Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ASVG §34 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Dipl. Ing. K S in W, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14/2/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2022, W209 2248390-1/5E, betreffend Beiträge nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse; im Folgenden kurz: Kasse) teilte dem Revisionswerber mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 mit, es sei bei Überprüfung der Verrechnungsunterlagen festgestellt worden, dass er für die Jahre 2010 bis 2012 zu geringe Beiträge abgerechnet habe. Es sei daher eine entsprechende Nachverrechnung anhand der vom Revisionswerber übermittelten Lohnzettel vorgenommen worden. Der Revisionswerber werde ersucht, die Beiträge samt Verzugszinsen laut beiliegender Abrechnung unverzüglich zu entrichten.
2 Der Revisionswerber beantragte daraufhin mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 die Erlassung eines Bescheides, da zumindest ein Teil der Forderungen gemäß § 68 Abs. 1 ASVG verjährt sei.
3 Die Kasse teilte ihm mit Schreiben vom 17. Februar 2015 ihre Rechtsansicht mit, wonach im Hinblick auf die nicht erfolgte Meldung der Beiträge für die geringfügig Beschäftigten die fünfjährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme. Sie räumte dem Revisionswerber ausdrücklich die Möglichkeit ein, Akteneinsicht zu nehmen und eine Stellungnahme abzugeben. Darauf reagierte der Revisionswerber nicht.
4 Mit Schreiben vom 15. Juli 2015 erinnerte die Kasse an das Schreiben vom 17. Februar 2015 und wies darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Beitragsnachverrechnung für die Jahre 2008 und 2009, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen sei, abgewiesen habe. Sie gab dem Revisionswerber nochmals Gelegenheit zur Akteneinsicht und Abgabe einer Stellungnahme. Auch darauf reagierte der Revisionswerber nicht.
5 Nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Revision des Revisionswerbers gegen die erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Jahre 2008 und 2009 zurückgewiesen hatte (VwGH 14.10.2015, Ra 2015/08/0125), ersuchte die Kasse den Revisionswerber mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 um Mitteilung, ob er seinen Bescheidantrag aufrecht erhalte.
6 Der Revisionswerber antwortete mit Schreiben vom 7. November 2015, dass er den Bescheidantrag „aus grundsätzlichen Überlegungen“ aufrecht erhalte.
7 Mit Schreiben vom 2. März 2020 fragte die Kasse neuerlich nach, ob der Revisionswerber seinen Bescheidantrag nach wie vor aufrecht erhalte. Der Bescheidantrag werde als zurückgezogen betrachtet, wenn nicht binnen vier Wochen eine Rückmeldung des Revisionswerbers einlange.
8 In den Verwaltungsakten findet sich sodann ein Aktenvermerk vom 4. August 2021, wonach der Revisionswerber am 3. August 2021 telefonisch mitgeteilt habe, dass es ihm um die Frage ginge, ob die Kasse noch berechtigt sei, Beiträge von ihm einzufordern. Er hätte sich in der Vergangenheit nicht gemeldet, da er eigentlich gar kein weiteres Verfahren führen wollte. Er wäre der Meinung gewesen, dass sich die Kasse wohl bei ihm wegen einer Beitragsforderung gemeldet hätte, er hätte daher einfach zugewartet und aus diesem Grund die Korrespondenz der Kasse unbeantwortet gelassen. In einem internen Schreiben der Abteilung „Beitragseinhebung“ an die „Versicherungsabteilung“ der Kasse vom 2. September 2021 wurde dann darauf hingewiesen, dass der Revisionswerber anlässlich eines Telefonats am 1. September 2021 bekräftigt habe, einen bekämpfbaren Beitragspflichtbescheid zu begehren.
9 Die Kasse erließ daraufhin den Bescheid vom 14. Oktober 2021, in dem sie aussprach, dass der Revisionswerber als Dienstgeber verpflichtet sei, für den Zeitraum 1. Jänner 2010 bis 31. Dezember 2012 Beiträge in Gesamthöhe von € 19.503,17 zu entrichten.
10 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der er vorbrachte, dass Verjährung eingetreten sei.
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Oktober 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Dabei ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich die Verjährungsfrist nach § 68 Abs. 1 ASVG mangels nicht rechtzeitiger Übermittlung der Beitragsnachweisungen durch den Revisionswerber auf fünf Jahre verlängert habe. Diese Verjährungsfrist sei spätestens mit der Kenntnisnahme des Revisionswerbers vom Beitragsrückstand auf Grund des Schreibens der Kasse vom 1. Dezember 2014 unterbrochen worden. Die Verjährung sei dann während des auf Antrag des Revisionswerbers vom 12. Dezember 2014 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehemmt gewesen, sodass noch keine Feststellungsverjährung eintreten habe können.
12 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
13 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber in diesem Sinn vor, dass die Kasse ihm mit (der Revision beigelegtem) Schreiben vom 28. Juni 2021 mitgeteilt habe, die Verjährung sei auf Grund eines anhängigen Verwaltungsverfahrens „bis Juni 2020“ gehemmt gewesen. Es stelle sich sohin die Frage, ob der Revisionswerber in Folge dieses Schreibens davon ausgehen habe dürfen, dass die Verjährung spätestens ab Juli 2020 weitergelaufen sei, und zwar zumindest bis zur Zustellung des auf Grund des Antrags des Revisionswerbers vom 12. Dezember 2014 ergangenen Bescheides vom 14. Oktober 2021.
17 Der Revisionswerber stellt aber nicht in Abrede, dass seit dem 12. Dezember 2014 ein Verfahren über die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig war. Während dieses Verfahrens war die Verjährung gemäß § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG gehemmt. Die missverständliche Bezugnahme auf eine Hemmung „bis Juni 2020“ im Schreiben der Kasse vom 28. Juni 2021 (in dem im Übrigen ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Beiträge „keinesfalls verjährt“ seien), ändert daran nichts.
18 Während des Verfahrens hätte es der Revisionswerber auch in der Hand gehabt, mittels Säumnisbeschwerde und (im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) allenfalls Fristsetzungsantrag eine Beschleunigung zu erreichen. Es kam daher - entgegen dem weiteren Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision - nicht darauf an, ob „in angemessener Zeit“ Verfahrensschritte gesetzt wurden; das spielt nur eine Rolle, solange kein Verwaltungsverfahren anhängig ist, das dem Beitragsschuldner Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Untätigkeit des Versicherungsträgers verschafft (vgl. idS VwGH 11.12.2013, 2012/08/0287, Punkt 4. der Entscheidungsgründe; darauf Bezug nehmend VwGH 25.10.2022, Ra 2021/08/0005, Rn. 29).
19 Warum der Revisionswerber schließlich - so seine Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung - in Anbetracht der Mitteilung der Kasse vom 28. Juni 2021 „wohl davon ausgehen konnte, dass dieser als meldepflichtige Person weder keine, noch unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. deren jeweiliges Entgelt samt Sonderzahlungen gemacht hat und somit die gehörige Sorgfalt im Zuge seiner Beitragsverpflichtung an den Tag gelegt hat, weshalb eine dreijährige Verjährungsfrist iSd leg.cit. anzunehmen ist“, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist insoweit auf den auch vom Bundesverwaltungsgericht zitierten, gegenüber dem Revisionswerber ergangenen Beschluss VwGH 14.10.2015, Ra 2015/08/0125, zu verweisen, wonach eine zur Verlängerung der Verjährungsfrist führende Meldepflichtverletzung vorliegt, wenn die Beitragsnachweisung gemäß § 34 Abs. 2 ASVG für die geringfügig beschäftigten Dienstnehmer nicht erfolgt.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 23. Dezember 2022
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080163.L00Im RIS seit
30.01.2023Zuletzt aktualisiert am
30.01.2023