Index
E000 EU- Recht allgemeinNorm
EURallgRechtssatz
Kommt dem Fremden der Status eines Asylberechtigten zu, ist ihm gemäß § 94 Abs. 1 FrPolG 2005 grundsätzlich auf Antrag ein Konventionsreisepass auszustellen. Allerdings gelten gemäß § 94 Abs. 5 FrPolG 2005 der § 88 Abs. 4 FrPolG 2005 sowie die §§ 89 bis 93 FrPolG 2005 (insbesondere die Versagungsgründe nach § 92 FrPolG 2005), die sich auf Fremdenpässe beziehen, auch für Konventionsreisepässe. Die genannten innerstaatlichen Bestimmungen sind vor dem Hintergrund der entsprechenden unionsrechtlichen Regelung, nämlich Art. 25 Abs. 1 der Statusrichtlinie (RL 2011/95/EU), auszulegen (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0055). Danach ist einem anerkannten Flüchtling ein Reisepapier auszustellen, es sei denn, es stünden zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegen (vgl. idS Art. 28 Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention). Nach § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1a FrPolG 2005 iVm § 14 Abs. 1 Z 5 PassG 1992 ist die Ausstellung eines Passes zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Passwerber könnte als Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung iSd. §§ 278 bis 278b StGB durch den Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden (womit auch im Sinn der Statusrichtlinie zwingende Gründe der nationalen Sicherheit für die Versagung des Passes vorlägen). Diese Gefährdungsprognose war im vorliegenden Fall aber unzureichend begründet. Zum einen hat das VwG keine Feststellungen betreffend eine (sei es auch nur künftig zu erwartende) Mitgliedschaft des Passwerbers in einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung iSd. §§ 278 bis 278b StGB getroffen. Weder ist nämlich ein "Sympathisant und Unterstützer" mit einem Mitglied gleichzusetzen, noch kann aus der Verwirklichung des Tatbestandes der Terrorismusfinanzierung - der einen Auffangtatbestand neben dem Delikt der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied nach § 278b StGB darstellt - schon auf eine Mitgliedschaft geschlossen werden. Zum anderen ist zur Begründung der Prognose einer Gefährdung iSd. § 14 Abs. 1 Z 5 PassG 1992 zwar nicht Voraussetzung, dass der betreffende Fremde tatsächlich schon einmal ein Reisedokument für den verpönten Zweck benützt hat (vgl. VwGH 7.7.2009, 2007/18/0243); vielmehr ist es nach dem Wortlaut dieser Bestimmung hinreichend, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, es werde in Zukunft zu einer entsprechenden Gefährdung kommen. Dabei ist aber das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände diese Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist, wobei nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist (vgl. VwGH 18.8.2022, Ra 2022/21/0044).
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210325.L01Im RIS seit
30.01.2023Zuletzt aktualisiert am
30.01.2023