Entscheidungsdatum
10.11.2022Index
L24009 Gemeindebedienstete WienNorm
DO Wr 1994 §15 Abs7Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag. Koderhold über die Säumnisbeschwerde des Herrn A. B., vertreten durch RECHTSANWÄLT_INNEN GmbH, betreffend des Antrags auf Neufestsetzung des historischen Vorrückungsstichtages, folgenden
BESCHLUSS
I. Gemäß § 31Paragraph 31, Abs. 1Absatz eins, VwGVG wird die Säumnisbeschwerde mangels Säumnis der belangten Behörde als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25aParagraph 25 a, VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG unzulässig.
Begründung
1. Zum verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen vorangegangenen Verfahren
1.1. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 04.12.2015 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2 (kurz: belangte Behörde) die Anrechnung seiner Vordienstzeiten sowie sich die daraus ergebende rückwirkende Nachzahlung des Gehalts.
1.2. Dieser Antrag langte bei der belangten Behörde am 09.12.2015 ein und wurde mittels Bescheid vom 15.12.2015 als unzulässig zurückgewiesen.
1.3. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer, nunmehr anwaltlich vertreten, Bescheidbeschwerde vom 20.01.2016 an das Verwaltungsgericht Wien.
1.4. Dieses Beschwerdeverfahren wurde vom Verwaltungsgericht Wien anfangs mit Beschluss vom 06.06.2016 ausgesetzt. Grund war ein zum damaligen Zeitpunkt anhängiges Revisionsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof (GZ: Ro 2016/12/0009). Diesem lag ebenfalls ein Antrag auf Neufestsetzung des historischen Vorrückungsstichtages zugrunde.
1.5. Nach erfolgter Aussetzung des Beschwerdeverfahrens, hob das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis in der Folge den Bescheid der belangten Behörde vom 15.12.2015 auf. Diese Entscheidung langte bei der belangten Behörde am 16.04.2019 ein.
2. Zum Beschwerdevorbringen
2.1. Der Beschwerdeführer brachte in der nunmehr vorliegenden Säumnisbeschwerde im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde nach Aufhebung des Bescheides vom 15.12.2015 im fortgesetzten Verfahren keinen neuerlichen Bescheid erlassen habe.
2.2. Die belangte Behörde sei gemäß § 73Paragraph 73, AVG verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen einen Bescheid zu erlassen. Insofern sei die belangte Behörde säumig. Seit der Antragstellung und der folgenden kassatorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien, seien mehr als sechs Monate vergangen. Deshalb verletze die belangte Behörde ihre Entscheidungspflicht und mache die vorliegende Säumnisbeschwerde zulässig.
2.3. Der Beschwerdeführer beantrage mit der Säumnisbeschwerde eine mündliche Verhandlung durchzuführen, sowie dass das Verwaltungsgericht Wien in der Sache selbst entscheiden solle.
2.4. Nach Einbringung der Säumnisbeschwerde wurde dem Beschwerdeführer mittels Schreiben der belangten Behörde vom 04.04.2022, Parteiengehör zum gegenständlichen Thema eingeräumt. Hierzu erstattete der Beschwerdeführer ergänzendes Vorbringen und führte im Wesentlichen, soweit für die Säumnisbeschwerde von Relevanz, insbesondere folgendes noch weiter aus:
Die Bestimmung des § 15aParagraph 15 a, Abs 7Absatz 7, letzter Satz DO 1994 erscheine aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich. Entgegen der Vorgaben des Art 11Artikel 11, Abs 2Absatz 2, B-VG darf eine solche Bestimmung in Abweichung von AVG nicht dazu führen, dass bestehende Rechtsschutzmechanismen – wie hier der Säumnisschutz – völlig ausgehebelt werden.
2.5. Weiters sei § 15aParagraph 15 a, Abs 7Absatz 7, letzter Satz DO 1994 nicht anwendbar, weil das ha amtswegig geführte Verfahren erst mit der Aufforderung zum Parteienverkehr vom 04.04.2022 eingeleitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt treffe die Dienstbehörde nicht mehr die Entscheidungsfrist des § 73Paragraph 73, Abs 1Absatz eins, AVG sondern des § 16Paragraph 16, Abs 1Absatz eins, VwGVG. Demnach komme der Behörde die Möglichkeit der Nachholung des Bescheides innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten zu. Werde der Bescheid innerhalb dieser Frist erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, sei das Verfahren einzustellen.
2.6. § 15aParagraph 15 a, Abs 7Absatz 7, letzter Satz DO 1994 beziehe sich ausschließlich auf die Entscheidungsfrist gemäß § 73Paragraph 73, Abs 1Absatz eins, AVG, nicht aber auf § 16Paragraph 16, Abs 1Absatz eins, VwGVG. In diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass ein Abweichen von § 16Paragraph 16, Abs 1Absatz eins, VwGVG gemäß Art 136Artikel 136, Abs 2Absatz 2, B-VG nur zulässig wäre, wenn das VwGVG dazu ermächtigen würde – dem sei nicht so – oder sofern diese Abweichung zur Regelung des Gegenstandes erforderlich und rechtsstaatlich zulässig wäre.
3. Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren
3.1. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 01.09.2022 den Akt dem Verwaltungsgericht Wien vor. Zusätzlich erstattete sie weiteres Vorbringen bzw nahm (unter anderem) zur Säumnisbeschwerde Stellung.
3.2. Zur Säumnisbeschwerde brachte die belangte Behörde ergänzend vor, dass keine Säumnis vorliege. Die Entscheidungsfrist des § 73Paragraph 73, Abs 1Absatz eins, AVG sei nach § 15aParagraph 15 a, Abs 7Absatz 7, DO 2004 unterbrochen. Diese Bestimmung betreffe insbesondere bei der belangten Behörde bereits anhängige Verfahren. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde sei das amtswegige Verfahren zur Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung des Beschwerdeführers anhängig gewesen, weshalb keine Säumnis vorliege.
3.3. Weiters brachte die belangte Behörde ergänzend vor, dass die Säumnisbeschwerde darüber hinaus nicht die dreimonatige Frist des § 16Paragraph 16, Abs 1Absatz eins, VwGVG in Gang gesetzt habe. Die Zuständigkeit der belangten Behörde liege weiterhin vor.
3.4. Da es für den gegenständlichen Fall relevant ist und der besseren Übersichtlichkeit dient, wird an dieser Stelle vom Verwaltungsgericht Wien abschließend festgehalten, dass die belangte Behörde in dieser Sache am 09.06.2022, Zl. …, einen Bescheid erließ, mit dem sich der Stichtag für das Besoldungsdienstalter mit Ablauf des 31.07.2015 auf den 01.04.1983 belaufe. Diese Erledigung wurde einmal am 10.06.2022 und einmal am 04.07.2022 zugestellt. Das Exemplar, welches am 10.06.2022 zugestellt wurde, enthielt keine Fertigung des zuständigen Organs. Die diesbezüglich dagegen gerichtete Beschwerde wurde bereits mittels Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20.10.2022 als unzulässig zurückgewiesen, weil dieser Erledigung keine Bescheidqualität zukam (GZ: VGW-171/V/101/12577/2022-2). Das Exemplar, welches am 04.07.2022 zugestellt wurde, ist aufgrund einer erstatteten Bescheidbeschwerde hg noch anhängig (GZ: VGW-171/101/10970/2022).
4. Feststellungen
4.1. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 04.12.2015 bei der belangten Behörde die Anrechnung seiner Vordienstzeiten sowie sich die daraus ergebende rückwirkende Nachzahlung des Gehalts. Dieser Antrag langte bei der belangten Behörde am 09.12.2015 ein und wurde mittels Bescheid vom 15.12.2015 von der belangten Behörde als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid kam dem Beschwerdeführer am 23.12.2015 zu.
4.2. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde vom 20.01.2016 an das Verwaltungsgericht Wien. Nach anfänglicher Aussetzung des Beschwerdeverfahrens, hob das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis in der Folge den Bescheid der belangten Behörde vom 15.12.2015 auf. Diese gerichtliche Entscheidung langte bei der belangten Behörde am 16.04.2019 ein.
4.3. In der Folge richtete der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde, datiert mit 08.03.2022 an die belangte Behörde, welche spätestens am 11.03.2022 dort einlangte. Sodann wurde dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde ein Schreiben vom 04.04.2022 zugesendet. Mittels diesem wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt sich zum Thema der Neuberechnung der Vordienstzeiten zu äußern.
4.4. Der Beschwerdeführer äußerte sich mit Schreiben vom 13.04.2022 diesbezüglich umfangreich (siehe Punkte 2.4. bis 2.6.). In weiterer Folge erließ die belangte Behörde einen Bescheid, datiert mit 09.06.2022, welcher (verfahrensrelevant) am 04.07.2022 dem Beschwerdeführer zugestellt wurde. In diesem Bescheid wurde (wörtlich) festgehalten, dass sich der Stichtag für das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers mit Ablauf des 31.07.2015 auf den 01.04.1983 beläuft.
5. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergab sich aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde. Auf Tatsachenebene war die zeitliche Abfolge, von Verfahrensabläufen, Zustellungen und Bescheiderlassungen udgl nie strittig. Es kamen auch keine gegenteiligen Ansichten bzw Zweifel daran hervor.
6. Rechtslage
Die verfahrensrelevanten Gesetzesbestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:
VwGVG:
Nachholung des BescheidesAVG:
3. Abschnitt: Entscheidungspflicht[…].
Wiener Dienstordnung 1994
Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EGUnter den im ersten Satz sonst genannten Voraussetzungen hat die amtswegige Neufestsetzung auch zu erfolgen, wenn die Überleitung gemäß § 49mParagraph 49 m, Abs. 1Absatz eins, Z 2Ziffer 2, der Besoldungsordnung 1994 deshalb unterblieben ist, weil der Beamte im Überleitungsmonat auf Grund einer Zeitvorrückung nicht mehr in die Dienstklasse III eingereiht war.
7. Rechtliche Beurteilung
7.1. Die 4. Dienstrechts-Novelle 2019, LGBl Nr. 63/2019Landesgesetzblatt Nr. 63 aus 2019, (kurz: 4. Dienstrechtsnovelle), trat hinsichtlich der Bestimmungen zur Wiener Dienstordnung 1994 mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft (Artikel VI, Punkt 1 LGBl Nr. 63/2019Landesgesetzblatt Nr. 63 aus 2019,). Kundgemacht wurde die 4. Dienstrechtsnovelle am 13.12.2019, womit das Datum des Inkrafttretens der 14.12.2019 ist.
7.2. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund des festgestellten Sachverhalts der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.12.2015 bei der belangten Behörde (noch immer) anhängig. Mit der Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 15.12.2015 durch das Verwaltungsgericht Wien wurde schließlich lediglich der dieser Bescheid aufgehoben, nicht jedoch die Sache erledigt. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.12.2015 stellt jedoch einen Antrag auf Sachentscheidung dar. Diese Entscheidung war aufgrund des festgestellten Sachverhalts mit Einbringung der Säumnisbeschwerde zum 08.03.2022 noch offen.
7.3. Auch wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass es sich ausschließlich um ein rein amtswegiges Verfahren handelt, ist festzuhalten, dass die Stellung eines Antrags auf Sachentscheidung in amtswegigen Verfahren nicht automatisch ausgeschlossen ist (vgl.vergleiche Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 917; sowie Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 627). Daraus folgt, dass mit der Zustellung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung an die belangte Behörde am 16.04.2019 und der daraus folgenden Rechtskraft, der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.12.2015 bei dieser noch anhängig war.
7.4. Allerdings ist bzw war die belangte Behörde gegenständlich nicht säumig. Wie bereits oben zitiert (Punkt 6), normiert § 15aParagraph 15 a, Abs 7Absatz 7, letzter Satz Wiener Dienstordnung 1994 (kurz: DO 1994), dass die Entscheidungsfrist gemäß § 73Paragraph 73, Abs 1Absatz eins, AVG betreffend die den anhängigen Verfahren zugrundeliegenden Anträge bis zur rechtskräftigen Entscheidung gemäß Abs 4Absatz 4, leg cit unterbrochen ist. Dem diesbezüglichen Vorbringen der belangten Behörde (Beschwerdevorlage Seite 14) ist somit beizupflichten.
7.5. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die der Beschwerdeführer hier aufwirft, teilt das Verwaltungsgericht nicht. § 73Paragraph 73, Abs 1Absatz eins, AVG normiert selbst, dass die Frist von sechs Monaten nur gilt, insofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen. Gegenständlich wird aber in den Verwaltungsvorschriften anderes bestimmt (§ 15aParagraph 15 a, Abs 7Absatz 7, letzter Satz DO 1994). Dass damit jeglicher Säumnisschutz ausgehebelt wird, sieht das Verwaltungsgericht Wien nicht.
7.6. Selbst wenn man (theoretisch) von einer Säumnis der belangten Behörde ausginge, würde nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers (Punkt 2.5.) die Säumnisbeschwerde kein anderes Ergebnis erzielen. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers, sei das amtswegig geführte Verfahren erst mit dem Parteiengehör vom 04.04.2022 begonnen worden. Dies hätte die dreimonatige Frist des § 16Paragraph 16, Abs 1Absatz eins, VwGVG ausgelöst, in welcher die belangte Behörde zu entscheiden hätte. Insofern eine Entscheidung innerhalb von drei Monaten erlassen worden wäre, wäre das Säumnisbeschwerdeverfahren einzustellen.
7.7. Nunmehr hat jedoch aufgrund des festgestellten Sachverhalts die belangte Behörde innerhalb dieser Frist eine Entscheidung erlassen (Bescheid vom 09.06.2022, zugestellt am 04.07.2022). Somit wäre auch in dieser theoretischen Variante für den Beschwerdeführer nichts gewonnen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Amtswegiges Verfahren; Säumnisbeschwerde; Entscheidungsfrist; SäumnisschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.171.101.12576.2022Zuletzt aktualisiert am
26.01.2023