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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der B in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 19. Mai 1994, Zl. III 240/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (belangte Behörde) vom 19. Mai 1994, mit welchem gegen die Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin, die sich seit dem 15. Dezember 1991 in Österreich aufhalte, am 23. Dezember 1991 beim Arbeitsamt Kitzbühel eine Beschäftigungsbewilligung beantragt habe, wobei mit dem Antrag "ein gefälschter "jugoslawischer" Qualifikationsnachweis ("Diplom") samt beglaubigter Übersetzung vorgelegt" worden sei, wonach die Beschwerdeführerin eine Facharbeiterin (Kellnerin) sei. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin vom Arbeitsamt Kitzbühel die beantragte Beschäftigungsbewilligung erhalten; im Hinblick auf diese Beschäftigungsbewilligung sei ihr auch von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel am 17. Jänner 1992 ein Sichtvermerk erteilt worden. Sie habe in der Folge weitere Beschäftigungsbewilligungen sowie weitere Sichtvermerke erhalten. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. April 1993 sei die Beschwerdeführerin wegen Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB mit einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagesätzen zu je S 150,--, im Nichteinbringungsfall mit 75 Tagen Freiheitsstrafe, Probezeit drei Jahre, verurteilt worden.
Die Beschwerdeführerin sei ledig, ihre Angehörigen, die von ihr versorgt würden, hielten sich im ehemaligen Jugoslawien auf.
Durch die Vorlage eines gefälschten "Diploms" als Facharbeiterin (Kellnerin) habe die Beschwerdeführerin zwar keine unrichtigen Angaben gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gemacht, sie habe jedoch ein nicht weniger verwerfliches Verhalten gesetzt, welches die Annahme des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG rechtfertige, daß der (weitere) Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährde.
Die Beschwerdeführerin halte sich erst für relativ kurze Zeit im Bundesgebiet auf, sie sei ledig, habe sohin keine eigene Familie und ihre Verwandtschaft halte sich nicht in Österreich auf. Die §§ 19 und 20 seien nicht anzuwenden. Daran vermöge auch nichts zu ändern, daß sich die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben die deutsche Sprache im eigenen Studium sehr gut beigebracht habe, daß sie eine gute Arbeitskraft sei und vom Arbeitgeber in die Familie aufgenommen worden sei sowie daß sie zwischenzeitlich einen österreichischen Führerschein habe und schließlich auch bei einer österreichischen Bank Verbindlichkeiten eingegangen sei.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umstände. Bis zum Wegfall des Grundes für seine Erlassung, nämlich der Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin für die öffentliche Ordnung, sei das Verstreichen von zehn Jahren vonnöten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Geltendmachung der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3. Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vor, sie habe zu Unrecht das der gegen sie ergangenen gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten als bestimmte Tatsache gewertet, welches die Annahme gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG rechtfertigt, daß ihr Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Beschwerdeführerin sei nämlich nur zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagesätzen verurteilt worden. Wenn auch die Aufzählung im § 18 Abs. 2 FrG nur demonstrativen Charakter habe, so werde durch diese Bestimmung doch zum Ausdruck gebracht, daß Verurteilungen in einem weitaus geringerem Ausmaß als die dort genannten nicht als Tatsache anzusehen seien, die die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Hinsichtlich ihres einmaligen Vergehens sei dem öffentlichen Interesse an der Verfolgung von Straftaten bereits durch die Verurteilung Genüge getan. Die Beschwerdeführerin sei tatsächlich eine Facharbeiterin; sie hätte auch ohne das von ihr vorgelegte "Diplom" eine Beschäftigungsbewilligung erlangt. Im übrigen sei es eine allgemein bekannte Tatsache, daß es im Staatsgebiet des ehemaligen Jugoslawien zu greuelhaften und menschenunwürdigen Ausschreitungen, zu zahlreichen Ermordungen und Vergewaltigungen von Frauen gekommen sei. Schließlich sei auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits ein Zeitraum von zweieinhalb Jahren seit ihrem Fehlverhalten vergangen; zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde läge daher jedenfalls eine Gefährdung im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht vor.
Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, daß ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit.) gestützt werden kann, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 1995, 95/21/0149 mwN). Das festgestellte Verhalten der Beschwerdeführerin, die dem Arbeitsamt eine gefälschte Urkunde über ihre beruflichen Fähigkeiten vorlegte, um die Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung zu erlangen, und die sich auf der Grundlage der solcherart erschlichenen Bewilligung eine Aufenthaltsberechtigung verschaffte, ist nicht weniger verwerflich als ein dem § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG subsumierbares Verhalten. Unter Zugrundelegung dieses Gesamtfehlverhaltens der Beschwerdeführerin ist die Annahme der belangten Behörde, daß ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für den Aufenthalt und die Beschäftigung von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften (dem "Fremdenwesen" und der Ausländerbeschäftigung) gefährde, nicht rechtswidrig. (vgl. auch dazu das genannte Erkenntnis vom 27. September 1995). Auch daß zwischen dem der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Fehlverhalten und der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von bereits zweieinhalb Jahren verstrichen war, macht den angefochtenen Bescheid in dieser Hinsicht nicht rechtswidrig.
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat herrschende Umstände aufzeigt, die gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprächen, ist sie darauf hinzuweisen, daß derartige Umstände nicht bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes gemäß den §§ 18 bis 21 FrG, sondern bei der Beurteilung gemäß §§ 36 Abs. 2, 37 und 54 FrG von Bedeutung sind.
4. Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil sie sich seit zweieinhalb Jahren in Österreich aufhalte, hier einer geregelten Arbeit nachgehe, in die Familie des Arbeitgebers integriert sei und einen großen Freundeskreis habe sowie von Österreich aus ihre Familie unterstütze; die belangte Behörde sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß das gegen sie erlassene Aufenthaltsverbot keinen Eingriff in ihr Privatleben darstelle, zumal sie im Falle des Aufrechtbleibens des Aufenthaltsverbotes Österreich verlassen müsse, ihre Arbeitsstelle und ihren Freundeskreis verliere und in ein Land zurückkehren müsse, in welchem Krieg mit unvorstellbaren Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung sowie schreckliche Not herrsche. Die belangte Behörde habe auch § 20 Abs. 1 FrG zu Unrecht nicht angewendet, zumal es bei dieser Bestimmung nur darauf ankomme, ob Auswirkungen auf die Lebenssituation des betroffenen Fremden gegeben seien.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Angesichts des zweieinhalbjährigen, laut Akteninhalt überwiegend rechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und ihrer Beschäftigung während dieser Zeit durfte die belangte Behörde nämlich das Vorliegen von privaten Beziehungen nicht verneinen und von einer Anwendung der §§ 19 und 20 FrG nicht absehen. Daran ändert auch nichts, daß es bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG bloß um die Frage geht, ob der durch die Beendigung des Aufenthaltes im Bundesgebiet bewirkte Eingriff in hier bestehende private und familiäre Beziehungen gerechtfertigt ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0980).
5. Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zur Feststellung veranlaßt, daß angesichts des doch relativ geringen Gewichts des der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Fehlverhaltens im Jahre 1991 und ihres seitherigen Wohlverhaltens die Begründung der belangten Behörde, daß bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin für die öffentliche Ordnung, das Verstreichen von zehn Jahren (der gesetzlichen Höchstdauer gemäß § 21 Abs. 1 FrG) von Nöten sei, nicht geteilt werden kann. Dies wird dann von Bedeutung sein, wenn die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren nach Vornahme der gemäß den §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist.
6. Der angefochtene Bescheid war daher aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß die Umsatzsteuer in den in der genannten Verordnung festgelegten Pauschalbeträgen enthalten ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995210377.X00Im RIS seit
28.01.2002