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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des C in I, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 11. August 1994, Zl. III 251-1/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 11. August 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit - in Rechtskraft erwachsenem - Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. Mai 1994 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Banden- und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch, teils in der Begehungsform der Beitragstäterschaft, nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und Z. 2, 130 zweiter Fall und 15, 12 dritte Alternative StGB sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt worden sei. Mit weiterem rechtskräftigen Urteil des genannten Gerichtes vom 8. Juli 1994 sei er wegen des Vergehens des Diebstahles nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Wochen verurteilt worden. Die erstgenannte Verurteilung erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG, beide Verurteilungen erfüllten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall leg. cit. Die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei ein schwerer Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf die (aus den den rechtskräftigen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten ersichtliche) Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten gegen fremdes Vermögen sowie im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse daran, daß andere in ihrem Recht auf Vermögen nicht beeinträchtigt würden, zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ruhe und Ordnung bzw. zum Schutz der Rechte anderer bzw. zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dringend geboten.
Der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wiege schwer: Geburt des Beschwerdeführers in Österreich; Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich von Geburt an bis zur ersten Volksschulklasse; Wiederaufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem Jahr 1988; dementsprechend große Integration im Bundesgebiet; Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 22 Jahren, wobei dieser bereits österreichischer Staatsbürger sei; langjähriger Aufenthalt und dementsprechend große Integration der gesamten Familie - Eltern, Geschwister - des Beschwerdeführers im Bundesgebiet; intensive Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Familie, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebe; Berufstätigkeit des Beschwerdeführers als Hilfsarbeiter seit seiner letzten Haftentlassung im Jahre 1994; nach dem Schulabschluß in Österreich Berufstätigkeit eine zeitlang als Maler und Anstreicher.
Im Hinblick auf den seit dem Jahr 1991 (damals habe der Beschwerdeführer noch als Strafunmündiger mit zwei weiteren strafunmündigen türkischen Staatsbürgern einem anderen Kind mit Gewalt S 520,-- abgenommen; der Beschwerdeführer habe damals der Polizei gegenüber niederschriftlich zugegeben, mit diesem Kind gerauft zu haben und von der Unrechtmäßigkeit der Erlangung des Geldes gewußt zu haben) bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder zutage getretenen Hang des Beschwerdeführers zur Begehung von Vermögensstraftaten wögen die genannten persönlichen Interessen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes.
Der Hinderungsgrund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 20 Abs. 2 FrG liege nicht vor. Die Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne dieser Gesetzesstelle bestehe in der zweimaligen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Vermögensstraftaten. Der für die Beurteilung, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 gegeben seien, entscheidende Zeitpunkt sei der der Rechtskraft der vorletzten Verurteilung. Beim Beschwerdeführer lägen die Verleihungshindernisse des § 10 Abs. 1 Z. 1 und Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 vor; der ununterbrochene Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich dauere erst seit dem Jahre 1988.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; auf die Erstellung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde bleibt die Tatsache der besagten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen unbestritten und die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auch der Gerichtshof hegt dagegen keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer hält die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wider ihn im Grunde der §§ 19, 20 Abs. 1 und Abs. 2 FrG als unzulässig.
Wie die belangte Behörde ist auch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG dringend geboten ist; dies angesichts der Schwere, der Vielzahl und insbesondere der raschen Aufeinanderfolge der der erstgenannten gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden, in mehrfacher Weise qualifizierten Straftaten, die von einer krassen Mißachtung fremden Eigentums zeugen.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid in bezug auf § 20 Abs. 1 FrG auf sämtliche dem privaten (persönlichen, familiären) Interessenbereich angehörenden Umstände Bedacht genommen und sie als schwerwiegend gewertet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde sein Verhalten als Strafunmündiger sowie das der Anzeige im Jahre 1992 zugrundeliegende Verhalten nicht als tragendes Element für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes herangezogen. Dieses Verhalten fand lediglich Berücksichtigung für die Prognose über das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers, wofür das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung nicht entscheidend ist. Wenn die belangte Behörde trotz der massiven persönlichen Interessen des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gelangt ist, daß diese Interessen nicht schwerer wögen als das Absehen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, so kann dieses Abwägungsergebnis im Hinblick auf das die öffentliche Sicherheit in sehr hohem Grad gefährdende Verhalten des Beschwerdeführers, welches eine hartnäckige Mißachtung rechtlich geschützter Werte zum Ausdruck bringt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Obwohl der Beschwerdeführer sich am 4. Oktober 1993 in Verwahrungshaft befunden hat, hat er von der Begehung von Straftaten nicht abgelassen, sondern sein Verhalten mit großer Intensität fortgesetzt; dem Strafurteil vom 20. Mai 1994 liegen elf banden- und gewerbsmäßige Einbruchsdiebstähle, drei (nicht qualifizierte) Diebstähle und in zwei Fällen eine Sachbeschädigung zugrunde, davon vor dem 4. Oktober lediglich drei mehrfach qualifizierte Einbruchsdiebstähle durch Aufbrechen von Automaten. Den übrigen mehrfach qualifizierten Einbruchsdiebstählen lagen demgegenüber Einbrüche in Geschäftslokale zugrunde. Selbst die Verbüßung der viermonatigen unbedingten Freiheitsstrafe in der Zeit von Mitte Dezember 1993 bis 18. April 1994 hielt den Beschwerdeführer nicht ab, knapp zwei Monate nach Haftentlassung neuerlich eine auf der gleichen schädlichen Neigung liegende Straftat zu begehen. Dem Hinweis des Beschwerdeführers, daß er in seiner Familie vollkommen integriert sei, und als Jugendlicher die elterliche Anleitung und Geborgenheit der Familie dringend benötige, steht das aktenkundige Verhalten des Beschwerdeführers entgegen. Bereits das Landesgericht Innsbruck hat in seinem Urteil vom 20. Mai 1994 darauf hingewiesen, daß eine Beeinflussung des Beschwerdeführers durch die Eltern "kaum" mehr gegeben ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Juni 1994 betreffend eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen einen Schubhaftbescheid auf die mangelnde Kontrolle des Beschwerdeführers durch die Eltern und die Abgängigkeit des Beschwerdeführers von der elterlichen Wohnung hingewiesen. Dazu kommt, daß die für eine Integration wesentliche soziale Komponente aufgrund der Schwere und Vielzahl der Straftaten des Beschwerdeführers und seiner zeitweiligen Beschäftigungslosigkeit erheblich beeinträchtigt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1126, und vom 12. Juli 1995, Zl. 95/21/0639).
Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, es hätte nach § 20 Abs. 2 FrG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 und insbesonders § 17 StbG kein Aufenthaltsverbot über ihn verhängt werden dürfen. Die belangte Behörde hat zutreffend den für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG entscheidenden Zeitpunkt der "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" mit dem der Rechtskraft der vorletzten Verurteilung angenommen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 93/18/0493). Zu diesem Zeitpunkt war nicht nur die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1, sondern auch die des § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG nicht erfüllt.
Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210035.X00Im RIS seit
20.11.2000