TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/15 95/21/0025

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Veröffentlicht am 15.12.1995
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §114 Abs1;
ASVG §114 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
StGB §125;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129;
StGB §83 Abs1;
StGB §83 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des O in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 22. Juli 1994, Zl. Fr-5489/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FrG unter Bedachtnahme auf §§ 19 und 20 FrG ein bis 18. Februar 2004 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß sie nach Prüfung und Würdigung des gesamten rechtsrelevanten Sachverhaltes der Ansicht sei, daß die Behörde erster Instanz das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen habe. Zu den Ausführungen in der Berufung werde festgestellt, daß sich der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1979 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte. Der Beschwerdeführer sei seither nur einige Male kurzfristig einer Beschäftigung nachgegangen. Ab dem Jahre 1982 sei er mehrfach wegen diverser strafrechtlicher Delikte angezeigt worden, diese Anzeigen hätten zu keiner Verurteilung geführt. Der Beschwerdeführer sei im Verwaltungsstrafverfahren mehrfach rechtskräftig bestraft worden und seien ihm auch von diversen Behörden fremdenpolizeiliche Maßnahmen angedroht worden.

Am 10. November 1989 habe er mit einer türkischen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen; dieser entstammten zwei Kinder im Alter von vier und zwei Jahren. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Familie im gemeinsamen Haushalt.

Im Oktober 1991 sei dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung zur Kenntnis gebracht worden, daß beabsichtigt sei, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer viermal rechtskräftig verurteilt worden und zwar vom Landesgericht Salzburg am 26. März 1986 wegen § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Abs. 1 und 2 und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten bedingt, vom Bezirksgericht Salzburg am 12. Dezember 1989 wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen (je S 100,--) und am 11. Juli 1990 wegen § 125 StGB zu 40 Tagessätzen (je S 150,--) sowie vom Strafbezirksgericht Wien am 14. August 1990 wegen § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen (je S 220,--). Weiters sei er bis zu diesem Zeitpunkt allein von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung zwölfmal wegen diverser Verwaltungsübertretungen in den Jahren 1990 und 1991 nach der StVO und dem KFG bestraft worden.

Trotz bereits mehrfach erfolgter Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen sei der Beschwerdeführer am 28. Juli 1993 neuerlich vom Landesgericht Salzburg wegen Vergehens nach § 114 Abs. 1 und 2 ASVG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt worden. Vom Bezirksgericht Salzburg sei der Beschwerdeführer am 9. September 1993 wegen § 83 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen (je S 50,--) rechtskräftig verurteilt worden.

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei verwirklicht und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde im Sinne des § 19 FrG in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Im Hinblick auf die Vielzahl der vom Beschwerdeführer gesetzten strafbaren Handlungen erscheine diese Maßnahme aber zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten.

Bei der gemäß § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Abwägung sei zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, daß er sich seit beinahe 15 Jahren im Bundesgebiet aufhalte und hier im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin und zwei minderjährigen Kindern lebe. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bedinge demnach erhebliche Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

Dem stehe gegenüber, daß der Beschwerdeführer sechsmal gerichtlich vorbestraft sei, darunter einmal wegen Verbrechens des schweren Diebstahls und Einbruchsdiebstahls und auch laufend in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nachteilig in Erscheinung trete. Bereits seit der Jugend des Beschwerdeführers zeichne sich ab, daß er zu Straftaten neige, arbeitsunwillig und nicht bereit sei, sich sozial zu integrieren. An dieser Einstellung habe auch die vielfache Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahme nichts geändert, sondern habe der Beschwerdeführer sein asoziales Verhalten trotzdem fortgesetzt. Es könne daher für ihn nur eine ungünstige Zukunftsprognose erstellt werden. Der Beschwerdeführer sei einer längeren Beschäftigung in der Zeit seines Aufenthaltes nie nachgegangen, er sei überwiegend beschäftigungslos gewesen und habe seinen Unterhalt offenkundig zum Großteil aus Zuwendungen seiner Familie oder durch illegale Tätigkeiten bestritten.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände wögen die öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltverbotes wesentlich schwerer als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer tritt der - zutreffenden - Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 19 leg. cit. dringend geboten sei, nicht entgegen.

Er hält aber das Ergebnis der im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat bei dieser Interessenabwägung auf die auch in der Beschwerde in den Vordergrund gestellten Umstände (langjähriger Aufenthalt, intensive familiäre Bindungen und familiäre Integration im Bundesgebiet) Bedacht genommen. Die Auffassung der belangten Behörde, daß die öffentlichen Interessen wesentlich schwerer wögen als die gegenläufigen aufgezeigten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof unter Zugrundelegung des gegenständlichen Sachverhaltes nicht zu teilen. Der Gerichtshof geht ebenso wie offenbar die Behörde erster Instanz davon aus, daß das Gewicht der öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorgelegenen gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen nicht an das Gewicht der massiven persönlichen und privaten Interessen des Beschwerdeführers heranreicht. Der offenbar gegenteiligen Auffassung der belangten Behörde ist entgegenzuhalten, daß die von ihr hervorgehobene Verurteilung wegen des schweren Einbruchsdiebstahles bereits etwa acht Jahre zurückliegt. Aufgrund des angefochtenen Bescheides kann auch nicht davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführer "laufend in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nachteilig in Erscheinung tritt", hat die belangte Behörde doch nicht aufgezeigt, daß der Beschwerdeführer auch seit der Androhung der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Oktober 1991 wiederum sich einer solchen Übertretung schuldig gemacht hätte.

Seit diesem Zeitpunkt wurde der Beschwerdeführer wegen § 114 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG und wegen § 83 Abs. 2 StGB rechtskräftig verurteilt. Zur erstgenannten Verurteilung ist festzuhalten, daß Verstöße gegen die Vorschriften über die Einbehaltung und Einzahlung der Beiträge zur Sozialversicherung eines Dienstnehmers durch den Dienstgeber (§ 114 ASVG) jedenfalls nicht bewirken, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers, dem eine solche Gesetzesverletzung zur Last liegt, die öffentliche Ruhe oder Sicherheit gefährden würde. Was aber die mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch einen derartigen Verstoß anlangt, so hat es die belangte Behörde verabsäumt, die konkrete Tat, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt wurde, festzustellen - was allein sie in die Lage versetzt hätte, in rechtlich einwandfreier Weise zu der Beurteilung zu gelangen, daß durch dieses Verhalten die öffentliche Ordnung in einer im Grunde des § 18 Abs. 1 und § 19 FrG relevanten Weise gefährdet würde. Der Sachverhalt ist demnach in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürfig geblieben.

Demgegenüber hat das Gewicht der öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durch die neuerliche Verurteilung wegen des Vergehens der Körperverletzung an Gewicht gewonnen. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer bereits einmal wegen einer solchen Tat verurteilt wurde und andererseits er diese Tat trotz Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gesetzt hat. Wenn allerdings berücksichtigt wird, daß die einschlägige Vorstrafe bereits etwa vier Jahre zurückliegt und der Beschwerdeführer diesmal wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 ABS. 2 StGB verurteilt wurde, so kann auch die dadurch bewirkte Erhöhung des Gewichtes der öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht so hoch eingeschätzt werden wie die massiven privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, und zwar im Rahmen des gestellten Begehrens; die Abweisung des Mehrbegehrens beruht einerseits darauf, daß im Pauschbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist und andererseits zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 420,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 60,--) zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210025.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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