TE Vfgh Erkenntnis 2022/11/28 V222/2022 (V222/2022-10)

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Veröffentlicht am 28.11.2022
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG

Leitsatz

Auswertung in Arbeit

Spruch

I. §3 und §4 Z3 mit der Einleitung "Taxistandplätze:" der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom 17.12.2019 über die Einrichtung einer Fußgängerzone und die Festsetzung von Taxistandplätzen waren gesetzwidrig.

II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E460/2021 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Landeck verhängte über den Beschwerdeführer gemäß §22 Tiroler Personenbeförderungs-Betriebsordnung 2000 eine Geldstrafe von € 200,– (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden), weil dieser als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Taxiersatzfahrzeuges am 23. Jänner 2020 um 22.14 Uhr im Gemeindegebiet von Ischgl auf dem Silvrettaplatz bei Hausnummer 1 aufgefahren sei, obwohl im Gemeindegebiet von Ischgl Taxistandplätze iSd §96 Abs4 StVO 1960 festgesetzt seien und nach §16 Abs1 Tiroler Personenbeförderungs-Betriebsordnung 2000 nur diese Plätze zum Auffahren mit Taxifahrzeugen benützt werden dürften.

1.2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 28. Dezember 2020 als unbegründet ab.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §3 und des §4 Z3 mit der Einleitung "Taxistandplätze:" der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom 17.12.2019 über die Einrichtung einer Fußgängerzone und die Festsetzung von Taxistandplätzen entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 19. September 2022 beschlossen, diese Verordnungsbestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte zunächst das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen nicht auf die nach §96 Abs4 StVO 1960 gebotene Weise zustande gekommen sein könnten:

"3.1. Gemäß §96 Abs4 StVO 1960 hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs von Amts wegen oder auf Antrag der gesetzlichen Interessenvertretung die Standplätze für Fahrzeuge des Taxi-Gewerbes festzusetzen. Dabei hat sie unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Abstellflächen und deren bester Ausnützung für diese Standplätze entweder nur das Parken oder für den ganzen Bereich des Standplatzes oder nur für einen Teil desselben auch das Halten zu verbieten. Die Standplätze sind durch die Vorschriftszeichen nach §52 Z13a bzw 13b StVO 1960 mit den entsprechenden Zusatztafeln zu kennzeichnen.

Sind in einer Gemeinde Standplätze iSd §96 Abs4 StVO 1960 festgesetzt worden, so dürfen Taxifahrzeuge nach §16 Abs1 Tiroler Personenbeförderungs-Betriebs-ordnung 2000 nur auf diese Standplätze auffahren. Im übrigen Gemeindegebiet ist das Auffahren, mithin das Bereithalten von Taxifahrzeugen (VwGH 10.12.1997, 96/03/0023), untersagt.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, dass §96 Abs4 StVO 1960 im Zusammenhang mit §16 Abs1 Tiroler Personenbeförderungs-Betriebsordnung 2000 so zu verstehen ist, dass der Verordnungsgeber bei der Festsetzung von Taxistandplätzen auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs Bedacht zu nehmen hat, dass er zugleich aber auch das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) zu berücksichtigen und zu gewährleisten hat, dass Anbieter von Beförderungsleistungen mit Taxifahrzeugen nach Möglichkeit in der Gemeinde eine ausreichende Anzahl an Auffahrmöglichkeiten vorfinden (vglvergleiche VfSlg 11.915/1988, 12.927/1991; vglvergleiche auch VfSlg 10.932/1986).

Der Verfassungsgerichtshof nimmt zudem vorläufig an, dass §96 Abs4 StVO 1960 den Verordnungsgeber – daher – auch verpflichtet, die durchschnittliche Anzahl der in der Gemeinde erbrachten Beförderungsleistungen sowie auch die übrigen straßenpolizeilich relevanten Umstände, die einen allfälligen Eingriff in das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (durch Festsetzung einer nicht ausreichenden Anzahl an Taxistandplätzen) rechtfertigen könnten, sorgfältig und detailliert festzustellen und auch aktenkundig zu machen (vglvergleiche VfSlg 11.918/1988; s. auch VfSlg 11.915/1988).

3.3. Aus den auf die Verordnung vom 17.12.2019 Bezug habenden Akten scheint nicht hervorzugehen, dass der Verordnungsgeber seiner Verpflichtung zur Feststellung der für die Festsetzung von – dem Wortlaut der Verordnung nach zudem ganzjährig geltenden – Taxistandplätzen maßgebenden Umstände iSd §96 Abs4 StVO 1960 in hinreichender Weise entsprochen hätte. Vor diesem Hintergrund hegt der Verfassungsgerichtshof vorläufig das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dieser Verordnung gesetzwidrig zustande gekommen sein könnten."

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte weiters das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen teilweise den gesetzlichen Anforderungen an die genaue Festlegung des örtlichen Geltungsbereiches der verordneten Halte- und Parkverbote, ausgenommen Taxifahrzeuge, nicht entsprechen könnten:

"4.2. […] Das Erfordernis der möglichst genauen Umschreibung des örtlichen Geltungsbereiches einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme gilt auch für eine Verordnung gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960, die der Festsetzung von Taxistandplätzen iSd §96 Abs4 StVO 1960 dient (vglvergleiche insoweit auch VfSlg 11.913/1988).

4.3. Nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes erscheint zweifelhaft, ob §3 Z1, 3 und 4 und §4 Z3 lita, c und d der Verordnung vom 17.12.2019 den örtlichen Geltungsbereich der damit erlassenen Halte- und Parkverbote, ausgenommen Taxifahrzeuge, hinreichend genau umschreiben:

§3 der Verordnung vom 17.12.2019 setzt Taxistandplätze iSd §96 Abs4 StVO 1960 fest, wobei ua 'vier Plätze vor dem Gemeindeamt' (Z1 leg. cit.), 'vier Plätze neben Gemeindestraße Gst. Nr 2459, gegenüber der Zufahrt zum M-Preis' (Z3 leg. cit.) und 'zwei Plätze vor dem Mehrzweckgebäude des Tourismusverbandes von 20.00 – 06.00 Uhr' (Z4 leg. cit.) angeordnet werden. §4 bestimmt, dass die in §3 genannten Verkehrsbeschränkungen jeweils durch ein (einzelnes) Vorschriftszeichen 'Halten und Parken verboten' mit der Zusatztafel 'ausgenommen […] Taxi' an einem (durch die Angabe von Koordinaten) näher bestimmten Standort kundzumachen seien. Die Anbringung der Zusatztafeln 'Anfang' und 'Ende' oder von Zusatztafeln mit Pfeilen, die den Verlauf der erfassten Straßenabschnitte anzeigen würden, (vglvergleiche §52 lita Z13a und 13b StVO 1960) ordnet §4 nicht an.

§3 Z1, 3 und 4 und §4 Z3 lita, c und d der Verordnung vom 17.12.2019 scheinen den örtlichen Geltungsbereich der Verkehrsbeschränkungen damit – auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse – nicht in der gebotenen Genauigkeit zum Ausdruck zu bringen, weil jeweils nur ein Punkt, nicht aber auch ein davon ausgehender Straßenabschnitt zweifelsfrei bestimmt werden dürfte, innerhalb dessen vier bzw zwei Taxistandplätze festgesetzt werden."

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hegte schließlich auch das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen nicht gesetzmäßig kundgemacht worden sein könnten:

"5.6. Vor dem Hintergrund der im Gerichtsakt einliegenden Lichtbilder, die die Beschilderung der Taxistandplätze zeigen, hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Verordnung vom 17.12.2019 nicht den gesetzlichen Anforderungen des §44 Abs1 und des §52 Z13b StVO 1960 entsprechend kundgemacht worden sein könnten: Die 'vier Plätze vor dem Gemeindeamt' (§3 Z1 iVmin Verbindung mit §4 Z3 lita der Verordnung vom 17.12.2019) scheinen gar nicht kundgemacht worden zu sein. Die 'vier Plätze vor dem Billa am Florianparkplatz' (§3 Z2 iVmin Verbindung mit §4 Z3 litb leg. cit.) dürften durch ein mittig an der Gebäudefront angebrachtes Verbotszeichen 'Halten und Parken verboten' (§52 Z13b StVO 1960) mit nach links und rechts weisenden weißen Pfeilen und Zusatztafel 'ausgenommen 4 Taxis' kundgemacht worden sein. Ein an derselben Hausmauer angebrachtes weiteres Verbotszeichen 'Halte- und Parkverbot' ohne Zusatztafel 'ausgenommen Taxi' dürfte jedoch damit in Widerspruch stehen und zu einer insgesamt nicht gesetzmäßigen Kundmachung führen. Unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse erscheint es auch fraglich, ob der Geltungsbereich der 'vier Plätze neben Gemeindestraße Gst. Nr 2459 [Gp. 2459/6], gegenüber der Zufahrt zum M-Preis' (§3 Z3 iVmin Verbindung mit §4 Z3 litc der Verordnung vom 17.12.2019) durch ein einziges Verbotszeichen 'Halten und Parken verboten' (§52 Z13b StVO 1960) mit nach links und rechts weisenden weißen Pfeilen und Zusatztafel 'ausgenommen 4 Taxis' unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird (§52 Z13a litc zweiter Satz StVO 1960). Die 'zwei Plätze vor dem Mehrzweckgebäude des Tourismusverbandes [Dorfstraße 43] von 20.00 – 06.00 Uhr' (§3 Z4 iVmin Verbindung mit §4 Z3 litd der Verordnung vom 17.12.2019) scheinen durch ein Verkehrszeichen kundgemacht worden zu sein, das auf Grund seiner unklaren Anbringung offenlassen dürfte, welche zwei Parkplätze die Taxistandplätze sind. Schließlich scheinen die 'zwei Plätze auf der Dorfstraße, gegenüber Haus Dorfstraße 99' (§3 Z5 iVmin Verbindung mit §4 Z3 lite leg. cit.) gar nicht kundgemacht worden zu sein."

4. Der Gemeinderat der Gemeinde Ischgl hat keine Äußerung erstattet. Die Gemeinde Ischgl hat die Akten betreffend das Zustandekommen der Verordnung vom 17.12.2019 vorgelegt.

5. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung jedoch abgesehen.

6. Die Tiroler Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

II. Rechtslage

1. Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom 17.12.2019 über die Einrichtung einer Fußgängerzone und die Festsetzung von Taxistandplätzen lautet (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom 17.12.2019 über die Einrichtung einer Fußgängerzone und die Festsetzung von Taxistandplätzen

Aufgrund des §94d Z8 und 19 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl Nr 159, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBI I Nr 37/2019, wird nach Anhörung der Wirtschaftskammer Tirol, Sparte Transport und Verkehr, verordnet:

§1

Fußgängerzone

Die Dorfstraße von Haus Nr 49 (Raiffeisenbank) bis zum Hotel Salnerhof, der Kirchenweg ab der Kreuzung Kirchenweg/Oberer Kirchenweg, der Bachweg, der Persuttweg, der Silvrettaplatz und der Fimbabahnweg werden nach §76a StVO 1960 vom 28. November 2019 bis zum 3. Mai 2020 dauernd dem Fußgängerverkehr vorbehalten.

§2

Ausnahmen, Einbahnregelung

Ausgenommen von den in einer Fußgängerzone geltenden gesetzlichen Verboten, insbesondere vom Verbot eines jeglichen Fahrzeugverkehrs und vom allgemeinen Halte- und Parkverbot, sind:

1.  Fahrten und Ladetätigkeiten zum Zweck der Zustellung von Frischwaren von 6:00 bis 9:00 Uhr, für sonstige Zustellungen von 07:00 bis 09:00 Uhr sowie von 11:00 bis 14:30 Uhr,

2.  Fahrten im Zug der An- und Abreise von Gästen auf dem jeweils kürzesten Weg zur oder von der Unterkunft

Inhaber eines Ausweises nach §29b Abs1 StVO 1960 oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in denen sie einen Inhaber eines solchen Ausweises befördern, dürfen die Fußgängerzone dauernd befahren.

§3

Taxistandplätze

Als Taxistandplätze im Sinn des §96 Abs4 StVO 1960 werden festgesetzt:

1.  vier Plätze vor dem Gemeindeamt

2.  vier Plätze vor dem Billa am Florianparkplatz

3.  vier Plätze neben Gemeindestraße Gst. Nr 2459, gegenüber der Zufahrt zum M-Preis

4.  zwei Plätze vor dem Mehrzweckgebäude des Tourismusverbandes von 20.00 – 06.00 Uhr

5.  zwei Plätze auf der Dorfstraße, gegenüber Haus Dorfstraße 99

§4

Kundmachung

Diese Verordnung ist nach §44 Abs1 StVO 1960 in Verbindung mit §76a wie folgt kundzumachen:

Fußgängerzone:

1.  Hinweiszeichen 'FUSSGÄNGERZONE' (§53 Z9a StVO 1960) mit Zusatztafel, auf der die Ausnahmen nach §2 aufgelistet sind,

a)  Richtung taleinwärts, Haus Dorfstraße 49, mit den Koordinaten -3.200,54/208.193,51

b)  Richtung talauswärts, Haus Dorfstraße 97, mit den Koordinaten -3.633,77/207.699,64

c)  Kirchenweg taleinwärts, Kreuzung Kirchenweg/Oberer Kirchenweg, mit den Koordinaten -3.167,54/208.044,36

d)  Einfahrt Bachweg mit den Koordinaten -3.307,68/208.203,14

e)  Einfahrt Persuttweg mit den Koordinaten -3.336,43/208.153,77

f)  Einfahrt Silvrettaplatz mit den Koordinaten -3.418,83/207.911,29

g)  Einfahrt Fimbabahnweg mit den Koordinaten -2.908,47/208.284,14

2.  Hinweiszeichen 'ENDE EINER FUSSGÄNGERZONE' (§53 Z9b StVO 1960), jeweils auf der Rückseite der Verkehrszeichen nach Z1

Taxistandplätze:

3.  Vorschriftszeichen 'HALTEN UND PARKEN VERBOTEN' (§53 Z13b StVO 1960)

a)  mit der Zusatztafel 'AUSGENOMMEN VIER TAXI', neben Sport Salner (Dorfstraße 24a) am Standort mit den Koordinaten -3.102,42/208[.]372,84

b)  mit der Zusatztafel 'AUSGENOMMEN VIER TAXI', entlang dem BILLA-Geschäft (Florianplatz 6) an den Standorten mit den Koordinaten -2.897,18/208.340,40 und -2.90470/208.319,21

c)  mit der Zusatztafel 'AUSGENOMMEN VIER TAXI', neben der Gemeinde-straße Gp. 2459/6 am Standort mit den Koordinaten -3.410,42/208.053,00

d)  mit den Zusatztafeln '20.00 – 06.00' und 'AUSGENOMMEN ZWEI TAXI', vor dem Mehrzweckgebäude Ischgl (Tourismusverband – Dorfstraße 43) am Standort mit den Koordinaten -3.186,42/208.212,34

e)  mit der Zusatztafel 'AUSGENOMMEN ZWEI TAXI', an der Dorfstraße gegenüber Nr 99 am Standort mit den Koordinaten -3.669,83/207.697,00

Die Koordinaten der Standorte (Hochwert X, Rechtswert Y) beziehen sich auf das Kartesische Koordinatensystem 'MGI Austria GK West'.

§5

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit der Anbringung der Verkehrszeichen nach §4 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom 22.10.2019 außer Kraft.

Der Bürgermeister:

[…]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Landeshauptmannes vom 26. Juni 2000, mit der nähere Bestimmungen über die Ausübung des Taxi-Gewerbes sowie des mit Personenkraftwagen ausgeübten Mietwagen-Gewerbes und Gästewagen-Gewerbes erlassen werden (Tiroler Personenbeförderungs-Betriebsordnung 2000), LGBl 48/2000Landesgesetzblatt 48 aus 2000,, idFin der Fassung LGBl 133/2016Landesgesetzblatt 133 aus 2016, lauten:

"§1

Geltungsbereich

Diese Verordnung gilt für die Ausübung des Taxi-Gewerbes sowie des mit Personenkraftwagen ausgeübten Mietwagen-Gewerbes und Gästewagen-Gewerbes.

[…]

§16

Auffahren auf Standplätze

(1) Sind in einer Gemeinde Standplätze nach §96 Abs4 der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl Nr 159, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 123/2015Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 123 aus 2015,, festgesetzt worden, so dürfen Taxifahrzeuge nur auf diese Standplätze auffahren, es sei denn, es wäre auf Grund einer besonderen straßenpolizeilichen Anordnung oder in den Abs2 und 3 etwas anderes bestimmt.

(2) Bei Großveranstaltungen, zu denen mehr als 1.500 Besucher oder Teilnehmer gleichzeitig erwartet werden, dürfen Taxifahrzeuge aus Konzessionsstandorten innerhalb der Standortgemeinde auch außerhalb von Standplätzen auffahren. Weiters dürfen bei Großveranstaltungen, zu denen mehr als 3.000 Besucher oder Teilnehmer gleichzeitig erwartet werden, auch Taxifahrzeuge aus Konzessionsstandorten von unmittelbar angrenzenden Gemeinden oder aus demselben Verwaltungsbezirk auffahren.

(3) – (4) […]

[…]

§18

Halten und Parken auf öffentlichen Verkehrsflächen

(1) Ein Taxifahrzeug darf auf öffentlichen Verkehrsflächen nach Maßgabe des §24 StVO 1960 halten oder parken, wenn

a) der Fahrpreisanzeiger eingeschaltet ist,

b) ein Taxifahrzeug ohne Fahrpreisanzeiger als 'besetzt' gekennzeichnet ist oder

c) es als 'außer Dienst' gekennzeichnet und nicht mit einem Fahrer besetzt ist.

(2) Eine 'außer Dienst'-Kennzeichnung, die offensichtlich die Umgehung der im Abs1 angeführten Bestimmung bezweckt, ist nicht zulässig.

[…]

§22

Strafbestimmungen

Übertretungen dieser Verordnung sind nach den Bestimmungen des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 zu bestrafen.

§23

Inkrafttreten, Notifizierung

(1) Diese Verordnung tritt mit 1. August 2000 in Kraft.

(2) – (3) […]"

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960Bundesgesetzblatt 159 aus 1960,, idFin der Fassung BGBl I 113/2019Bundesgesetzblatt Teil eins, 113 aus 2019, lauten:

"§52. Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,

b) Gebotszeichen oder

c) Vorrangzeichen.

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

1. – 12. […]

13a. 'PARKEN VERBOTEN'

[Zeichen]

Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel 'ANFANG' den Beginn und mit der Zusatztafel 'ENDE' das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.

Folgende unter dem Zeichen angebrachte Zusatztafeln zeigen an:

a) Eine Zusatztafel mit der Angabe bestimmter Stunden, dass das Verbot während der angegebenen Stunden gilt;

b) eine Zusatztafel mit der Angabe bestimmter Tage, dass das Verbot an den angegebenen Tagen gilt; beginnt das Verbot nicht um 00 Uhr oder endet es nicht um 24 Uhr, so ist auf der Zusatztafel überdies auch noch der Zeitpunkt des Beginnes oder des Endes des Verbotes anzugeben;

c) eine Zusatztafel mit Pfeilen den Verlauf des Straßenabschnittes, in dem das Verbot gilt; solche Pfeile können statt auf einer Zusatztafel auch im Zeichen selbst angebracht werden, sind dort aber in weißer Farbe auszuführen. Wenn der Geltungsbereich des Verbotes auf diese Weise unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden kann, so genügt ein Vorschriftszeichen.

Die Anbringung weiterer Angaben auf den unter lita bis c angeführten Zusatztafeln sowie die Anbringung von Zusatztafeln mit anderen Angaben ist unbeschadet des §51 Abs3 zulässig.

13b. 'HALTEN UND PARKEN VERBOTEN'

[Zeichen]

Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel 'ANFANG' den Beginn und mit der Zusatztafel 'ENDE' das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Halten und Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.

[…]

Hinsichtlich weiterer Zusatztafeln gelten die Bestimmungen der Z13a sinngemäß.

13c. – 14b. […]

b) – c) […]

[…]

§96. Besondere Rechte und Pflichten der Behörde.

(1) – (3) […]

(4) Die Behörde hat unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs von Amts wegen oder auf Antrag der gesetzlichen Interessenvertretung die Standplätze für Fahrzeuge des Platzfuhrwerks-Gewerbes (Taxi-Gewerbes) […] festzusetzen. Dabei hat sie unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Abstellflächen und deren beste Ausnützung für diese Standplätze entweder nur das Parken oder für den ganzen Bereich des Standplatzes oder nur für einen Teil desselben auch das Halten zu verbieten. Die Standplätze sind durch die Vorschriftszeichen nach §52 Z13a bzw 13b mit den entsprechenden Zusatztafeln, zum Beispiel mit der Aufschrift 'AUSGENOMMEN ... TAXI', zu kennzeichnen. […]

(5) – (7) […]"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen wurden ausweislich der vorgelegten Akten durch die Anbringung von Straßenverkehrszeichen am 18. Dezember 2019 kundgemacht, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sind.

1.2. Dem zu E460/2021 protokollierten Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof liegt ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zugrunde, in welchem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Taxiersatzfahrzeuges am 23. Jänner 2020 um 22.14 Uhr in Ischgl auf dem Silvrettaplatz bei Hausnummer 1 aufgefahren zu sein, obwohl für die Gemeinde Ischgl mit den in Prüfung gezogenen – präjudiziellen – Verordnungsbestimmungen Taxistandplätze iSd §96 Abs4 StVO 1960 festgesetzt worden seien und daher nach §16 Abs1 Tiroler Personenbeförderungs-Betriebsordnung 2000 nur diese Plätze zum Auffahren mit Taxifahrzeugen benützt werden dürften.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.2. Gemäß §96 Abs4 StVO 1960 hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs von Amts wegen oder auf Antrag der gesetzlichen Interessenvertretung die Standplätze für Fahrzeuge des Taxi-Gewerbes festzusetzen. Dabei hat sie unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Abstellflächen und deren bester Ausnützung für diese Standplätze entweder nur das Parken oder für den ganzen Bereich des Standplatzes oder nur für einen Teil desselben auch das Halten zu verbieten. Die Standplätze sind durch die Vorschriftszeichen nach §52 Z13a bzw 13b StVO 1960 mit den entsprechenden Zusatztafeln zu kennzeichnen.

Sind in einer Gemeinde Standplätze iSd §96 Abs4 StVO 1960 festgesetzt worden, so dürfen Taxifahrzeuge nach §16 Abs1 Tiroler Personenbeförderungs-Betriebsordnung 2000 nur auf diese Standplätze auffahren. Im übrigen Gemeindegebiet ist das Auffahren, mithin das Bereithalten von Taxifahrzeugen (VwGH 10.12.1997, 96/03/0023), untersagt.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass §96 Abs4 StVO 1960 im Zusammenhang mit §16 Abs1 Tiroler Personenbeförderungs-Betriebsordnung 2000 dahingehend zu verstehen ist, dass die verordnungserlassende Behörde bei der Festsetzung von Taxistandplätzen auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs Bedacht zu nehmen hat, dass sie aber auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nach Art6 StGG zu berücksichtigen und zu gewährleisten hat, dass Anbieter von Beförderungsleistungen mit Taxifahrzeugen nach Möglichkeit in der Gemeinde eine ausreichende Anzahl an Auffahrmöglichkeiten vorfinden (vglvergleiche VfSlg 11.915/1988, 12.927/1991; vglvergleiche auch VfSlg 10.932/1986).

§96 Abs4 StVO 1960 verpflichtet die verordnungserlassende Behörde folglich, neben dem Bedarf an Taxistandplätzen auch jene straßenpolizeilich relevanten Umstände, die einen Eingriff in das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (durch Festsetzung einer nicht ausreichenden Anzahl an Taxistandplätzen) rechtfertigen könnten, sorgfältig und detailliert festzustellen und auch aktenkundig zu machen (vglvergleiche VfSlg 11.918/1988; s. auch VfSlg 11.915/1988).

2.4. Aus den auf die Verordnung vom 17.12.2019 Bezug habenden Akten geht nicht hervor, dass die verordnungserlassende Behörde Ermittlungen dahingehend angestellt hätte, welchen Bedarf an Taxistandplätzen es in der Gemeinde Ischgl gab und inwieweit die Zahl der – dem Wortlaut der Verordnung nach ganzjährig – festgesetzten Taxistandplätze allenfalls aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs hinter diesem Bedarf zurückbleiben durfte.

Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der Verordnung vom 17.12.2019 sind daher nicht auf gesetzmäßige Weise zustande gekommen.

2.5. Da die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen durch die am 20. Dezember 2021 kundgemachte Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom 3.11.2021 über die Ausweisung von Taxistandplätzen aufgehoben wurden, hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, dass diese Bestimmungen gesetzwidrig waren (vglvergleiche zB VfSlg 12.160/1989).

IV. Ergebnis

1. §3 und §4 Z3 mit der Einleitung "Taxistandplätze:" der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Ischgl vom 17.12.2019 über die Einrichtung einer Fußgängerzone und die Festsetzung von Taxistandplätzen waren gesetzwidrig. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken.

2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG und §59 Abs2 iVmin Verbindung mit §61 VfGG sowie §2 Abs1 litj Tir Landes-VerlautbarungsG 2021.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V222.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2023
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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