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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
FlVfGG §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Agrargemeinschaft M, vertreten durch den Obmann, dieser vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landesagrarsentes beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 21. November 1991, Zl. LAS-271/7-90, betreffend Feststellung des Eigentumsrechtes an einer agrargemeinschaftlich genutzten Fläche (mitbeteiligte Partei: Gemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) leitete auf Antrag der Mehrheit der Nutzungsberechtigten mit Bescheid vom 30. Oktober 1987 gemäß § 62 Abs. 2 des Tiroler
Flurverfassungs-Landesgesetzes 1978 (TFLG 1978), LGBl. Nr. 54, das Regulierungsverfahren für den Gemeindewald der mitbeteiligten Partei, vorgetragen in den EZlen. 288 und 289, GB F., sowie in den EZlen. 126, GB M., und 141, GB T., ein.
Im Zuge dieses Regulierungsverfahrens stellte die mitbeteiligte Partei (MP) den Antrag festzustellen, daß die Teilfläche der Gp. Nr. 1183/1, welche zwischen der im Zuge der Grenzverhandlung vom 8. August 1935 mit den Punkten XIII bis XXX gebildeten Linie und der Katastergrenze der Gp. Nr. 1180/1 liegt, ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 33 TFLG 1978 darstelle, in das Regulierungsverfahren für das Gemeindegut der MP einbezogen werde und schließlich das Eigentum der MP daran festgestellt werde.
Mit Bescheid vom 6. Juli 1990 wurde von der AB entschieden, daß das Eigentumsrecht an jener strittigen Teilfläche des in EZ 122, GB M., vorgetragenen Grundstückes 1183/1 nicht der Beschwerdeführerin, sondern der MP zustehe. Diese Teilfläche sei ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1978 (Gemeindegut) und werde in das für den unverteilten Gemeindewald der MP anhängige Regulierungsverfahen einbezogen. Nach Vermessung dieser Teilfläche und Verfassung eines Teilungsplanes sei das durch Teilung des Grundstückes 1183/1 neu gebildete Grundstück aus EZ 122, GB M., (beschwerdeführende Partei) auszuscheiden und dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 126, GB M., (mitbeteiligte Partei) zuzuschreiben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens die Berufung gemäß § 1 AgrVG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG und den §§ 51, 63 und 73 TFLG 1978 als unbegründet ab. In der Begründung führt die belangte Behörde u.a. aus, zwischen der MP und der Beschwerdeführerin sei ein Streit über das Eigentum an einer Teilfläche der Gp. Nr. 1183/1 entstanden, die zwischen dem sogenannten Waldrasterweg (Gp. Nr. 1395) und den in der Vermessungsurkunde von 1935 angeführten Grenzsteinen Nrn. XIII bis XXX liege. Es sei unbestritten, daß die genannte Teilfläche infolge ihrer gemeinschaftlichen Nutzung ein agrargemeinschaftliches Grundstück darstelle, weshalb die Agrarbehörde zur Entscheidung über das Eigentum an dieser Fläche zuständig sei. Ferner sei die Zuständigkeit der Agrarbehörde auch gemäß den §§ 51 und 63 TFLG 1978 gegeben, wonach den Agrarbehörden die Feststellung der zum Regulierungsgebiet gehörenden Grundstücke obliege.
Nach Ansicht der belangten Behörde stehe jedoch die strittige Teilfläche der Gp. Nr. 1183/1, die grundbuchstechnisch der Beschwerdeführerin zugeschrieben sei, im Eigentum der MP.
Aus den Urkunden ergebe sich, daß mit Vergleichsprotokoll aus dem Jahre 1848 das K.K. Aerar mit Vorbehalt der Rechte Dritter und ohne Gewährleistung wider dieselben der MP eine Reihe von Waldungen gemäß Pkt. 10 ins Eigentum überlassen habe, so auch den sogenannten Schwarzwald. Anläßlich der Verhandlung vom 29. Juli 1991 sei durch Abgeordnete der belangten Behörde festgestellt worden, daß es sich bei dem Wald, in welchem auch die strittige Teilfläche liege, um den im Vergleichsprotokoll genannten Schwarzwald handle. Auch eine Einsichtnahme in die Urmappe habe diese Bezeichnung bestätigt. Da aber im Vergleichsprotokoll der Waldpurifikationskommission die der MP übergebenen Waldungen nur nach dem Eigennamen bezeichnet worden seien, sei es notwendig gewesen, diese in der Natur abzugrenzen und mit Grenzsteinen zu versehen. Die K.K.
Waldvermessungskommission habe nach dem Protokoll vom 19. Juni 1849 die Grenze der Waldungen der MP vermarkt. Dabei seien Grenzsteine entsprechend gesetzt worden. Die von der AB im erstinstanzlichen Bescheid in der Lageskizze wiedergegebene Grenzlinie sei ident mit der im Protokoll der Waldvermarkungskommission von 1849 festgesetzten Grenze. Das ergebe sich aus dem Vergleich der Entfernungen der einzelnen Grenzsteine, wie sie vom Protokoll beschrieben seien, und dem Vergleich in der Natur (wie die Grenzsteine heute noch existieren). Durch die seinerzeit festgelegte Grenze sei die Abgrenzung des der MP zugewiesenen Schwarzwaldes gegenüber der Gemeinde M. erfolgt. Daraus sei zu schließen, daß der bis zu dieser Grenzlinie liegende Teil des Schwarzwaldes der MP durch die Waldzuweisung ins Eigentum übertragen worden sei. Da diese Grenze offensichtlich unkenntlich geworden sei, sei diese im Jahre 1935 zwischen der MP und der Gemeinde M. wieder neu festgesetzt worden. Dabei sei in der Verhandlungsschrift vom 8. August 1935 ausdrücklich festgehalten worden, daß die Grenzsteine XIII, XIV bis XVI, XVIII, XXII, XXVII und XXXII noch vorhanden gewesen seien; die dazwischenliegenden Steine seien durch Übereinkunft neu festgelegt worden. Auch diese erneut festgelegte Grenze stimme mit dem in der Lageskizze des erstinstanzlichen Bescheides rot eingezeichneten Grenzverlauf von Stein XIII bis Stein XXX überein. Ein Indiz für das Eigentum der MP an der umstrittenen Teilfläche sei auch die Tatsache, daß das auf dieser Teilfläche stockende Holz zur Gänze von der MP bezogen und auf dieser Teilfläche das Holz an die Gemeindenutzungsberechtigten von F. ausgezeigt worden sei. Wenn auch die Mitglieder der beschwerdeführenden Partei diese Teilfläche in Form der Weidenutzung mitgenutzt haben, so reiche diese Mitbenützung des strittigen Teils für den Erwerb des Eigentums nicht aus. Auch die Zuschreibung der strittigen Teilfläche anläßlich der Grundbuchsanlegung zur Gemeinde M. ergebe keinen Eigentumstitel. Es sei daher nichts für das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der Gemeinde M. zu gewinnen. Wenn auch im Regulierungsplan für die Gemeinde M. vom 9. Jänner 1963 die (genannte) Gp. 1183/1 als im Eigentum der Beschwerdeführerin ausgewiesen sei, so sei damit noch nicht gesagt, daß der strittige Teil dieser Grundparzelle nicht im Eigentum der MP stehen könne. Auch sei der Regulierungsplan entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nie der MP zugestellt worden, sodaß dieser letzterer gegenüber auch nie in Rechtskraft erwachsen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 25. Februar 1992, B 35/92, ablehnte und sie in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Die Beschwerdeführerin erstattete im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Beschwerdeergänzung und beantragte die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragte, der Beschwerde keine Folge zu geben und ihr den entsprechenden Aufwandersatz zuzuerkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet grundsätzlich ein, daß weder § 51 TFLG 1978 noch § 63 oder § 73 leg. cit. die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zu begründen vermöge. Gemäß § 1 Jurisdiktionsnorm (JN) werde die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen von den ordentlichen Zivilgerichten ausgeübt. Insbesondere liege keine Streitigkeit über den Grenzverlauf von Grundstücken im Zuge eines Regulierungsverfahrens vor, weil die Grundparzelle 1183/1, von der ein Teilstück streitverfangen sei, an den öffentlichen Weg Gp. 1395, KG M., angrenze und die Gp. 1180/1 von der Gp. 1183/1 trenne.
Insoweit sich die Beschwerdeführerin auf § 1 JN beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß nach § 1 JN die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch die ordentlichen Gerichte ausgeübt wird. Eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen - wie dies die Beschwerdeführerin vermeint - läßt sich jedoch aus dieser Vorschrift nicht ableiten.
Es ist daher zunächst zu prüfen, auf welche Rechtsgrundlage das Tätigwerden der belangten Behörde im Beschwerdefall gestützt werden kann. Unbestritten ist, daß die strittige Teilfläche der Gp. 1183/1 derzeit nicht dem Gutsbestand der Liegenschaft der MP EZ 126, GB M., grundbuchsmäßig angehört, sodaß sie auch nicht vom Bescheid der AB vom 30. Oktober 1987, mit dem das Regulierungsverfahren für den unverteilten Gemeindewald der MP eingeleitet wurde, mitumfaßt ist.
Mit Recht hat die belangte Behörde schon in den Bestimmungen der §§ 51 und 63 TFLG 1978 eine taugliche Rechtsgrundlage für die agrarbehördliche Entscheidungskompetenz erkannt.
Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bei der Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte ist gemäß § 63 TFLG 1978 u.a. die Feststellung der Grenzen des Gebietes und der zugehörigen Grundstücke. Gemäß § 64 TFLG 1978 sind im Regulierungsverfahren u.a. auch die Bestimmungen der §§ 50 bis 56 leg. cit. sinngemäß anzuwenden.
Die mit "Durchforschung des Gebietes, Einbeziehung von Grundstücken" überschriebene Bestimmung des § 51 TFLG 1978 aber sieht nach Feststellung der dem Einleitungsbescheid entsprechenden Umfangsgrenzen des Gebietes ausdrücklich vor, daß die Agrarbehörde weiters festzustellen hat, ob die Agrargemeinschaft außer den im Einleitungsbescheid angeführten Grundstücken noch andere Liegenschaften oder bewegliches Vermögen besitzt, welches Eigentum in das Verfahren einzubeziehen ist.
Eine Entscheidung über das Eigentumsrecht an der vom Streit betroffenen Grundfläche zu treffen, kam den Agrarbehörden demnach schon auf der Grundlage der Bestimmungen der §§ 63, 64 und 51 TFLG 1978 zu. Die Agrarbehörden waren nach dieser Rechtslage zur Entscheidung des im Verfahren aufgetretenen Streits von Amts wegen verpflichtet, ohne daß es eines ausdrücklichen Antrages der MP bedurft hätte.
Mit dem Einwand, daß der sie betreffende Regulierungsplan vom 9. Jänner 1963 auch die strittige Teilfläche als ihre agrargemeinschaftliche Fläche mitumfaßt habe und in Rechtskraft erwachsen sei, übersieht die Beschwerdeführerin, daß im Verfahren nicht hervorgekommen ist, daß der sie betreffende Regulierungsplan vom 9. Jänner 1963 der MP zugestellt worden wäre, sodaß dieser Bescheid das von der Beschwerdeführerin gesehene Entscheidungshindernis entschiedener Sache der MP gegenüber schon aus diesem Grund nicht begründen konnte. Ob die im Regulierungsplan betreffend die Beschwerdeführerin getroffene Gebietsfeststellung im Sinne des § 65 Abs. 2 lit. b TFLG 1978 Identität der Sache im Verhältnis zur gebotenen Gebietsfeststellung im Regulierungsverfahren der MP begrifflich überhaupt je darstellen konnte, braucht im Beschwerdefall demnach nicht mehr untersucht zu werden.
Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, der angefochtene Bescheid hätte aufgrund der Rechtskraft der Regulierungsurkunde (aus dem Jahre 1963) nicht erlassen werden dürfen, die Beschwerdeführerin (gemeint wohl: ihre Rechtsvorgängerin) sei im Verfachbuch S. als Eigentümerin hinsichtlich der strittigen Teilfläche über 30 Jahre eingetragen gewesen und hätte sich überdies im Tabularbesitz gemäß § 1467 ABGB (i.d.F. vor der 3. Teilnovelle aus dem Jahre 1916) befunden. Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine Ersitzung oder Tabularersitzung an der strittigen Teilfläche durch die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin möglich gewesen wäre, würde doch der zumindest gegenüber der Beschwerdeführerin erlassene Regulierungsplan zunächst einen Titel für die Eigentumsübertragung auch an der strittigen Teilfläche hinsichtlich der Beschwerdeführerin darstellen. Da sich die belangte Behörde lediglich mit der Feststellung begnügte, dieser Regulierungsplan sei der MP nie zugestellt worden und somit dieser gegenüber auch nicht in Rechtskraft erwachsen, zeigt die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen einen wesentlichen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. An der belangten Behörde wäre es gelegen gewesen, umfassend und schlüssig nachvollziehbar zu begründen, weshalb die Beschwerdeführerin entgegen dem das Eigentumsrecht der Gemeinde M. als der bücherlichen Vorgängerin ausweisenden Grundbuchsstand an der strittigen Teilfläche kein Eigentum erworben haben soll. In diesem Zusammenhang wäre auch eine lückenlose Ermittlung des im Grundbuch (Verfachbuch o.ä.) eingetragenen Eigentums hinsichtlich der strittigen Teilfläche erforderlich gewesen, die den vorgelegten Verwaltungsakten, aber auch dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde stütze den Erwerb des Eigentums an der strittigen Teilfläche der MP auf Ersitzung, vom Verwaltungsgerichtshof eine derartige Begründung dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann.
Da der angefochtene Bescheid aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war, erübrigt sich auch ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen, das sich insbesondere mit der Rechtsverbindlichkeit der Vermessungsurkunde aus dem Jahre 1935 und den in den Jahren 1848 und 1849 in den jeweiligen Urkunden enthaltenen Vergleichen befaßt.
Der Zuspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die begehrte Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist und die Beschwerdeführerin als Körperschaft öffentlichen Rechts von der Entrichtung von Stempelgebühren gemäß § 2 Z. 3 Gebührengesetz 1957 befreit ist.
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Gebührenfreiheit der Beschwerde Ersatz bei GebührenfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992070080.X00Im RIS seit
11.07.2001