20.5.2021, Ra 2021/21/0145, Rn. 10, mwN).
16 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 20. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022210120.L00Im RIS seit
30.01.2023Zuletzt aktualisiert am
30.01.2023