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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Mai 1995, Zl. Senat-WN-94/004, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Am 7. Juli 1994 erließ die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt eine als Straferkenntnis bezeichnete Erledigung, auf deren erster Seite folgender Wortlaut aufschien:
"Sie haben
"siehe umseits"
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 15 Abs. 1 Zi. 2 FrG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über sie folgende
Strafe verhängt:
Geldstrafe von S 2.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, gemäß § 82 Abs. 1 Zi. 4 FrG.
Ferner haben sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG 1950 zu zahlen:
S 200,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.
s. 10 % der Strafe (je 1 Tag Freiheitsstrafe = S 200,--)
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher S 2.200,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG 1950)."
Auf der Rückseite dieser auf einem Formular angebrachten Erledigung finden sich vorgedruckte Hinweise auf die Zahlungsfrist sowie eine vorgedruckte Rechtsmittelbelehrung. Weiters wird auf der Rückseite dieser Erledigung ausgeführt, daß sich der Beschwerdeführer "seit 15. 12. 1993 unrechtmäßig, nämlich ohne im Besitze eines Sichtvermerkes, im Bundesgebiet" aufhalte. Er sei am 14. September 1993 in das Bundesgebiet eingereist; da er sich aufgrund des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, nur für die Dauer von drei Monaten ohne Sichtvermerk im Bundesgebiet Österreich aufhalten dürfe, werde die Übertretung als erwiesene Tatsache im Sinne des § 15 Abs. 1 Zi. 2 Fremdengesetz 1992 angenommen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (belangte Behörde) als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde der angefochtene Bescheid im wesentlichen damit, daß das von der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt erlassene "Straferkenntnis" keine als erwiesen angenommene Tat enthalte, "sodaß ihm ein für ein Straferkenntnis wesentlicher Bestandteil fehlt und (er) somit keinen Bescheid darstellt". Im "Straferkenntnis" der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt sei dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten worden, daß er sich als Fremder unbefugt im Bundesgebiet aufgehalten habe.
2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil es sich bei dem "Straferkenntnis" der Behörde erster Instanz um einen Bescheid handle, in welchem die Begründung zum Spruch erhoben worden sei. Es liege ein in vieler Beziehung unrichtiger und unvollständiger Spruch, nicht aber ein "Nichtbescheid" vor. Die belangte Behörde hätte den angefochtenen Bescheid erster Instanz beheben müssen.
Die Beschwerde ist mit ihrer Auffassung, daß es sich bei dem "Straferkenntnis" der Behörde erster Instanz um einen Bescheid handelt, im Recht, zumal die Erledigung der Behörde erster Instanz die für die Beurteilung als Bescheid notwendigen Merkmale aufweist. Daß im Spruch dieser ausdrücklich als "Straferkenntnis" bezeichneten, eigenhändig unterfertigten Erledigung der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt vom 7. Juli 1994, mit welcher gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 2.200,-- verhängt wurde, auf den Text der Begründung verwiesen wird, ändert daran ebenso nichts, wie der Umstand, daß das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz keine Ausführung betreffend den Tatort oder den Umstand enthält, daß es sich beim Beschwerdeführer um einen Fremden handelt. Dies sind nämlich allenfalls Mängel des Bescheides der Behörde erster Instanz, die in der Berufung geltend gemacht werden können, nicht aber derart gravierende Fehler, welche die Erledigung der Behörde erster Instanz als Nichtbescheid erscheinen lassen (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. Auflage 1991, RZ 440 und 923 ff.)
Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, sie vermöge nicht zu erkennen, worin der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid beschwert sein soll, so ist ihr zu erwidern, daß nur die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Entscheidung der belangten Behörde in der Sache selbst und somit zur Prüfung führt, ob das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Recht verletzt ist, daß ihm zu Unrecht eine Strafe von S 2.000,-- samt Kosten auferlegt worden sei.
Nach dem Gesagten leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr.416/1994.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Einhaltung der Formvorschriften Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210823.X00Im RIS seit
25.01.2001