Entscheidungsdatum
22.11.2022Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Holzer über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 01.09.2022, Zl. ..., betreffend Wiener Baumschutzgesetz
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Aufgrund einer Anzeige der MA 42 vom 10.08.2021 wurde von Seiten der belangten Behörde mit 12.11.2021 eine Aufforderung zur Rechtfertigung an den Beschwerdeführer erlassen, da dieser es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der C. GmbH mit Sitz in Wien, D.-gasse, zu verantworten hat, dass diese auf der Liegenschaft Wien, E.-gasse, zwischen 03.08.2021 und 16.08.2021 einen auf dieser Liegenschaft befindlichen und nach dem Wiener Baumschutzgesetz geschützten Baum mit einem Stammumfang von 99cm gemessen in 1m Höhe durch unsachgemäße Lagerung von Aushubmaterial beeinträchtigt und durch Grabungen im Kronentraufenbereich beschädigt hat. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer am 17.11.2021 durch persönliche Übernahme zugestellt. Mit E-Mail vom 22.11.2021 teilte der Beschwerdeführer in der Folge mit, dass sein Unternehmen am gegenständlichen Standort nur mit Abbrucharbeiten, jedoch nicht mit Aushub oder Arbeiten im Bereich des Baumes selbst befasst war. In Ergänzung dazu gab der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 24.11.2021 weiters bekannt, dass für die Errichtung des Neubaus und die übrigen Arbeiten abseits der Abbrucharbeiten, das Unternehmen F. GmbH verantwortlich war.
Mit Bescheid vom 01.09.2022 setzte die belangte Behörde gemäß § 38 AVG iVm. § 24 VStG bis zum Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens des Magistrats der Stadt Wien gegen Herrn Ing. G. H., als § 9 VStG Verantwortlichen der F. GmbH, wegen der vorgeworfenen Baumbeeinträchtigungen das gegenständliche Verfahren gegen den Beschwerdeführer aus. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt, mit 06.09.2022 zur Abholung bereitgehalten und am 07.09.2022 von diesem behoben. Mit E-Mail vom 03.10.2022, sohin fristgerecht, erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter gegen diesen Bescheid Beschwerde.
Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte den Akt dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
II. Beweiswürdigung:
Die obgenannten Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes.
III. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 38 AVG 1991 ist die Behörde berechtigt, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Der Begriff der Vorfrage kann dabei zunächst in einem weiten Sinn verstanden werden, worunter all jene Fragen fallen deren Lösung zum Zweck der Lösung einer anderen Frage notwendig und erforderlich ist (weiter Vorfragebegriff) (Vgl. Funk, Die Judikatur des VfGH zum Feststellungsbescheid, ÖJZ 1972, 33 (34)). Das Vorfrage-Verständnis des § 38 AVG 1991 ist demgegenüber enger gezogen und stuft nur solche Fragen als Vorfragen ein, die von anderen Verwaltungsbehörden (oder auch derselben in einem anderen Verfahren) als Hauptfragen zu entscheiden sind und die damit für die konkret entscheidungsrelevante Rechtsvorschrift ein unentbehrliches Tatbestandselement bilden (Hengstschläger/Leeb, AVG [2004] § 38 Rz 2; Loebenstein, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Spannungsverhältnis zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit, JBl 1978, 225 (234); Holzer, Das Gastgartenrecht zwischen Gewerbeordnung und Gebrauchsabgabe [2022] 103).
Im gegenständlichen Fall liegen nun zwei Tatvorwürfe vor, wobei sich der erste auf die Lagerung von Aushubmaterial im Bereich eines nach dem Wiener Baumschutzgesetz geschützten Baumes und der andere auf die Beschädigung ebendieses im Kronentraufenbereich durch Grabungen bezieht. Auf der gegenständlichen Liegenschaft waren damals, wie sich aus dem Akt selbst ergibt, zwei Unternehmen tätig, welche offenkundig verschiedene Tätigkeiten durchgeführt haben. Die Frage, welches der Unternehmen nun welche Tätigkeiten durchgeführt hat und wer damit gegebenenfalls die Verantwortlichkeit für eine bestimmte Beeinträchtigung des Baumes trägt, stellt nun allerdings entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Sichtweise keine Vorfrage dar, sondern ist zum einen vielmehr Gegenstand ein- und desselben Ermittlungsverfahrens in dem die jeweiligen Verantwortlichkeiten zu eruieren und im Gefolge entsprechende Straferkenntnisse zu erlassen wären und zum anderen schließt selbst die Verantwortlichkeit des einen, aufgrund der Struktur des österreichischen Verwaltungsstrafrechts, welche in § 7 VStG auch eine Mehrheit von Tätern durch Beihilfe und Anstiftung zulässt, noch nicht jene des anderen endgültig aus. Die Frage, wem welche Tätereigenschaft zukommt, stellt nun allerdings ebenfalls keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG 1991 dar (Vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 [2017] § 7 Rz 13; VwGH 18. 4. 1977, 2538/76).
Da somit ein Bescheid vorliegt, der, mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen, nicht hätte ergehen dürfen (Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 105) war dieser spruchgemäß ersatzlos zu beheben.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 4 VwGVG entfallen, da sich die Beschwerde nur gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Vorfrage; zwei Tatvorwürfe; Tätereigenschaft; Verantwortlichkeit; Beeinträchtigung eines BaumesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.001.049.12221.2022Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023