TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/20 Ra 2021/08/0036

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Veröffentlicht am 20.12.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
62 Arbeitsmarktverwaltung
66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita
AlVG 1977 §1 Abs4
AlVG 1977 §12 Abs3 lita
AlVG 1977 §12 Abs6 lita
AlVG 1977 §24
AlVG 1977 §24 Abs2
AlVG 1977 §24 Abs2 idF 2008/I/082
AlVG 1977 §25 Abs1
AlVG 1977 §25 Abs6
AlVG 1977 §25 Abs6 idF 2008/I/082
AlVG 1977 §36a Abs1
AlVG 1977 §36a Abs5
AlVG 1977 §36a Abs5 Z2
AlVG 1977 §36c Abs1
AlVG 1977 §36c Abs5
AlVG 1977 §38
AlVG 1977 §50 Abs1
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
AVG §38
AVG §68 Abs1
AVG §69
AVG §69 Abs1 Z1
SVÄG 2017
VwRallg
  1. ASVG § 4 heute
  2. ASVG § 4 gültig ab 01.07.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2022
  3. ASVG § 4 gültig von 01.09.2016 bis 30.06.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 75/2016
  4. ASVG § 4 gültig von 01.01.2014 bis 31.08.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 187/2013
  5. ASVG § 4 gültig von 01.01.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2012
  6. ASVG § 4 gültig von 01.06.2012 bis 31.12.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 17/2012
  7. ASVG § 4 gültig von 01.08.2010 bis 31.05.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 62/2010
  8. ASVG § 4 gültig von 01.08.2009 bis 31.07.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 83/2009
  9. ASVG § 4 gültig von 01.01.2006 bis 31.07.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005
  10. ASVG § 4 gültig von 01.01.2006 bis 31.08.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 45/2005
  11. ASVG § 4 gültig von 01.09.2005 bis 31.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005
  12. ASVG § 4 gültig von 01.08.2001 bis 31.08.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2001
  13. ASVG § 4 gültig von 01.01.2001 bis 31.07.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2001
  14. ASVG § 4 gültig von 01.01.2001 bis 31.12.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 142/2000
  15. ASVG § 4 gültig von 01.01.2000 bis 31.12.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  16. ASVG § 4 gültig von 01.01.2000 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 139/1997
  17. ASVG § 4 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  18. ASVG § 4 gültig von 01.08.1998 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  19. ASVG § 4 gültig von 01.01.1998 bis 31.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  20. ASVG § 4 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 139/1997
  21. ASVG § 4 gültig von 23.04.1997 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/1997
  22. ASVG § 4 gültig bis 22.04.1997
  1. ASVG § 4 heute
  2. ASVG § 4 gültig ab 01.07.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2022
  3. ASVG § 4 gültig von 01.09.2016 bis 30.06.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 75/2016
  4. ASVG § 4 gültig von 01.01.2014 bis 31.08.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 187/2013
  5. ASVG § 4 gültig von 01.01.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2012
  6. ASVG § 4 gültig von 01.06.2012 bis 31.12.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 17/2012
  7. ASVG § 4 gültig von 01.08.2010 bis 31.05.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 62/2010
  8. ASVG § 4 gültig von 01.08.2009 bis 31.07.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 83/2009
  9. ASVG § 4 gültig von 01.01.2006 bis 31.07.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005
  10. ASVG § 4 gültig von 01.01.2006 bis 31.08.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 45/2005
  11. ASVG § 4 gültig von 01.09.2005 bis 31.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005
  12. ASVG § 4 gültig von 01.08.2001 bis 31.08.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2001
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  14. ASVG § 4 gültig von 01.01.2001 bis 31.12.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 142/2000
  15. ASVG § 4 gültig von 01.01.2000 bis 31.12.2000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  16. ASVG § 4 gültig von 01.01.2000 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 139/1997
  17. ASVG § 4 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  18. ASVG § 4 gültig von 01.08.1998 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  19. ASVG § 4 gültig von 01.01.1998 bis 31.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  20. ASVG § 4 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 139/1997
  21. ASVG § 4 gültig von 23.04.1997 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/1997
  22. ASVG § 4 gültig bis 22.04.1997
  1. AVG § 69 heute
  2. AVG § 69 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 69 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. AVG § 69 gültig von 01.01.1999 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  5. AVG § 69 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998
  1. AVG § 69 heute
  2. AVG § 69 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 69 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. AVG § 69 gültig von 01.01.1999 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  5. AVG § 69 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/08/0039
Ra 2021/08/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revisionen des G S in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen jeweils die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Jänner 2021, W260 2218500-1/8E und W260 2218505-1/13E, jeweils betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, und W260 2218504-1/8E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils € 553,20, somit insgesamt € 1.659,60, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber bezog mit Unterbrechungen ab 9. März 2013 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Am 19. Mai 2014 meldete er der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße (AMS) die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung seit dem 8. Mai 2014 bei der S GmbH. Dazu legte er die von der Dienstgeberin beim Krankenversicherungsträger vorgenommene Anmeldung vor, wonach er für eine Beschäftigung im Ausmaß von fünf Wochenstunden monatlich € 175,88 verdiene.

2        Am 11. Mai 2016 ging dem AMS eine Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zu, wonach der Revisionswerber von 8. bis 31. Mai 2014 sowie 1. Juli 2014 bis 31. August 2014 aufgrund seiner Tätigkeit bei der S GmbH der Pflichtversicherung in der Voll-(Kranken-, Unfall- und Pensions-)Versicherung nach dem ASVG unterlegen sei. Der Revisionswerber trat dieser Mitteilung - nach Erörterung mit dem AMS - entgegen und beantragte beim (damals) zuständigen Krankenversicherungsträger - der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) - die Erlassung eines Feststellungsbescheides hinsichtlich des Bestehens bzw. Nichtbestehens seiner Pflichtversicherung (Vollversicherung) nach dem ASVG.

3        Die WGKK stellte mit Bescheid vom 12. Juni 2018 fest, der Revisionswerber sei aufgrund seiner Beschäftigung bei der S GmbH in näher genannten Zeiträumen - nämlich insbesondere 8. bis 31. Mai 2014 und 1. Juli 2014 bis 31. August 2014 - der Voll-(Kranken-, Unfall- und Pensions-)Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie in weiteren Zeiträumen - nämlich insbesondere 1. bis 30. Juni 2014 und 1. September 2014 bis 31. August 2015 - der Teilversicherung in der Unfallversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG iVm. § 5 Abs. 1 Z 2 und § 7 Z 3 lit. a ASVG unterlegen. In der Begründung verwies die WGKK darauf, dass der Revisionswerber in den genannten Zeiträumen der Vollversicherung für seine Dienstgeberin Mehrstunden in einem Ausmaß geleistet habe, dass ein Anspruch auf ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Gehalt bestanden habe. Eine Gleitzeitvereinbarung habe der Revisionswerber mit seiner Dienstgeberin nicht abgeschlossen. Die Zurechnung der geleisteten Mehrarbeit zu anderen Zeiträumen sei nicht vorzunehmen. Der Bescheid erlangte Rechtskraft.

4        Mit Bescheid vom 12. Dezember 2018 widerrief das AMS gemäß § 24 Abs. 2 AlVG den Bezug von Arbeitslosengeld durch den Revisionswerber für die Zeiträume 8. bis 31. Mai 2014 und 1. Juli 2014 bis 31. August 2014 und verpflichtete den Revisionswerber gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes von € 4.058,34. Wie sich aus dem Bescheid der WGKK ergebe, sei das Einkommen des Revisionswerbers in den genannten Zeiträumen über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen und sei daher der Vollversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG eingetreten, sodass der Revisionswerber nicht als arbeitslos anzusehen sei.

5        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers legte das AMS - ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6        Mit weiterem Bescheid vom 12. Dezember 2018 widerrief das AMS gestützt auf § 12 Abs. 3 lit. h AlVG in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG den Bezug des Arbeitslosengeldes des Revisionswerbers für die Zeiträume 1. bis 30. Juni 2014 und 1. bis 9. September 2014 und verpflichtete den Revisionswerber gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes von € 1.840,41. In den genannten Zeiträumen schließe die geringfügige Beschäftigung des Revisionswerbers bei der S GmbH aufgrund der vorangegangenen, der Vollversicherung unterliegenden Beschäftigung beim selben Unternehmen Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG aus.

7        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. Februar 2019 als unbegründet ab. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.

8        Mit einem dritten Bescheid vom 12. Dezember 2018 widerrief das AMS den Bezug von Notstandshilfe durch den Revisionswerber für die Zeiträume 10. September 2014 bis 2. Oktober 2014 und 6. Oktober 2014 bis 31. August 2015 und verpflichtete den Revisionswerber gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe von € 15.323,73. In Hinblick auf seine vorangegangene vollversicherte Beschäftigung sei der Revisionswerber nicht nur während der vollversicherten Beschäftigung bei der S GmbH, sondern auch während der nachfolgenden geringfügigen Beschäftigung bei derselben Dienstgeberin gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG nicht als arbeitslos anzusehen, sodass die in diesen Zeiträumen - im Anschluss an Arbeitslosengeld - bezogene Notstandshilfe nicht zustehe.

9        Die gegen diesen (dritten) Bescheid vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. Februar 2019 als unbegründet ab. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.

10       In den Beschwerdeverfahren brachte der Revisionswerber zusammengefasst vor, die dreijährige Frist des § 24 Abs. 2 AlVG zum Widerruf der Leistung sei bei der Erlassung der Bescheide des AMS bereits abgelaufen gewesen. Bereits aufgrund der Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes hätte das AMS über den Widerruf entscheiden können. Auch ein Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 AlVG sei nicht erfüllt. Der Revisionswerber sei geringfügig bei der S GmbH beschäftigt gewesen. In drei Monaten habe er Mehrstunden geleistet, wobei ihm diese jedoch von der Dienstgeberin tatsächlich nicht in Geld, sondern „im Folgemonat“ durch Zeitausgleich abgegolten worden seien. Es sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen, dass die WGKK sowie das AMS in der Folge aufgrund dieser Mehrstunden vom Vorliegen einer Vollversicherung ausgehen würden.

11       Mit den (drei) in Revision gezogenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung jeweils als unbegründet ab. Revisionen erklärte es für nicht zulässig.

12       Das Bundesverwaltungsgericht stellte jeweils fest, das Bestehen einer Vollversicherung in den von der WGKK mit rechtskräftigem Bescheid vom 12. Juni 2018 festgestellten Zeiten habe sich dadurch ergeben, dass der Revisionswerber als Dienstnehmer der S GmbH Mehrstunden geleistet habe; und zwar im Ausmaß von insgesamt 99 Stunden im Mai 2014, von 147,75 Stunden im Juli 2014 und von 130,5 Stunden im August 2014. Aufgrund der Mehrarbeit sei das Entgelt, auf das der Revisionswerber Anspruch gehabt habe, unter Beachtung, dass keine Gleitzeitvereinbarung abgeschlossen worden sei, über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Die Leistung der Mehrstunden habe der Revisionswerber dem AMS nicht gemeldet. Auch den Bescheid der WGKK vom 12. Juni 2018 habe er dem AMS nicht vorgelegt, sodass das AMS erst am 26. September 2018 davon Kenntnis erlangt habe.

13       In rechtlicher Hinsicht ergebe sich, dass der Revisionswerber während seines der Vollversicherung unterliegenden Dienstverhältnisses sowie im Sinn des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG auch während der daran anschließenden geringfügigen Beschäftigungen beim selben Dienstgeber nicht als arbeitslos anzusehen sei. Es treffe daher im Sinn der Ausführungen des AMS zu, dass dem Revisionswerber in den in den Bescheiden genannten Zeiträumen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe nicht zugestanden sei. Auch der Einwand des Revisionswerbers, nach einem Ablauf von drei Jahren wäre gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ein Widerruf der Leistung nicht mehr zulässig, sei nicht berechtigt. Nicht schon durch die Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, sondern erst durch die Erlassung des Bescheides der WGKK, an den eine Bindung bestanden habe, sei nämlich festgestanden, in welchen Zeiträumen der Revisionswerber in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG gestanden sei. Auch die Rückforderung der Leistungen sei berechtigt. Der zweite Rückforderungstatbestand des Verschweigens maßgeblicher Tatsachen nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG werde in der Regel durch Verletzung der Meldepflichten nach § 50 AlVG verwirklicht. Der Revisionswerber habe seine Meldepflicht verletzt, indem er dem AMS die Leistung von Mehrarbeit nicht mitgeteilt habe. Dabei sei ihm zumindest bedingter Vorsatz vorzuwerfen. Der Revisionswerber hätte im Übrigen erkennen müssen, dass ihm Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht zugestanden seien, sodass neben dem zweiten auch der dritte Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG erfüllt sei.

14       Gegen diese Erkenntnisse richten sich die außerordentlichen Revisionen. Nach Einleitung der Vorverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof hat das AMS jeweils eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revisionen beantragt.

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - aufgrund des rechtlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Revisionen erwogen:

16       Zur Zulässigkeit und Begründung der Revisionen wird zusammengefasst geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum hier maßgeblichen Verständnis des Begriffs der Nachweise nach § 24 Abs. 2 letzter Satz und § 25 Abs. 6 letzter Satz AlVG. Es treffe jedenfalls nicht zu, dass unter Nachweisen im Sinn der genannten Bestimmungen nur rechtskräftige Bescheide zu verstehen seien. Das AMS hätte bereits aufgrund der Mitteilung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 11. Mai 2016 über das Vorliegen eines der Vollversicherung unterliegenden Dienstverhältnisses entscheiden können. Ein Abwarten des Bescheides der WGKK sei nicht erforderlich gewesen. Eine Verlängerung der dreijährigen Frist für den Widerruf bzw. die Rückforderung der Leistung sei daher dadurch, dass dieser Bescheid erst im Jahr 2018 erlassen worden sei, nicht eingetreten. Hinsichtlich der Annahme, es sei ein Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt, habe das Bundesverwaltungsgericht es unterlassen, die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Der Revisionswerber habe insoweit vorgebracht, es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass aufgrund der durch Zeitausgleich abgegoltenen Mehrstunden eine Pflichtversicherung eintreten könnte, sodass ihm ein vorsätzliches Verhalten nicht vorgeworfen werden könne. Damit hätte das Bundesverwaltungsgericht sich auseinandersetzen müssen.

17       Die Revisionen sind zulässig, weil der Begriff der „zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise“ in § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG einer Klärung bedarf. Sie sind aber nicht berechtigt.

18       § 24 Abs. 2, § 25 Abs. 1 und 6 (jeweils in der Fassung des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2017 - SVÄG 2017, BGBl. I Nr. 38/2017), § 36a Abs. 1 und 5, § 38 und § 50 Abs. 1 AlVG, lauten samt Überschriften auszugsweise:

„Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

§ 24. [...]

(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.

§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. [...] .

(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 besteht nur, wenn eine solche innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum verfügt wird. Eine Verfügung zur Nachzahlung ist nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Wird eine Nachzahlung beantragt, so ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.

[...]

Einkommen

§ 36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

[...]

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1.   bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

2.   bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung;

3.   bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft durch Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides;

4.   bei steuerfreien Bezügen durch eine Bestätigung der bezugsliquidierenden Stelle.

[...]

Allgemeine Bestimmungen

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.

[...]

Anzeigen

§ 50. (1) Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. [...]“

19       Ungeachtet dessen, dass § 12 Abs. 3 lit. a AlVG nicht auf das Bestehen der Vollversicherungspflicht, sondern auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses abstellt, ist zufolge der Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG der Begriff des nicht geringfügig entlohnten Dienstverhältnisses, der sich aus den genannten Bestimmungen des § 12 AlVG in ihrem Zusammenhang ergibt, ident mit dem des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG, an welches § 1 Abs. 1 lit. a iVm. Abs. 4 AlVG für die Arbeitslosenversicherungspflicht (u.a.) anknüpft (vgl. etwa VwGH 25.2.2021, Ra 2019/08/0133, mwN). Es ist daher rechtlich ausgeschlossen, dass für einen bestimmten Zeitraum sowohl das Vorliegen einer Vollversicherungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG, gleichzeitig aber auch das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bejaht werden kann, zumal die maßgebenden Kriterien einer entsprechend entlohnten abhängigen Beschäftigung in beiden Fällen die gleichen sind. Wer in einem nicht geringfügig entlohnten vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist, kann somit schon aus diesem Grunde nicht arbeitslos sein. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen, die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides ist dieser der Beurteilung zugrunde zu legen und das Vorliegen von Arbeitslosigkeit für den gleichen Zeitraum schon deswegen zu verneinen. Der Bescheid über die Versicherungspflicht stellt insoweit eine Entscheidung einer Vorfrage im Sinn des § 38 AVG dar (vgl. VwGH 20.2.2020, Ra 2019/08/0156, mwN).

20       In den Zeiten, in denen der Revisionswerber nach dem Bescheid der WGKK vom 12. Juni 2018 aufgrund seines Dienstverhältnisses mit der S GmbH der Voll-(Kranken-, Unfall- und Pensions-)Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG unterlag, war er daher nicht als arbeitslos anzusehen. Weiters trifft es im Sinn der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu, dass er nach § 12 Abs. 3 lit. h AlVG auch während der an die Vollversicherung (unmittelbar) anschließenden geringfügigen Beschäftigungen bei der S GmbH nicht als arbeitslos galt (vgl. näher zu § 12 Abs. 3 lit. h AlVG etwa VwGH 6.3.2018, Ra 2017/08/0048, mwN). In den nunmehr gegenständlichen Zeiträumen erfüllte der Revisionswerber daher - wie im Revisionsverfahren auch nicht mehr bestritten wird - die Voraussetzungen des Bezugs von Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit nach § 7 Abs. 1 iVm. § 12 AlVG nicht.

21       § 24 Abs. 2 AlVG ermöglicht die (rückwirkende) Korrektur der zuerkannten Leistung von Arbeitslosengeld bzw. (iVm. § 38 AlVG) Notstandshilfe ohne Bindung an die strengen Voraussetzungen des § 69 AVG. Nach § 24 Abs. 2 erster und zweiter Satz AlVG ist, wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, die Zuerkennung zu widerrufen, bzw. wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Mit dieser auf die Novelle BGBl. I Nr. 82/2008 zurückgehenden Formulierung wurde klargestellt, dass ein Widerruf auch dann möglich sein soll, wenn die Ungebührlichkeit von Anfang an feststand, aber von der Behörde erst verspätet bemerkt wurde. Demzufolge kann nach § 24 Abs. 2 AlVG jede gesetzlich nicht begründete Zuerkennung - unabhängig davon, ob die Gründe für die Gesetzwidrigkeit schon ursprünglich bekannt waren bzw. vom AMS übersehen wurden - widerrufen bzw. berichtigt werden. Eine Beschränkung der Möglichkeit zum Widerruf bzw. zur Berichtigung der Leistung ergibt sich, soweit sich die zuerkannte Leistung dem Grunde oder der Höhe nach als unrichtig herausstellt, allerdings aus den in § 24 Abs. 2 dritter bis fünfter Satz AlVG vorgesehenen Fristen (vgl. VwGH 16.2.2022, Ro 2021/08/0005, mwN).

22       Diese für den Ausspruch eines Widerrufs nach § 24 Abs. 2 AlVG bzw. einer Rückforderung der Leistung nach § 25 Abs. 6 AlVG vorgesehenen Fristen wurden mit dem SVÄG 2017 eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1474 BlgNR 25. GP 4) heißt es dazu:

„Derzeit gibt es im Arbeitslosenversicherungsgesetz keine einheitlichen Verjährungsregelungen. Personen, die einmal Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen haben, deren Ausmaß nie bescheidmäßig festgestellt wurde, können daher noch viele Jahre danach eine Neuberechnung ihrer Ansprüche verlangen. Für länger zurück liegende Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung soll eine generelle Verjährungsfrist von drei Jahren gelten, nach deren Ablauf eine Änderung nicht mehr möglich ist, weder zu Gunsten noch zu Lasten der LeistungsbezieherInnen. Bei Anträgen von Leistungsbezieher/inne/n soll die Verjährungsfrist für Zeiträume gelten, die länger als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen, und damit unabhängig von der Erledigungsdauer gelten. Bei Nichtvorlage erforderlicher Nachweise durch die arbeitslose Person ist eine Verlängerung der Frist für den Widerruf bzw. die Rückforderung erforderlich, damit ein Widerruf oder eine allfällige Rückforderung nicht durch Verzögerung der Vorlage von Nachweisen (zB Steuerbescheide), die das Arbeitsmarktservice zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Anspruches benötigt, vereitelt werden kann. Ebenso soll die Frist verlängert werden, wenn eine Vorlage von Nachweisen nicht früher möglich ist, etwa weil der maßgebliche Steuerbescheid noch nicht erlassen wurde. Für vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen gestellte Anträge auf Berichtigung oder Nachzahlung soll weiterhin die bisherige Rechtslage gelten.“

23       Nach der vor dem SVÄG 2017 geltenden Rechtslage des § 24 Abs. 2 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 war der Widerruf oder die Berichtigung der Leistung nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr zulässig, wenn die fehlerhafte Zuerkennung oder Bemessung auf ein Versehen der Behörde zurückzuführen war. Somit war bei vom AMS zu verantwortenden Fehlern zulasten der Leistungsbezieher eine Korrektur auf einen Zeitraum von fünf Jahren ab Kenntnis der Behörde begrenzt. In allen anderen Fällen - einem Verschulden der Partei an einem Überbezug sowie bei jeder unrichtigen Berechnung der Leistung zu Ungunsten der Partei - war ein Widerruf oder eine Berichtigung dagegen zeitlich uneingeschränkt vorzunehmen. Hinsichtlich einer Rückforderung oder Nachzahlung der Leistung bestand eine zeitliche Beschränkung nach § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 lediglich insoweit, als diese nach einem Zeitraum von fünf Jahren ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle nicht mehr möglich waren (vgl. zu dieser Rechtslage VwGH 11.7.2012, 2011/08/0363, mwN).

24       Durch das SVÄG 2017 wurde eine Neubeurteilung des Anspruchs - von den Fällen des letzten Satzes des § 24 Abs. 2 und des § 25 Abs. 6 AlVG abgesehen (siehe gleich) - nach Ablauf von drei Jahren ausgeschlossen. Ein Widerruf oder eine Berichtigung, die amtswegig durch das AMS erfolgt, muss nunmehr mit einem Bescheid innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum, worunter der (Kalender-)Monat (bzw. der Teil eines Monats), für den eine Leistung bezogen wurde, zu verstehen ist, erfolgen (vgl. VwGH 14.11.2018, Ra 2018/08/0088; 3.4.2019, Ra 2017/08/0067). Bei einer vom Leistungsempfänger beantragten Berichtigung muss der Antrag nach dem vorletzten Satz des § 24 Abs. 2 und des § 25 Abs. 6 AlVG innerhalb von drei Jahren nach dem Leistungszeitraum gestellt werden (vgl. Seitz in Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz [19. Lfg.] § 24 Rz 512). Ergibt sich erst nach diesem Zeitraum, dass die Zuerkennung oder die Berechnung der Höhe des Anspruchs auf einem Irrtum bzw. - wie etwa aus einer Klarstellung in der Judikatur der Höchstgerichte folgen kann - auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhte, führt dies somit zu keiner Korrektur der Leistung mehr.

25       Von diesem Grundsatz ordnen der letzte Satz des § 24 Abs. 2 AlVG und (wortgleich) der letzte Satz des § 25 Abs. 6 AlVG eine Ausnahme für den Fall an, dass die zur Beurteilung des Leistungsanspruchs erforderlichen Nachweise nicht innerhalb der dreijährigen Frist vorgelegt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung bereits darauf hingewiesen, dass die Verlängerung der Frist allein davon abhängig ist, dass die Nachweise nicht innerhalb der Zeitspanne von drei Jahren vorliegen. Das Gesetz stellt weder darauf ab, ob das AMS sich durch eigene Abfragen schon früher entsprechende Kenntnisse verschaffen hätte können, noch normiert es eine weitere Fristverlängerung, wenn die Nachweise dem AMS zwar vorliegen, die arbeitslose Person aber ihrer (sonstigen) Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/08/0088, mwN).

26       Der - im Revisionsverfahren strittige - Begriff der „zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise“ wird in § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG nicht näher definiert. Aus den Gesetzesmaterialien ist abzuleiten, dass das Ziel der Regelung war, die Vereitelung des Widerrufs bzw. der Rückforderung der Leistung durch die Nichtvorlage bzw. die verspätete Vorlage von Nachweisen zu verhindern, wobei - wenngleich ausdrücklich nur beispielhaft - „Steuerbescheide“ erwähnt werden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Bestimmung an die im AlVG an anderen Stellen statuierte Pflicht der Leistungsempfänger bzw. Antragsteller anknüpft, Schriftstücke (Nachweise) zur Bescheinigung bestimmter für den Anspruch maßgeblicher Tatsachen vorzulegen, um dem AMS eine Prüfung der Voraussetzungen der Leistung zu ermöglichen. Eine solche Pflicht zur Vorlage von Nachweisen ist insbesondere in § 36a Abs. 1 iVm. Abs. 5 AlVG zur Feststellung des Einkommens - zum Zweck der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit - vorgesehen. Dabei wird nach Berufsgruppen unterschieden. Von selbständig Erwerbstätigen wird in der Z 1 der Bestimmung zunächst die Vorlage von Erklärungen und in weiterer Folge der Einkommensteuerbescheide für das jeweilige Kalenderjahr verlangt (vgl. zur Vorlagepflicht betreffend Umsatzsteuerbescheide § 36c Abs. 1 iVm. Abs. 5 AlVG). Unselbständig Erwerbstätigen wird in der Z 2 die Pflicht, eine „aktuelle Lohnbestätigung“ vorzulegen, auferlegt.

27       Die Pflicht zur Vorlage derartiger Nachweise, an die § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG anknüpft, kann in verschiedener Weise verletzt werden, nämlich dadurch, dass eine Vorlage überhaupt nicht erfolgt - wie dies bezogen auf § 36a Abs. 1 AlVG etwa durch die Verheimlichung der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Erwerbstätigkeit denkbar ist - oder verspätet erfolgt oder dadurch, dass in den Nachweisen falsche Angaben gemacht werden (vgl. idS etwa VwGH 19.9.2007, 2006/08/0187, mwN). In diesem Sinn stellen § 24 Abs. 2 AlVG und § 25 Abs. 6 AlVG auf die „zur Beurteilung erforderlichen“ Nachweise ab, worunter solche zu verstehen sind, in denen gegenüber dem AMS zutreffende Angaben hinsichtlich der nachzuweisenden Tatsachen - insbesondere in den Nachweisen nach § 36a Abs. 5 AlVG hinsichtlich des Einkommens - gemacht werden, sodass darauf eine Prüfung (Beurteilung) durch das AMS gestützt werden kann. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit dem SVÄG 2017 Personen, die zur Erlangung des Anspruchs - allenfalls auch bewusst - falsche bzw. inhaltlich unrichtige Urkunden vorgelegt haben, hätte schützen wollen, zumal der Widerruf nach § 24 Abs. 2 AlVG damit sogar gegenüber den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG erschwert worden wäre.

28       Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die dreijährige Frist für den Widerruf bzw. die Berichtigung nach § 24 Abs. 2 letzter Satz AlVG und die Rückforderung nach § 25 Abs. 6 letzter Satz AlVG sich verlängert, wenn Nachweise (Schriftstücke), zu deren Vorlage Leistungsempfänger durch das AlVG zum Nachweis der Voraussetzungen ihres Anspruchs - insbesondere nach § 36a Abs. 5 AlVG hinsichtlich des Einkommens - verpflichtet werden, nicht bzw. nicht innerhalb der Frist von drei Jahren vorgelegt werden. Einer mangelnden Vorlage der zur Beurteilung erforderlichen Nachweise im Sinn des § 24 Abs. 2 und des § 25 Abs. 6 AlVG ist es gleichzuhalten, wenn die Tatsachenangaben in den vorgelegten Schriftstücken zu den Umständen, die durch die Urkunde zu bescheinigen sind, unrichtig bzw. im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr richtig sind.

29       Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber hinsichtlich seiner Beschäftigung eine Bestätigung über seine Anmeldung durch seine Dienstgeberin hinsichtlich des am 8. Mai 2014 angetretenen Beschäftigungsverhältnisses vorgelegt, wonach das Arbeitsentgelt monatlich € 175,88 betrug, womit es unter der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) geblieben wäre. Wie sich nachträglich herausgestellt hat und aufgrund des Bescheides der WGKK feststeht, lag das Arbeitsentgelt, auf das der Revisionswerber Anspruch hatte, tatsächlich im Mai, Juli und August 2014 über der Grenze der Geringfügigkeit. Die vorgelegte Bestätigung über die Anmeldung stellte daher im Sinn des Gesagten hinsichtlich des Einkommens des Revisionswerbers aus seiner Beschäftigung keinen ausreichenden „zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweis“ nach § 24 Abs. 2 letzter Satz und § 25 Abs. 6 letzter Satz iVm. § 36a Abs. 5 Z 2 AlVG mehr dar.

30       Geht ein Nachweis, dessen Vorlage zunächst unterblieben ist, schließlich doch zu, bleiben dem AMS nach § 24 Abs. 2 letzter Satz und § 25 Abs. 6 letzter Satz AlVG drei Monate ab Vorliegen für die Erlassung eines Widerrufs- oder Rückforderungsbescheides (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/08/0088 und Ra 2017/08/0067). Dies trifft insbesondere auf die spätere Übermittlung von Nachweisen hinsichtlich des Einkommens nach § 36a Abs. 5 AlVG zu. Der Vorlage einer „aktuellen Lohnbestätigung“ nach Z 2 dieser Bestimmung ist es aber auch gleichzuhalten, wenn dem AMS ein rechtskräftiger, die Versicherungspflicht feststellender Bescheid zugeht, weil vor dem Hintergrund der insoweit bestehenden Bindung (siehe oben Rn. 19) hinsichtlich des Einkommens in einem solchen Fall nichts mehr zu bescheinigen ist. Dass ausgehend davon, dass der Bescheid der WGKK vom 12. Juni 2018 dem AMS erst am 26. September 2018 zur Kenntnis gelangt ist, die Frist bei Erlassung der Bescheide des AMS vom 12. Dezember 2018 nicht abgelaufen war, stellt aber auch die Revision nicht in Abrede.

31       Die dem AMS am 11. Mai 2016 zugegangene Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, wonach der Revisionswerber in einzelnen Zeiten der Beschäftigung bei der S GmbH der Vollversicherung unterlegen sei, stellt aber entgegen der Revision keinen Nachweis im dargestellten Sinn dar. An diese Mitteilung bestand keine Bindung des AMS (vgl. etwa VwGH 9.12.2020, Ra 2020/08/0092, mwN). Der Revisionswerber ist der Annahme, er sei vollversichert beschäftigt gewesen, auch entgegengetreten. Die Höhe des Einkommens des Revisionswerbers bzw. das Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze wurde damit daher nicht nachgewiesen, sodass kein einer „aktuellen Lohnbestätigung“ nach § 36a Abs. 5 Z 2 AlVG gleichzuhaltenden Nachweis vorlag.

32       Der Widerruf der Leistung erfolgte daher im Ergebnis zu Recht.

Die Frist für die Rückforderung der Leistung wird in § 25 Abs. 6 letzter Sat

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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