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L65006 Jagd Wild SteiermarkNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. A H in I, vertreten durch die Hämmerle & Hämmerle Rechtsanwälte GmbH in 8786 Rottenmann, Hauptplatz 111, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. Juni 2021, Zl. LVwG 30.28-1359/2021-7, betreffend Übertretungen des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Bestätigung von Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 18. März 2021 richtet, als unbegründet abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
I. Verfahrensgang und angefochtene Entscheidung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. März 2021 wurde dem Revisionswerber jeweils als Jagdberechtigtem in einem näher bezeichneten Jagdrevier zur Last gelegt, am 21. November 2019 an jeweils näher bezeichneten Orten (1.) nicht für die Einhaltung von § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, Steiermärkisches Jagdgesetz 1986 (im Folgenden: JG) gesorgt zu haben, weil außerhalb von genehmigten Rehwildfütterungsanlagen eine unerlaubte Vorlage von näher genannten Futtermitteln durchgeführt wurde, und (2.) nicht für die Einhaltung von § 50Paragraph 50, Abs. 7Absatz 7, JG gesorgt zu haben, weil eine näher bezeichnete Rehwildfütterung (ein mit Kraftfutter gefüllter Futterautomat) nicht rotwildsicher eingezäunt war; der Futterautomat hat sich an der Zauninnenseite befunden, sodass Rotwild das Futter aufnehmen konnte, ohne die eingezäunte Fläche zu betreten, obwohl innerhalb der Einzäunung die Futtermittelvorlage so zu erfolgen hat, dass Rotwild nicht zu den Futtermitteln gelangen kann. Der Revisionswerber wurde für jede dieser Übertretungen gemäß § 77Paragraph 77, JG zu einer Geldstrafe von je € 300 und Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen verurteilt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und verpflichtete ihn zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Dazu stellte es als Sachverhalt fest, dass am 21. November 2019 am Tatort außerhalb von genehmigten Fütterungsanlagen Obsttrester, Körnermais und Luzerneheu aufgefunden worden seien. Auf entsprechenden Fotos sei eine nicht mehr geschlossene Schneedecke ersichtlich, wo die beanstandeten Futtermittel erkennbar seien. Weiters bestehe auf dem gleichen Grundstück (an anderer Stelle) auch eine genehmigte Rehwildfütterung, wobei ein Futterautomat in der Nähe der Einzäunung angebracht gewesen sei, sodass Rotwild, ohne die eingezäunte Fläche zu betreten, Futter aufnehmen habe können. Die Zaunlatten der Umzäunung befänden sich in einem Abstand, der es lediglich nichtgeweihtragendem Rotwild ermögliche, jedenfalls das aus dem Futterautomaten herausgefallene, wohl durch das Rehwild herausbeförderte Futtermittel am Boden aufzunehmen.
4 In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht zur verbotenen Futtervorlage, dass die Beschwerde des Revisionswerbers keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzeige. Der Revisionswerber habe zwar angegeben, dass die betreffenden Futtermittel zum Einfangen verwilderter Rinder verwendet worden seien, jedoch seien diese zum Zeitpunkt des Auffindens der Futtermittel bereits eingefangen gewesen. Selbst wenn man das Anlocken verwilderter Rinder zum Einfangen als zulässige Verwendung von Futtermitteln nach § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, (zweiter Satz) JG ansehen wollte, sei diese Aktion zum Tatzeitpunkt 21. November 2019 schon lange abgeschlossen gewesen, weil die Rinder bereits Ende Oktober gefangen worden seien. Der Revisionswerber sei daher verpflichtet gewesen, spätestens nach dem Einfangen der Rinder die Futtermittel zu entfernen, damit sie nicht dem Schalenwild zugänglich bleiben. Die Wendung „zugänglich gemacht werden“ in § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, (erster Satz) JG enthalte nämlich ein Handlungselement, wonach, wenn solche Futtermittel dem Schalenwild allenfalls rechtskonform zugänglich gewesen seien, verbleibende Futtermittelreste vom Verursacher und vom Jagdberechtigten (hier dem Revisionswerber) nicht belassen werden dürften, um den Zweck der Regelung - nicht rechtmäßige, unnatürliche Wildkonzentrationen zu vermeiden - nicht entgegenzuwirken.
Zum beanstandeten Futterautomaten erwog das Verwaltungsgericht, mit dessen Anbringen an der Einzäunung der Rehwildfütterung, sodass Rotwild zu den Futtermitteln gelangen könne - und sei es nur an aus dem Automaten gefallenes Futtermittel -, habe der Revisionswerber gegen § 50Paragraph 50, Abs. 7Absatz 7, dritter Satz JG verstoßen.
Der Revisionswerber habe daher zumindest fahrlässig die Übertretung des § 50Paragraph 50, Abs. 1Absatz eins, erster Satz und Abs. 7Absatz 7, dritter Satz JG zu verantworten.
5 Das Verwaltungsgericht begründete weiters die Strafbemessung und - im Wesentlichen unter bloßer Wiedergabe des Wortlautes des Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG - die Unzulässigkeit der (ordentlichen) Revision.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einerseits zur Frage, ob eine Verpflichtung bestehe, zunächst zulässigerweise verwendetes, allenfalls noch geringfügig verbleibendes Futtermittel zu entfernen, und andererseits zur Frage, was „rotwildsicher“ sei, zumal üblicherweise für die Umzäunung einer Rehwildfütterung ein (auch hier vorliegender) Lattenabstand von 18 bis 20 cm als ausreichend für die Herstellung der Rotwildsicherheit angesehen werde. Weiters sei eine fahrlässige Übertretung des § 50Paragraph 50, Abs. 1Absatz eins, erster Satz und Abs. 7Absatz 7, dritter Satz JG nicht möglich, auch dazu fehle es an (einheitlicher) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
7 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Allgemeines
8 Nach Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34Paragraph 34, Abs. 1aAbsatz eins a, VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25aParagraph 25 a, Abs. 1Absatz eins, VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28Paragraph 28, Abs. 3Absatz 3, VwGG) zu überprüfen.
9 Das vom Revisionswerber angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin zwei voneinander unabhängige Spruchpunkte. Auch das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der zwei angelasteten Verwaltungsübertretungen mit der Abweisung der Beschwerde und damit der Bestätigung des Straferkenntnisses getrennte Absprüche getroffen. Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl.vergleiche zu alldem VwGH 14.2.2022, Ra 2022/02/0006, mwN).
2. Zur unerlaubten Futtervorlage nach § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, JG (Spruchpunkt 1.)
10 Die Revision ist zur vorgeworfenen Futtervorlage zulässig, weil es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz iVmin Verbindung mit § 77Paragraph 77, JG auch das Nichtentfernen von ursprünglich zulässigerweise ausgelegten Futtermitteln unter Strafe stellt.
11 Die einschlägigen Bestimmungen des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1986, LGBl. Nr. 23/1986Landesgesetzblatt Nr. 23 aus 1986, idFin der Fassung LGBl. Nr. 9/2015Landesgesetzblatt Nr. 9 aus 2015,, lauten:
„§ 50 Wildfütterungen
(1) Die/Der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wildstand und natürlichem Nahrungsangebot zu sorgen. Im Bereiche von Fütterungen ist wildgerecht zu füttern.
...
(5) Außerhalb genehmigter Fütterungen, außerhalb der genehmigten Fütterungszeiten und außerhalb von Rehwildfütterungen und Schwarzwildkirrungen dürfen Futtermittel und eingebrachte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die geeignet sind, Schalenwild anzulocken, von niemandem diesem zugänglich gemacht werden. Die übliche fachgerechte Lagerung und Verwendung von Futtermitteln und von eingebrachten landwirtschaftlichen Erzeugnissen sind davon ausgenommen. Die Bezirksverwaltungsbehörde kann, wenn erforderlich, die Vorlage bestimmter Futtermittel, die besonders geeignet sind, Schalenwild anzulocken, mittels Bescheid für einzelne oder mehrere Jagdgebiete oder Jagdgebietsteile oder mit Verordnung für alle Jagdgebiete verbieten. Das Füttern von Gams-, Stein-, Schwarz-, Muffel- und Damwild ist jedermann verboten. In Notfällen können von der Bezirksverwaltungsbehörde zeitlich befristete Ausnahmen von den Fütterungsverboten genehmigt werden.
...
(7) Rehwildfütterungen sind, wo erforderlich, rotwildsicher einzuzäunen und zu erhalten. Die Einzäunung ist jedenfalls erforderlich, wenn Rotwild als Standwild vorhanden ist oder zumindest wiederholt als Wechselwild auftritt. Innerhalb der Einzäunung hat die Futtermittelvorlage so zu erfolgen, dass Rotwild nicht zu den Futtermitteln gelangen kann. Eine Fütterung von Rehwild in der Zeit vom 15. Mai bis 15. September ist jedermann verboten.
(8) Das Anlegen von Kirrungen (Lockfütterungen oder Ausbringung von anderen Lockstoffen) für Schalenwild ist jedermann verboten. ...
...
§ 77Paragraph 77, Strafen
Übertretungen dieses Gesetzes und der auf Grund desselben erlassenen Vorschriften oder besonderen Anordnungen werden von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis EUR 2.200,- bestraft. Der Versuch ist strafbar.“
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richtet sich das Verbot des Zugänglichmachens von Futtermitteln und eingebrachten landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die geeignet sind Schalenwild anzulocken, nach § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG auch an den Jagdausübungsberechtigten, weil die Einführung der Wortfolge „von niemandem“ (durch die Jagdgesetznovelle LGBl. Nr. 42/2012Landesgesetzblatt Nr. 42 aus 2012,) unabhängig von einer allfälligen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit der unmittelbar handelnden Person nicht dazu führt, dass nicht auch den Jagdausübungsberechtigten die grundsätzliche Verpflichtung trifft, für die Einhaltung der in § 50Paragraph 50, JG normierten Gebote und Verbote betreffend Wildfütterungen Sorge zu tragen (vgl.vergleiche VwGH 12.11.2021, Ra 2020/03/0097, Rn 12).
13 Nach den Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, JG durch die Jagdgesetznovelle LGBl. Nr. 42/2012Landesgesetzblatt Nr. 42 aus 2012, (ErlRV 910/6, XVI. GPStLT, 3) sind diese Bestimmungen Präzisierungen des ursprünglichen Abs. 4Absatz 4,, die insbesondere der Vermeidung von Wildschäden durch unsachgemäße Fütterungen, Kirrungen etc. dienen.
14 Anders als die Vorgängerregelung (§ 50Paragraph 50, Abs. 4Absatz 4, JG idFin der Fassung vor der Jagdgesetznovelle LGBl. Nr. 42/2012Landesgesetzblatt Nr. 42 aus 2012,) verbietet § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG (soweit hier von Relevanz) nicht bloß „jedes Füttern von Rotwild außerhalb genehmigter Fütterungsanlagen“, sondern jegliches Zugänglichmachen gegenüber Schalenwild von Futtermitteln und eingebrachten landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die geeignet sind, dieses anzulocken, außerhalb genehmigter Fütterungen, außerhalb der genehmigten Fütterungszeiten und außerhalb von Rehwildfütterungen und Schwarzwildkirrungen. Ausgenommen davon sind nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung lediglich die übliche fachgerechte Lagerung und Verwendung von Futtermitteln und von eingebrachten landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
15 Auf den vom Täter verfolgten Zweck oder das Ziel der Zugänglichmachung kommt es damit nicht an. Für Lockfütterungen (Kirrungen) - wenn also das Ausstreuen von Futtermitteln, die geeignet sind, Schalenwild anzulocken, auch zu diesem Zweck erfolgt - enthält § 50Paragraph 50, Abs. 8Absatz 8, erster Satz JG vielmehr eine besondere Verbotsbestimmung mit höherem deliktischen Gesamtunwert (zum Verhältnis dieser beiden Bestimmungen vgl.vergleiche näher erneut VwGH 12.11.2021, Ra 2020/03/0097, Rn 27ff).
16 Zur Beantwortung der vom Revisionswerber aufgeworfen Rechtsfrage ist zunächst zu klären, ob es sich beim Verstoß gegen § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG um ein Zustands- oder ein Dauerdelikt handelt: Während bei einem Zustandsdelikt nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, nicht aber dessen Aufrechterhaltung pönalisiert wird, beginnt bei einem Dauerdelikt das Unrecht der Tat mit der Vornahme der Handlung und endet erst mit deren Aufhören. Das Dauerdelikt weist Merkmale sowohl eines Begehungs- als auch eines Unterlassungsdelikts auf, weil einerseits die Herbeiführung des Erfolges, andererseits aber auch die anschließende Unterlassung des Beseitigens des geschaffenen gesetzwidrigen Zustandes kriminalisiert wird. Ob ein Zustands- oder ein Dauerdelikt vorliegt, bestimmt sich nach dem anzuwendenden Straftatbestand vor dem Hintergrund des Zwecks der Strafnorm (vgl.vergleiche VwGH 23.6.2022, Ra 2022/03/0018, mwN).
17 Mit der Tathandlung des „Zugänglichmachens“ kann zwar nach dem Wortlaut entweder allein ein einmaliger Akt (also etwa das Ausstreuen von Futtermitteln) oder auch das Aufrechterhalten des Zustandes der Zugänglichkeit gemeint sein. Aus dem dargestellten Zweck der Regelung, nämlich der Vermeidung von Wildschäden, die aufgrund des vom künstlich geschaffenen Nahrungsangebot örtlich konzentriert angelockten Schalenwilds vermehrt zu befürchten wären, ergibt sich jedoch, dass die Aufrechterhaltung der Zugänglichkeit zu einer Intensivierung der Rechtsgutbeeinträchtigung führt: je länger die Futtermittel zugänglich sind, desto länger und zahlreicher wird das Schalenwild angelockt. Daraus ist zu folgen, dass § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG auch die Aufrechterhaltung der Zugänglichkeit der Futtermittel untersagt, sodass ein Dauerdelikt vorliegt.
18 Somit ist auch die Unterlassung des Beseitigens des gesetzwidrigen Zustandes (nämlich des für Schalenwild zugänglichen Futtermittels) kriminalisiert. Soweit die Zugänglichmachung des Futtermittels ursprünglich (etwa nach § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, zweiter Satz JG) zulässig gewesen ist, beginnt die Strafbarkeit wegen des Verstoßes gegen § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG daher mit dem Wegfall der Voraussetzungen dieser Ausnahmebestimmung und umfasst das Unterlassen der Beseitigung des zugänglichen Futtermittels.
19 Dass - wie das Verwaltungsgericht argumentiert - das zum Tatzeitpunkt zugängliche Futtermittel nicht mehr zum Anlocken von verwilderten Rindern erforderlich war bzw. eingesetzt wurde, wird vom Revisionswerber nicht bestritten.
20 Soweit seine Zulässigkeitsbegründung auf die Frage hinausläuft, inwieweit er verpflichtet sei, „allenfalls noch geringfügig verbliebene Futtermittel“ zu entfernen, ist darauf hinzuweisen, dass das angefochtene Erkenntnis keinerlei Anhaltspunkt dafür liefert, dass zum Tatzeitpunkt nur mehr geringfügige Mengen von Futtermittel zugänglich gewesen wären. Im Übrigen enthält die Verbotsbestimmung des § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG keine Geringfügigkeitsschwelle; das zugänglich gemachte Futtermittel muss allerdings - auch seiner Menge nach - geeignet sein, Schalenwild anlocken. Dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt wäre, ist nach dem Inhalt der vom Verwaltungsgericht herangezogenen, im Akt erliegenden Lichtbilder nicht anzunehmen.
21 Gemäß § 5Paragraph 5, Abs. 1Absatz eins, VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift - wie hier - über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (sogenanntes „Ungehorsamsdelikt“) und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
22 Bei der Übertretung des § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5Paragraph 5, Abs. 1Absatz eins, zweiter Satz VStG, weil zu seinem Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. Der Umstand, dass ein Gebot oder Verbot regelmäßig einen bestimmten Zweck verfolgt (hier die Hintanhaltung von Wildschäden), macht diesen Zweck nicht zum Tatbestandsmerkmal (vgl.vergleiche VwGH 9.12.2019, Ra 2019/03/0123, Rn 52 mwN).
23 Auch bei Ungehorsamsdelikten iSd § 5Paragraph 5, Abs. 1Absatz eins, zweiter Satz VStG genügt allerdings die bloß objektive Verwirklichung des Tatbestands allein für die Strafbarkeit nicht, vielmehr ist auch hier nur der schuldhaft Handelnde verantwortlich. § 5Paragraph 5, Abs. 1Absatz eins, zweiter Satz VStG verlangt aber bei Ungehorsamsdelikten vom Beschuldigten, von sich aus initiativ glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Das Amtswegigkeitsprinzip verpflichtet freilich die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht, auch unabhängig von Parteivorbringen und -anträgen den wahren Sachverhalt unter Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln und verbietet daher, sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge hinwegzusetzen. Es sind daher bei der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts auch den Beschuldigten entlastende Umstände - auch im Fall eines Ungehorsamsdelikts - zu berücksichtigen (vgl.vergleiche erneut VwGH 9.12.2019, Ra 2019/03/0123, Rn 49 mwN).
24 Kommt eine beschuldigte Person ihrer Darlegungsverpflichtung iSd § 5Paragraph 5, Abs. 1Absatz eins, zweiter Satz VStG nicht nach, sind Verwaltungsgerichte und Verwaltungsbehörden berechtigt, diesen Umstand ins Kalkül zu ziehen. Umstände zur Glaubhaftmachung, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, liegen nämlich in der Sphäre des Täters, weshalb dafür ein entsprechendes Vorbringen einschließlich konkreter Anhaltspunkte erforderlich ist. Dies bedeutet freilich nicht, dass das zur Glaubhaftmachung der Schuldlosigkeit unterbreitete Tatsachenvorbringen schon bis ins letzte Detail vollständig sein muss und eine Erörterung der Beweislage mit dem Beschuldigten unter allen Umständen entbehrlich ist. Liegt dem Verwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsbehörde allerdings kein entsprechendes Vorbringen zur Glaubhaftmachung vor, dass die beschuldigte Person an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, kann deren Entscheidung nur auf dem Boden sonstiger einschlägiger Anhaltspunkte hiezu getroffen werden (vgl.vergleiche VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, mwN).
25 Derartiges entlastendes Vorbringen, also dass oder warum ihm die Entfernung des Futtermittels nicht möglich gewesen wäre, hat der Revisionswerber gegenüber der Behörde oder dem Verwaltungsgericht nicht erstattet. Wenn er nun in der Revision bemängelt, es sei nicht erhoben worden, „ob und in welchem Umfang überhaupt ein vollständiges Entfernen von Futtermittelresten, die aus der legitimen Anlockung von verwildertem Rind dort noch vorliegend waren, die zudem noch größtenteils von einer Schneedecke bedeckt waren, dem Revisionswerber überhaupt möglich gewesen wäre und wie er dies hätte bewerkstelligen sollen“, macht er fehlende amtswegige Erhebungen und Feststellungen zur Frage seines Verschuldens am objektiv verwirklichen Tatbestand geltend. Er entfernt sich dabei jedoch (mit der Behauptung einer überwiegenden Bedeckung der Futtermittel mit Schnee) einerseits vom festgestellten Sachverhalt und den im Akt vorhandenen Lichtbildern, andererseits unterlässt er es darzustellen, zu welchem Ergebnis diese Erhebungen geführt hätten, und legt damit die für eine Aufhebung wegen des behaupteten Verfahrensmangels nach § 42Paragraph 42, Abs. 2Absatz 2, Z 3Ziffer 3, lit c.Litera c, VwGG erforderliche Relevanz für den Verfahrensausgang nicht dar. Eine solche liegt im vorliegenden Fall auch sonst nicht nahe; insbesondere hat der Revisionswerber weder vorgebracht noch bestehen sonst Anhaltspunkte dafür, dass eine teilweise Entfernung der Futtermittel erfolgt oder auch nur versucht worden wäre.
26 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, der Revisionswerber habe durch die Unterlassung der Entfernung der näher genannten Futtermittel - zumindest fahrlässig - gegen § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, erster Satz JG verstoßen und sei daher nach § 77Paragraph 77, JG zu bestrafen, ist damit in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
27 Bei diesem Ergebnis kann auch dahingestellt bleiben, ob die Ausstreuung von Obsttrester, Körnermais und Luzerneheu zur „Anlockung von verwildertem Rind“ überhaupt eine „übliche fachgerechte Lagerung und Verwendung von Futtermitteln“ im Sinne des § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, zweiter Satz JG darstellt und daher erlaubt war.
28 Die Revision war daher, soweit sie sich gegen die Bestätigung von Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der belangten Behörde richtet, gemäß § 42Paragraph 42, Abs. 1Absatz eins, VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Zur mangelnden Rotwildsicherheit der Rehwildfütterung nach § 50Paragraph 50, Abs. 7Absatz 7, JG (Spruchpunkt 2.)
29 Nach § 34Paragraph 34, Abs. 1Absatz eins, VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34Paragraph 34, Abs. 3Absatz 3, VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
30 Von der in der Zulässigkeitsbegründung hinsichtlich der Rotwildsicherheit der Rehwildfütterung aufgeworfenen Frage, wie eine Einzäunung auszugestalten sei, um im Sinne des § 50Paragraph 50, Abs. 7Absatz 7, JG als rotwildsicher zu gelten, hängt die Revision nicht ab: Dem Revisionswerber wird nämlich nicht eine unzureichende Einzäunung der Rehwildfütterung vorgeworfen, sondern die Platzierung eines Futterautomaten innerhalb der Einzäunung auf eine Weise, die es Rotwild ermöglichte Futter aufzunehmen, ohne die eingezäunte Fläche zu betreten.
31 Im Übrigen stellt die Frage, bei welcher baulichen Ausgestaltung sich eine Einzäunung als rotwildsicher darstellt, keine Rechtsfrage dar, sodass sie als solche nicht vom Verwaltungsgerichtshof beantwortet und damit allgemein geklärt werden könnte: Erfolgt nämlich keine weitere Konkretisierung der Vorschriften über die bauliche Ausführung von Fütterungsanlagen für Rotwild durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber (vgl.vergleiche zur Rechtslage in Tirol etwa § 46aParagraph 46 a, Abs. 13Absatz 13, Tiroler Jagdgesetz 2004 und § 10Paragraph 10, Sechste Durchführungsverordnung zum Tiroler Jagdgesetz 2004), so hat im Einzelfall die amtswegige Ermittlung der sachverhaltsmäßigen Grundlagen zur Beurteilung, ob und wann „Rotwildsicherheit“ vorliegt, durch die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht (regelmäßig auch unter Einholung eines Sachverständigengutachtens) zu erfolgen (vgl.vergleiche VwGH 23.6.2022, Ra 2022/03/0018, Rn 35; zur Heranziehung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Rotwildsicherheit nach § 50Paragraph 50, Abs. 7Absatz 7, JG vgl.vergleiche etwa VwGH 12.11.2021, Ra 2020/03/0097, Rn 19).
32 Entgegen dem weiteren Revisionsvorbringen, es sei von § 50Paragraph 50, Abs. 5Absatz 5, und 7 JG „keinesfalls umfasst, dass Fütterungsautomaten nicht auch im Außenbereich einer genehmigten Rehwildfütterung angebracht werden dürfen“, enthält § 50Paragraph 50, Abs. 7Absatz 7, dritter Satz JG ausdrücklich und eindeutig eine Anordnung auch über die örtliche Platzierung der Futtermittelvorlage innerhalb einer genehmigten Rehwildfütterung, indem sie so zu erfolgten hat, „dass Rotwild nicht zu den Futtermitteln gelangen kann“.
33 Dem nicht weiter begründeten Zulässigkeitsvorbringen, eine fahrlässige Übertretung (auch) des § 50Paragraph 50, Abs. 7Absatz 7, dritter Satz JG sei nicht möglich und dazu fehle es an (einheitlicher) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ist der eindeutige Wortlaut des § 5Paragraph 5, Abs. 1Absatz eins, erster Satz VStG entgegenzuhalten, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift - wie hier - über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl.vergleiche VwGH 26.3.2021, Ro 2020/03/0004, mwN).
34 In der Revision werden somit bezogen auf die Bestätigung von Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der belangten Behörde keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133Artikel 133, Abs. 4Absatz 4, B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in diesem Umfang gemäß § 34Paragraph 34, Abs. 1Absatz eins und 3 VwGG zurückzuweisen.
35 4. Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39Paragraph 39, Abs. 2Absatz 2, Z 1Ziffer eins und 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinne der EMRK, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, womit dem Entfall der Verhandlung auch Art. 6Artikel 6, Abs. 1Absatz eins, EMRK nicht entgegen steht (vgl.vergleiche etwa VwGH 1.9.2017, Ra 2017/03/0030, mwN).
Wien, am 19. Dezember 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030146.L00Im RIS seit
26.01.2023Zuletzt aktualisiert am
26.01.2023