Index
10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VGLeitsatz
Auswertung in ArbeitSpruch
I. §1 Z12 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 10. Dezember 2018, Z 1/StrZiffer eins /, S, t, r,-V-66-2/2017, mit welcher im Bereich von Landesstraßen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen erlassen werden, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 2023 in Kraft.
III. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Kärnten, der Verfassungsgerichtshof möge
"§1 Z12 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 10.12.2018, Zahl: 1/Str-V-66-2/2017, mit welcher im Bereich von Landesstraßen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen erlassen werden (Sammelverordnung zur B 83 Kärntner Straße Km 338,545 bis Km 352,029) als gesetzwidrig [aufheben]".
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 10. Dezember 2018, Z 1/StrZiffer eins /, S, t, r,-V-66-2/2017, mit welcher im Bereich von Landesstraßen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen erlassen werden, lautet auszugsweise wie folgt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen; die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"B 83 Kärntner Straße – (km 338,545 – km 352,029) –
Sammelverordnung
Verordnung
des Bürgermeisters der Stadt Villach, mit welcher im Bereich von Landesstraßen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen erlassen werden.
Gemäß §§43 Abs1 litb Z1 und 94b Abs1 litb der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl Nr 159/1960Bundesgesetzblatt Nr 159 aus 1960,, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 42/2018Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 42 aus 2018,, wird Folgendes verordnet:
§1
1. – 11. […]
12. ORTSTAFEL und ORTSENDE
Ortsgebiet Villach zwischen km 341,855 und km 347,539
Die Kundmachung hat gemäß §44 StVO 1960 durch Anbringung folgender Straßenverkehrszeichen zu erfolgen:
§53 Z17a. StVO 1960 'ORTSTAFEL' und
§53 Z17b. StVO 1960 'ORTSENDE'
13. – 15. […]
[…]
Der Bürgermeister:
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960Bundesgesetzblatt 159 aus 1960,, idFin der Fassung BGBl 113/2019Bundesgesetzblatt 113 aus 2019, lauten wie folgt:
"§2. Begriffsbestimmungen.
(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
1. – 14. […]
15. Ortsgebiet: das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen 'Ortstafel' (§53 Z17a) und 'Ortsende' (§53 Z17b);
16. Freilandstraße: eine Straße außerhalb von Ortsgebieten;
17. – 30. […]
(2) – (3) […]
[…]
§20. Fahrgeschwindigkeit.
(1) […]
(2) Sofern die Behörde nicht gemäß §43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.
(3) – (4) […]
[…]
§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c) – d) […]
(1a) […]
(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung
a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,
b) – c) […]
(2a) – (11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. […] Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a) – (3) […]
(4) Verordnungen, die sich durch ein Vorschriftszeichen ausdrücken lassen und für ein ganzes Ortsgebiet oder für Straßen mit bestimmten Merkmalen innerhalb eines Ortsgebietes gelten, werden mit den entsprechenden Vorschriftszeichen und der etwa erforderlichen Zusatztafel in unmittelbarer Verbindung mit dem Hinweiszeichen 'Ortstafel' gehörig kundgemacht. […] Solche Verordnungen sind im Ortsgebiet überdies ortsüblich zu verlautbaren.
(5) […]
[…]
§48. Anbringung der Straßenverkehrszeichen.
(1) Die Straßenverkehrszeichen (§§50, 52 und 53) sind als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrszeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden.
(1a) […]
(2) Die Straßenverkehrszeichen sind auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Die zusätzliche Anbringung an anderen Stellen ist zulässig. Auf Autobahnen sind Gefahrenzeichen und Vorschriftszeichen auf beiden Seiten oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, ausgenommen auf Streckenteilen, die in der jeweiligen Fahrtrichtung nur einen Fahrstreifen aufweisen, oder in Gegenverkehrsbereichen.
(3) […]
(4) Auf einer Anbringungsvorrichtung für Straßenverkehrszeichen (wie Standsäulen, Rahmen, Träger und dgl.) dürfen nicht mehr als zwei Straßenverkehrszeichen angebracht werden; dies gilt nicht
1. für eine Kundmachung nach §25 Abs2 oder §44 Abs4,
2. für die Anbringung der Hinweiszeichen 'Wegweiser' sowie
3. für die Anbringung von Straßenverkehrszeichen, deren Inhalt miteinander in Zusammenhang steht.
Die Anbringung sonstiger Beschriftungen, bildlicher Darstellungen, Tafeln oder dgl. auf derselben Anbringungsvorrichtung bewirkt – unbeschadet der §§31 Abs2 und 53 Abs1 Z17a – nicht die Unwirksamkeit der Kundmachung einer Verordnung (§44 Abs1).
(5) Der Abstand zwischen dem unteren Rand eines Straßenverkehrszeichens und der Fahrbahn darf bei seitlicher Anbringung nicht weniger als 0,60 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2,50 m, bei Anbringung oberhalb der Fahrbahn nicht weniger als 4,50 m und nur in Ausnahmefällen oder bei Verwendung beleuchteter Straßenverkehrszeichen mehr als 5,50 m betragen, sofern sich aus den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bei einzelnen Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt; der Abstand zwischen dem unteren Rand eines Straßenverkehrszeichens und einer für den Fußgängerverkehr bestimmten Fläche darf bei Anbringung auf einer solchen Fläche nur in Ausnahmefällen weniger als 2,20 m betragen. Bei seitlicher Anbringung darf der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet nicht weniger als 0,30 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2 m, auf Freilandstraßen nur in Ausnahmefällen weniger als 1 m und mehr als 2,50 m betragen. Eine nicht fest mit dem Untergrund verbundene Anbringungsvorrichtung darf auch auf der Fahrbahn angebracht werden, wenn die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des fließenden Verkehrs nicht gefährdet wird; in diesem Fall darf der seitliche Abstand zwischen dem dem Fahrbahnrand zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand nicht mehr als 0,30 m betragen. Sind auf einer Anbringungsvorrichtung mehr als ein Straßenverkehrszeichen angebracht, so gelten bei untereinander angebrachten Zeichen die Maßangaben bezüglich des Höhenabstandes für das untere Zeichen, bei nebeneinander angebrachten Zeichen die Maßangaben bezüglich des Seitenabstandes für das näher der Fahrbahn angebrachte Zeichen. Die weiteren Zeichen sind in einem solchen Fall entsprechend den Größenverhältnissen anzubringen.
(6) […]
[…]
§53. Die Hinweiszeichen
(1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen:
1a. – 16c. […]
17a. 'ORTSTAFEL'
[Zeichen]
Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist.
Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Die Anbringung einer grünen Tafel mit der weißen Aufschrift 'Erholungsdorf' – bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen – oder einer ähnlichen, die Gemeinde näher beschreibenden Tafel unterhalb der Ortstafel ist zulässig, wenn dadurch die leichte Erkennbarkeit der Ortstafel nicht beeinträchtigt und die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährdet wird; eine solche Tafel darf die Ortstafel seitlich nicht überragen.
17b. 'ORTSENDE'
[Zeichen]
Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens 'Ortstafel' anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden.
18. – 29. […]
(2) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Kärnten vom 26. August 2020 wurde über den Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe von € 80,– (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und 13 Stunden) verhängt, weil dieser am 21. März 2020 um 16.19 Uhr in 9523 Landskron als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges stadteinwärts auf der B 83 Triester Straße (außerhalb des Stadtgebietes bezeichnet als B 83 Kärntner Straße) bei Straßenkilometer 343,5 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (nach Abzug der Messtoleranz) um 22 km/h überschritten und damit gegen §20 Abs2 StVO 1960 verstoßen habe.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Kärnten den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "§1 Z12 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 10.12.2018, Zahl: 1/Str-V-66-2/2017, mit welcher im Bereich von Landesstraßen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen erlassen werden (Sammelverordnung zur B 83 Kärntner Straße Km 338,545 bis Km 352,029) als gesetzwidrig [aufheben]".
3. Das Landesverwaltungsgericht Kärnten legt seine Bedenken im Wesentlichen wie folgt dar:
3.1. Es sei nicht erkennbar, warum die Anbringung der Ortstafel bereits vor dem Beginn des verbauten Gebietes verordnet worden sei:
"Die Ortstafel 'Villach' auf der B 83 befindet sich auf dem jetzigen Standort laut den Ausführungen des Zeugen seit 2004. Grundlage für das Aufstellen der Orts-tafel in diesem Bereich ist offenbar lediglich ein E-Mail, das auf den Umbau der Aufschließungsverhältnisse für Landskron im Bereich ÖBau Mössler hinweist. Sonstige Unterlagen, Erhebungen oder Sachverständigenvorbringen, warum die Ortstafel genau in den damals festgelegten Bereich bei Km 341,870 aufgestellt werden sollte, existieren nicht. Insbesondere ist nicht erkennbar, wieso die Ortstafel bereits vor der Brücke stadteinwärts aufgestellt wurde, obwohl hier dem Anschein nach keine Verbauung vorliegt. Es lässt sich auch nicht erkennen, weshalb das Ortsgebiet bei der Einbindung der B 94 nicht unterbrochen wurde. Mit der Verordnung aus dem Jahr 2008 wurde das Ortsgebiet ab Km 341,855 auf der B 83 festgeschrieben mit der Begründung, dass hier lediglich eine Anpassung an den tatsächlichen Aufstellungsort stattgefunden hat. Auch dies ergibt sich lediglich aus der Zeugenaussage des Mitarbeiters der Stadt Villach; es fehlt jegliche Dokumentation und jegliche Basis bzw Grundlage für die Erlassung der Verordnung.
Zur Verordnung der Stadt Villach vom 10.12.2018, in welcher zuletzt das Ortsgebiet zwischen Km 341,855 und Km 347,539 festgesetzt wurde, wurde seitens des Landesverwaltungsgerichtes der bezughabende Akt angefordert; ein solcher wurde aber nicht vorgelegt und hat der Zeuge auch angegeben, dass es eine schriftliche Dokumentation zur gesamten Sammelverordnung der B 83 Kärntner Straße nicht gibt. Es gibt auch zu den älteren Sammelverordnungen zur B 83 keinen Akt, der die Entscheidungsgrundlage darlegen würde. Die Entscheidungsgrundlage zur Erlassung der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 10.12.2018, Zahl: 1/Str-V-66-2/2017, ist somit nicht erkennbar und kann daher auch nicht beurteilt werden, ob die Verordnung, den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht. Es erscheint daher in diesem Zusammenhang die gesamte Verordnung gesetzwidrig zu sein."
3.2. Die angefochtene Bestimmung sei unter Verstoß gegen §48 Abs5 StVO 1960 kundgemacht worden:
"Das Beweisverfahren hat klar ergeben, dass der Abstand zwischen der Fahrbahn und dem der Fahrbahn zunächst liegende[n] Rand des Hinweiszeichens 'Ortstafel' 3,13 m beträgt. Richtig ist, dass sich unmittelbar neben der Fahrbahn eine Leitplanke befindet und dahinter ein Gehweg. Klar auf den Lichtbildern erkennbar ist aber auch, dass sich das Hinweiszeichen 'Ortstafel' nicht unmittelbar anschließend am äußeren Rand des Gehweges befindet, sondern zwischen Gehweg und Beginn der Ortstafel noch ein nicht unbeachtlich breiter Grünstreifen vorhanden ist. […] Da insgesamt nicht erkennbar ist, dass Umstände vorliegen, die in ihrer Gesamtheit die Anbringung des Verkehrszeichens außerhalb der in §48 Abs5 StVO vorgeschriebenen Zone als zweckmäßig erscheinen [lassen], liegt aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten keine rechtmäßige Kundmachung des Ortsgebietes vor. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Ortstafel nicht unmittelbar an den Rand des Gehweges gestellt wurde."
4. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung(sstelle) vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:
"a) fehlende Entscheidungsgrundlage:
[…]
Die Anbringung der Ortstafel Villach gemäß §53 Zif. 17a StVO 1960 auf der B 83 – Kärntner Straße ('Triester Straße') in Fahrtrichtung Villach bei Km 341,855 erfolgte aus statischen Überlegungen sowie technischen Gründen der Montage nicht am Brückengeländer selbst, sondern bereits unmittelbar vor der Brücke und nimmt räumlich auf den (stadteinwärts) linksseitig nach der Brücke und etwas versetzt rechtsseitig vorhandenen Beginn des verbauten Gebietes Bezug […]. Die Verbauungsunterbrechung durch den weiter stadteinwärts gelegenen Straßenknoten B 83 – Kärntner Straße und B 94 – Ossiacher Straße ändert nach Auffassung der Antragsgegnerin nichts an der gegebenen Erkennbarkeit der örtlichen Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke der ineinander übergehenden Villacher Stadtteile Landskron, Neulandskron, Zehenthof und St. Leonhard.
Die Neufestlegung des Ortsgebietes bei der ostseitigen Stadteinfahrt an der B 83 – Kärntner Straße erfolgte mit Verordnung vom 12. Juli 2004, Zahl: 1/Str-V-251/1984, und wurde inhaltlich nach Kilometrierungskorrektur unverändert in die geltende Sammelverordnung vom 10. Dezember 2018, Zahl: 1/Str-V-66-2/2017, übernommen. Grundlage dieser Verordnungserlassung waren nach erfolgter Anregung zur Änderung des Ortsgebietes (Nr 18. im Aktenverzeichnis) die Vornahme eines Ortsaugenscheines am 16. November 2004 (kurz- bzw handschriftlicher Vermerk der damaligen Sachbearbeiterin der Straßenrechtsbehörde (Nr 19. im Aktenverzeichnis) und die folglich behördlich angestellte rechtliche Erwägung zum Vorliegen eines vorhandenen Beginns des verbauten Gebietes […].
b) Missachtung der Bestimmung des §48 Abs5 StVO:
[…] Ein Kraftfahrzeuglenker, dem die Bestimmung des [§48] Abs2 [StVO 1960] bekannt sein muss, muss demnach nach solchen Verkehrszeichen nicht auf der Fahrbahn, sondern auf der rechten Straßenseite Ausschau halten. Umstände, die die leichte und rechtzeitige Erkennbarkeit des Hinweiszeichens gemäß §53 Abs1 Zif. 17a [StVO 1960] 'Ortstafel' (hier: Villach) auf der B 83 bei Km 341,855 für den Verkehrsteilnehmer beeinträchtigen können, liegen nicht vor.
[…]
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt für einen Ausnahmefall [iSd §48 Abs5 zweiter Satz StVO 1960] das Vorliegen von Umständen, die in ihrer Gesamtheit die Anbringung des Verkehrszeichens außerhalb der Zone zweckmäßig erscheinen lassen, wobei primär das Kriterium der Zweckmäßigkeit im Hinblick auf Absatz 1 die leichte und rechtzeitige Erkennbarkeit der Verkehrszeichen ist (VwGH 18.5.2001, 97/02/0298). Eine solche Zweckmäßigkeit ist entgegen der Auffassung [des antragstellenden] Landesverwaltungsgericht[es] Kärnten jedenfalls gegeben. Das Heranrücken der Ortstafel auf nicht mehr als 2,50m zur Fahrbahn würde zu einer Aufstellung des Verkehrszeichens im Nahbereich des Gehsteigrandes und damit zu einer potentiellen Gefährdung der Fußgänger als weitere die Straße (den Gehsteig) nutzende Verkehrsteilnehmer führen und andererseits eine deutlich schlechtere Wahrnehmbarkeit des Verkehrszeichens für den stadteinwärts führenden Fahrzeugverkehr wegen dessen teilweiser Abdeckung bei Annäherung an die Ortstafel durch die auf rund 0,80m hochgezogene Leitschiene bedeuten. […] Eine Anbringungsvorrichtung für eine Ortstafel auf [der Leitschiene] würde deren Leitfunktion mindern und damit das Risiko in sich bergen[,] deren Wirkungsweise negativ zu beeinflussen."
5. Die Kärntner Landesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B-VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt. Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vglvergleiche insoweit VfSlg 20.251/2018).
Die angefochtene Verordnungsstelle wurde ausweislich der vorgelegten Akten am 17. Dezember 2018 durch die Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vglvergleiche etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vglvergleiche VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis VfSlg 5077/1965 ausgesprochen hat, ist jener behördliche Akt, mit dem die Anbringung der Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" iSd §53 Abs1 Z17a und Z17b StVO 1960 verfügt wird, als Verordnung iSd Art139 Abs1 B-VG anzusehen (vglvergleiche auch VfSlg 5376/1966, 16.328/2001).
2.4. Das Hinweiszeichen "Ortstafel" gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen (§53 Abs1 Z17a StVO 1960; vglvergleiche dazu VfSlg 16.094/2001 mwN).
2.5. Den auf die angefochtene Verordnung(sstelle) Bezug habenden Akten ist nicht zu entnehmen, dass die verordnungserlassende Behörde vor Anordnung der Anbringung des Hinweiszeichens "Ortstafel" iSd §53 Abs1 Z17a StVO 1960 auf der B 83 Kärntner Straße bei Straßenkilometer 341,855 den Beginn des verbauten Gebietes hinreichend ermittelt und dokumentiert hätte. Die in der Äußerung der verordnungserlassenden Behörde verwiesenen, auf eine ältere Verordnung Bezug habenden Aktenbestandteile aus dem Jahr 2004 erweisen sich insoweit als nicht tragfähig. Die angefochtene Verordnungsstelle ist daher gesetzwidrig. Die nachträglich in der Äußerung der verordnungserlassenden Behörde angestellten Erwägungen zum Beginn des verbauten Gebietes (s oben Punkt III.4.) vermögen die Gesetzwidrigkeit nicht zu beseitigen (vglvergleiche insoweit etwa VfSlg 18.401/2008; VfGH 18.9.2014, V38/2014).
V. Ergebnis
1. §1 Z12 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 10. Dezember 2018, Z 1/StrZiffer eins /, S, t, r,-V-66-2/2017, mit welcher im Bereich von Landesstraßen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen erlassen werden, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere im Antrag dargelegten Bedenken.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.
3. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVmin Verbindung mit §2 Abs1 Z8 Kärntner Kundmachungsgesetz.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V70.2021Zuletzt aktualisiert am
26.01.2023