TE Lvwg Erkenntnis 2022/12/19 LVwG-2022/12/1431-7

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Veröffentlicht am 19.12.2022
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Entscheidungsdatum

19.12.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Kroker über die Beschwerde des AA, geb. XX.XX.XXXX, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Z, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Zusammenhang mit der „behördlichen Zwangsmaßnahme und der Identitätsfeststellung“ durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion Y am 21.04.2022 in Y nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Zusammenhang mit der Identitätsfeststellung und der Festnahme des Beschwerdeführers durch das Zurückbiegen des linken Armes auf den Rücken und das Ergreifen am rechten Oberarm für die Dauer von ca 30 Sekunden durch - der belangten Behörde Bezirkshauptmannschaft X zurechenbare - Polizeibeamte der Polizeiinspektion Y am 21.04.2022 gegen 18.55 Uhr im Bereich Adresse 2 in Y wird Folge gegeben und festgestellt, dass die Identitätsfeststellung und diese Festnahme rechtswidrig gewesen sind.

2.       Gemäß § 35 Abs 2, 4 und 7 VwGVG in Verbindung mit § 1 Z 1 und Z 2 der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr 2013/517, wird dem Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz Folge gegeben. Der Rechtsträger der belangten Behörde hat dem Beschwerdeführer den Schriftsatzaufwand in Höhe von Euro 737,60, den Verhandlungsaufwand in Höhe von Euro 922,00, sowie die Eingabegebühr in Höhe von Euro 30,00 - sohin gesamt Euro 1689,60, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Erkenntnisses zu ersetzen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen, mündliche Verhandlung:

Mit Maßnahmenbeschwerde vom 01.06.2022 – eingegangen beim Landesverwaltungsgericht Tirol am 02.06.22.2022 per ERV und E-Mail – wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Zusammenhang mit der „behördlichen Zwangsmaßnahme und der Identitätsfeststellung“ durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion Y am 21.04.2022 vor „CC“ in Y.

Begründend führte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer – zusammengefasst - aus, dass er im Zuge einer Amtshandlung im Zusammenhang mit einer Übertretung des § 23 Abs 2 StVO durch DD am 21.04.2022 gegen 18.55 Uhr in Y auf Höhe des Hauses „CC“ in aggressivem Ton von einem Polizeibeamten der Polizeiinspektion Y – ohne Vorliegen eines Grundes - aufgefordert worden sei, sich auszuweisen, widrigenfalls sei die Verhaftung angedroht worden. Nachdem der Beschwerdeführer keinen Ausweis bei sich geführt habe und er sich auf seinem eigenen Grund befunden habe, habe er die Beamten aufgefordert sein Grundstück zu verlassen. In Reaktion hierauf sei KontrInsp. EE unvermittelt auf den Beschwerdeführer zugetreten, habe dessen linken Arm auf dessen Rücken gebogen und geäußert, dass sie ihn jetzt mitnehmen. Zugleich habe KontrInsp EE seine Kollegin aufgefordert „den Achter“ zu holen. Daraufhin habe Insp. FF seinen rechten Arm auf den Rücken gebogen. Erst nach Vermittlung seiner Ehegattin, den Ausweis zu holen, sei der Beschwerdeführer aus der Gewalt der Polizeibeamten entlassen worden. Der Beschwerdeführer habe sich gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten zu keinem Zeitpunkt und in keiner Weise aggressiv oder gefährlich verhalten. Er sei im Zuge der Amtshandlung gegenüber DD zu keinem Zeitpunkt abgemahnt worden. Für die Vorgehensweise der Polizeibeamten bestehe keine gesetzliche Grundlage. Es wurde sohin der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung feststellen, dass die behördliche Zwangsmaßnahme sowie die Identitätsfeststellung vom 21.04.2022 gegen den Beschwerdeführer rechtswidrig erfolgt sei. Darüber hinaus wolle das Landesverwaltungsgericht Tirol der belangten Behörde den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegen.

Mit Gegenschrift vom 15.06.2022, GZ: ***, brachte die belangte Behörde nach Darstellung des Sachverhaltes sowie nach Anführung der Stellungnahme des einschreitenden Polizeibeamten und der maßgeblichen Rechtslage vor, dass sie davon ausgehe, dass aufgrund der Angaben der Polizeibeamten sowie des Beschwerdeführers die Amtshandlungen der beiden Beamten der Polizeiinspektion Y am 21.04.2022 gegen 18:45 Uhr gegenüber den betroffenen Personen, insbesondere gegenüber dem Beschwerdeführer, zu Recht erfolgt sei. Auf Grund des auffälligen Verhaltens trotz vorausgehender Abmahnung, insbesondere wegen der Anfertigung von Lichtbildern der einschreitenden Polizeibeamten durch den Beschwerdeführer, sei von der Polizeiinspektion Y am 08.06.2022 eine Anzeige wegen Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz erstattet worden. Der Beschwerdeführer sei mittels Strafverfügung vom 09.06.2022 wegen Übertretung nach § 82 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz zu einer Geldstrafe von € 80,00 bestraft worden. Die verhängte Strafe sei noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Art und Weise, wie die Amtshandlung von Organen der Exekutive tatsächlich durchgeführt werde, könne von der belangten Behörde weder beeinflusst noch überprüft werden. Dafür seien letztendlich die amtshandelnden Beamten sowie die betroffene Person selbst verantwortlich. Es gebe aber klare Anweisungen dahingehend, dass die Organe immer höflich, wenn auch bestimmt, gegenüber jedermann ihre Amtshandlung durchzuführen haben. Zusammenfassend werde die Ansicht vertreten, dass das Einschreiten der beiden Beamten der Polizeiinspektion Y rechtens gewesen sei, die Maßnahmenbeschwerde unbegründet sei und der Beschwerdeführer durch die Amtshandlung in seinen Rechten nicht verletzt worden sei. Seitens der belangten Behörde wurden daher die Anträge gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde keine Folge geben und die gestellten Anträge als unbegründet abweisen und der belangten Behörde den Schriftsatz-, Vorlage- und allfälligen Verwaltungsaufwand gemäß § 35 VwGVG zusprechen.

Der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer hat in weiterer Folge eine Stellungnahme zur Gegenschrift mit Schriftsatz vom 11.10.2022 eingebracht, indem die Darstellung des Sachverhaltes durch den einschreitenden Polizeibeamten in den wesentlichen Punkten bestritten wurde.

Am 04.11.2022 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt, anlässlich derer der Beschwerdeführer sowie die Zeugen KontrInsp. EE, Insp. FF, DD, GG und JJ einvernommen worden sind. Anlässlich der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdegegenstand sowie die beantragten Verfahrenskosten durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers konkretisiert. Aufgrund der Anzahl der Zeugen wurde – mit ausdrücklichem Einverständnis der Parteien – auf die Verkündung des Erkenntnisses in dieser Angelegenheit verzichtet.

II.      Sachverhalt:

Aufgrund einer Privatanzeige des Bruders des Beschwerdeführers fuhren KontrInsp. EE und Insp. FF/beide Polizeibeamten der Polizeiinspektion Y zur Nebenfahrbahn der Adresse 2 auf Höhe Hausnummer ** „CC“, wo ein PKW samt Anhänger auf der Nebenfahrbahn zum Ausladen von Ziegen abgestellt worden ist.

Als dessen Lenker DD zum Fahrzeug zurückkehrte, wurde er von den Polizeibeamten auf sein straßenverkehrsordnungswidriges Verhalten aufmerksam gemacht und erklärte sich der Lenker bereit, eine Organstrafverfügung zu bezahlen.

Während KontrInsp. EE das Organstrafmandat ausfüllte, erschienen der Beschwerdeführer und dessen Ehegattin JJ vorort. Da der Beschwerdeführer der Ansicht war, dass eine erlaubte Ladetätigkeit vorliegt, wies er seinen Arbeitnehmer DD an, der in seinem Auftrag das Fahrzeug dort abgestellt hatte, das Organstrafmandat nicht zu bezahlen.

Für die nunmehr erforderliche Anzeigenerstattung fertigte KontrInsp. EE mehrere Fotos an. Auch der Beschwerdeführer machte daraufhin zu Beweiszwecken Lichtbilder von der Verkehrssituation. Dabei fotografierte er auch die beiden einschreitenden Polizeibeamten.

KontrInsp. EE wies daraufhin den Beschwerdeführer forsch an, die Lichtbilder mit den Polizeibeamten zu löschen.

Der Beschwerdeführer weigerte sich die Fotos zu löschen und ging zurück auf sein Grundstück. Die Polizeibeamten folgten ihm und wurde der Beschwerdeführer von KontrInsp. EE ohne Angabe von Gründen aufgefordert, sich auszuweisen.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer – bevor es zur Aufforderung zur Identitätsbekanntgabe gekommen ist - aggressiv gegenüber den Polizeibeamten verhalten hat. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer abgemahnt wurde, sein Verhalten einzustellen.

Der Beschwerdeführer weigerte sich seinen Ausweis vorzuweisen. Daraufhin wurde er nochmals von KontrInsp. EE aufgefordert sich auszuweisen, ansonsten müssten sie den Beschwerdeführer auf die Polizeiinspektion mitnehmen.

Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung wiederum nicht nach. Er verhielt sich dabei nicht aggressiv, entgegnete aber bestimmt und mit lautem Ton: „Jetzt ist genug, verlassen Sie sofort mein Grundstück!“

Im nächsten Augenblick – ohne weitere Abmahnung - ergriff KontrInsp. EE den linken Arm des Beschwerdeführers und drehte ihn auf dessen Rücken. Insp. FF wurde herbeigerufen und ergriff den Beschwerdeführer am rechten Oberarm.

Daraufhin beruhigte die Ehegattin des Beschwerdeführers die Situation und forderte ihren Mann auf einen Ausweis zu holen. Dieser wurde losgelassen und holte aus seinem Auto seine Identitätskarte. Die Festnahme dauerte ca 30 Sekunden.

Insp. FF gab über Aufforderung ihre Dienstnummer bekannt, KontrInsp. EE händigte eine Visitenkarte aus.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde (OZ 3 und OZ 6) sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichts Tirol LVwG-2022/12/1431, weiters durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der ZeugInnen KontrInsp EE, Insp. FF, DD, GG und JJ.

Der Ablauf der Amtshandlung (Organstrafmandat an DD wegen Falschparkens, Aufforderung durch Beschwerdeführer dieses nicht zu bezahlen, Lichtbilder des KontrInsp. EE, Lichtbilder des Beschwerdeführers, Aufforderung an Beschwerdeführer die Lichtbilder zu löschen, Weigerung des Beschwerdeführers, Aufforderung an Beschwerdeführer sich auszuweisen, Weigerung des Beschwerdeführers, nochmalige Aufforderung sich auszuweisen, Weigerung des Beschwerdeführers und Aufforderung an Polizeibeamten sein Grundstück zu verlassen, Festnahme des Beschwerdeführers, Beruhigung der Situation durch Ehegattin, Loslassen des Beschwerdeführers und Ausweisleistung, Bekanntgabe von Dienstnummer und Aushändigung von Visitenkarte) wurde in den wesentlichen Punkten weitgehend übereinstimmend vom Beschwerdeführer und den oben angeführten ZeugInnen geschildert, sodass hier diese Aussagen in einer Zusammenschau den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt werden konnten.

Völlig entgegenstehend sind allerdings die Aussagen zu der Frage, ob sich der Beschwerdeführer während der Amtshandlung aggressiv gegenüber den Polizeibeamten verhalten hat. Während die beiden Polizeibeamten ein solch aggressives Verhalten behaupten, haben der Beschwerdeführer und die ZeugInnen DD, GG und JJ dieses vehement in Abrede gestellt.

Bei einer Zusammenschau dieser Beweisergebnisse zeigt sich, dass der Beschwerdeführer wohl sehr bestimmt aufgetreten ist und den Aufforderungen der Polizeibeamten, die Fotos zu löschen bzw einen Ausweis vorzuzeigen nicht bzw nicht sofort nachgekommen ist. Dass er tatsächlich geschrien und herumgefuchtelt hat oder sich in sonstiger Weise aggressiv verhalten hat, konnte nicht erwiesen werden. Dies aus folgenden Gründen:

Die Aussagen der Polizeibeamten überzeugen zu diesem Beweisthema nicht. Die Polizeibeamten waren sich in ihren Zeugenaussagen zum Teil nicht einig, worin genau das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers gelegen sein soll bzw haben in der jeweiligen Aussage das angeblich aggressive Verhalten des Beschwerdeführers im Laufe der Vernehmung unterschiedlich dargestellt.

Während der Zeuge KontrInsp. EE zu Beginn seiner Vernehmung unter anderem bereits ein aufbrausendes Verhalten des Beschwerdeführers beschreibt, als sich dieser geweigert hat, die Fotos zu löschen, gibt er auf die Frage des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, was konkret das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers gewesen sei, Folgendes an:

„Er hat sehr laut geschrien: „Den Ausweis zeige ich nicht“ und „Verschwindet´s von meinem Grundstück!“ Sonst ist mir jetzt nichts in Erinnerung. Es sind auch keine beleidigenden Worte gefallen. Drohworte habe ich keine wahrgenommen, aber es war schon bedrohlich für mich, als er sich vor mir aufgebaut hat und dann gemeint hat: „Verschwindet‘s von meinem Grundstück!“

Ca sieben Wochen nach dem Vorfall - nachdem KontrInsp. EE im Zuge dieses Maßnahmenbeschwerdeverfahrens zu einer Stellungnahme aufgefordert worden ist – hat dieser erst die Anzeige gegen den Beschwerdeführer vom 08.06.2022, GZ: ***, wegen einer Übertretung des § 82 Abs 1 SPG erstattet. Darin hat KontrInsp EE die Übertretung des § 82 Abs 1 SPG damit begründet, dass sich der Beschwerdeführer „aufbrausend und aggressiv in eine Amtshandlung eingemischt habe. Er habe Lichtbilder von den Beamten angefertigt und sei aufgefordert worden, dies zu unterlassen. Dadurch sei er noch aggressiver geworden.“

Insp. FF hat – mit dieser Anzeige übereinstimmend - dem Beschwerdeführer bereits von Beginn an ein aggressives und uneinsichtiges Verhalten attestiert, das sie bei der Aufforderung an den Zeugen DD, das Organmandat nicht zu bezahlen und auch bei der Weigerung, die Fotos zu löschen wahrgenommen habe. So beschreibt die Zeugin unter anderem das Verhalten des Beschwerdeführers bei der Aufforderung zur Löschung der Fotos:

„Er war aber uneinsichtig und hat gemeint, er müsse sich das noch überlegen. Er war dann aufbrausend und hat mit den Händen herumgefuchtelt. Den konkreten Grund, warum er da dann wieder aufbrausend war, weiß ich jetzt nicht mehr. Es hat einfach alles wieder von vorne begonnen.“

Später nochmals vom Rechtsvertreter zu dem Vorfall mit dem Fotografieren befragt, hat die Zeugin allerdings die Situation völlig unspektakulär – ohne ein aggressives Verhalten des Beschwerdeführers zu erwähnen – beschrieben:

„Er ist gefragt worden, ob er die Fotos löschen kann. Das hat er verneint. Wir haben ihn gefragt, warum er die Fotos macht. Darauf hat er keine Antwort gegeben und damit war dann die Sache erledigt.“

Nochmals nach „aggressiven Äußerungen des Beschwerdeführers“ befragt, hat die Zeugin im Zusammenhang mit der Aufforderung zum Löschen der Fotos zudem ausgesagt, der Beschwerdeführer habe „eher geladen – gemeint, das müsse er sich erst noch überlegen.

Auch damit wird in keinster Weise ein Schreien oder wildes Gestikulieren oder sonstiges aggressives Verhalten beschrieben.

Übereinstimmend haben die Polizeibeamten die Aufforderung, von seinem Grundstück zu „verschwinden“, als aggressiv beurteilt. Dass der Beschwerdeführer hier die Polizeibeamten im bestimmten und lauten Ton zum Verlassen des Grundstückes aufgefordert hat, geht auch aus den Zeugenaussagen von DD, GG und JJ hervor und wurde auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Doch wurde die Verwendung der Redewendung „Verschwindet’s von meinem Grundstück“ von den genannten Zeugen und vom Beschwerdeführer in Abrede gestellt. Dieser hat sich bei seiner Aussage vor dem Landesverwaltungsgericht einer sehr gewählten Ausdrucksweise bedient, sodass es nachvollziehbar und glaubwürdig ist, dass er nicht die Worte „Verschwindet’s“ verwendet hat. Auch die beiden Polizeibeamten haben grundsätzlich in ihrer Aussage bestätigt, dass der Beschwerdeführer keine beleidigenden oder abfälligen Worte verwendet hat.

Die Aussagen der Zeugen DD, GG und JJ, wonach sich der Beschwerdeführer in keinster Weise aggressiv verhalten habe, stimmen im Wesentlichen überein und haben die Zeugen vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol einen sehr glaubwürdigen Eindruck – insbesondere ob ihrer Entrüstung über das Vorgehen der Polizeibeamten im Hinblick auf das bestimmte, aber nicht aggressive Verhalten des Beschwerdeführers - erweckt.

In einer Zusammenschau dieser Beweisergebnisse haben die Aussagen des Beschwerdeführers und der ZeugInnen DD, GG und JJ aus den angeführten Gründen mehr überzeugt, sodass kein aggressives Verhalten des Beschwerdeführers festgestellt werden kann.

In diesem Zusammenhang sind auch die Aussagen des Beschwerdeführers und der ZeugInnen DD, GG und JJ nachvollziehbar und glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer nicht ermahnt worden ist, sein aggressives Verhalten einzustellen, zumal ein solches gar nicht vorgelegen ist. Auch aus der Schilderung des Ablaufs durch Insp. FF geht nicht hervor, dass der Beschwerdeführer mehrfach ermahnt worden sei. An dieser Beurteilung ändert schließlich auch nichts die Aussage des KontrInsp. EE, wonach er den Beschwerdeführer mehrfach aufgefordert habe, sich zu beruhigen. Abgesehen davon, dass die oben angeführten Zeugenaussagen, dem Ausspruch einer Ermahnung glaubwürdig entgegenstehen, fehlt der Aufforderung „Beruhigen Sie sich“ der erforderliche Abmahncharakter (siehe Erwägungen).

IV.      Rechtslage:

Folgende Bestimmung des VStG 1991, BGBl Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 57/2018, sind zur Klärung der vorliegenden Rechtsfragen maßgeblich:

§ 34b Verwaltungsstrafgesetz 1991

Identitätsfeststellung

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität einer Person ermächtigt, wenn diese auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen. § 35 Abs 2 und 3 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl Nr 566/1991, ist sinngemäß anzuwenden.

§ 35 Verwaltungsstrafgesetz 1991

Festnahme

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

         1.       der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist oder

         2.       begründeter Verdacht besteht, dass er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde, oder

         3.       der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Zwangsgewalt

§ 39a

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden, um die ihnen nach den §§ 34b, 35, 37a Abs 3 und 39 Abs 2 eingeräumten Befugnisse durchzusetzen. Dabei haben sie unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person vorzugehen. Für den Waffengebrauch gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969, BGBl N. 149/1969.

§ 35 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 105/2019

Identitätsfeststellung

(1) …

(2) Die Feststellung der Identität ist das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlass gebotenen Verlässlichkeit zu erfolgen.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.

§ 82 SPG

Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht

oder gegenüber militärischen Organen im Wachdienst

(1) Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

(2) Eine Bestrafung nach Abs 1 schließt eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 aus.

V.       Erwägungen:

Zur Zulässigkeit:

Nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit, nach Art 131 Abs 1 B-VG erkennen über Maßnahmenbeschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder.

Die den Beschwerdegegenstand bildenden Maßnahme (Identitätsfeststellung und kurzzeitige Festnahme) erfolgte am 21.04.2022, die Beschwerde wurde am 02.06.2022, 13.15 Uhr per E-Mail und ERV sohin binnen der sechswöchigen Frist nach § 7 Abs 4 VwGVG beim Landesverwaltungsgericht eingebracht und ist daher rechtzeitig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - das heißt ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl zu allem VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, und VwGH 20.12.2016, Ra 2015/03/0048, jeweils mwN; vgl idS zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach den §§ 65, 77 SPG VwGH 19.09.2006, 2005/06/0018, mwN, vgl weiters VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010 ua).

Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer von uniformierten Polizeibeamten in bestimmtem und lautem Ton aufgefordert seine Identität bekannt zu geben und wurde widrigenfalls die Mitnahme auf die Polizeiinspektion (die Festnahme – vgl VwGH 24.04.2018, Ra 2018/03/0008) angedroht.

Bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen ergibt sich klar, dass der Polizeibeamte diese Aufforderung mit der nach außen hin erkennbaren Absicht aussprach, eine individuelle und konkrete Rechtspflicht des Beschwerdeführers zur Identitätsbekanntgabe zu begründen. Es handelt sich um eine Aufforderung mit anordnendem Charakter, die mit einem Duldungsanspruch verbunden gewesen ist. Es liegt Befehlsgewalt vor.

Zur unmittelbaren Ausübung physischen Zwanges zählt zudem eine Festnahme nach § 35 Z 1 VStG. Auch die bloß kurzzeitige Festnahme (ca 30 Sekunden) des Beschwerdeführers durch Zurückbiegen des linken Armes auf den Rücken durch KontrInsp. EE sowie durch Ergreifen des rechten Oberarmes durch Insp. FF ist zweifelsfrei eine Zwangsausübung im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG, sodass nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol insgesamt die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zu bejahen ist.

Die Beschwerde ist daher zulässig.

In der Sache:

A)   Zur Identitätsfeststellung:

Die Voraussetzungen, unter denen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Feststellung der Identität im Zusammenhang mit Verwaltungsübertretungen ermächtigt werden, sind in § 34b VStG aufgezählt. Demnach sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Feststellung der Identität einer Person ermächtigt, wenn diese auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen.

Dabei ist der Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens zugrunde zu legen und zunächst zu fragen, ob dieser vertretbar annehmen konnte, es liege eine Verwaltungsübertretung auf frischer Tat bzw eine glaubwürdige Tatbeschuldigung unmittelbar danach bzw eine Betretung mit Gegenständen, die auf eine Beteiligung an der Tat hinweisen, vor.

Vorgeworfen wurde dem Beschwerdeführer von den Polizeibeamten eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG. Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht diese Verwaltungsübertretung.

Ein maßgebliches Tatbestandsmerkmal des § 82 Abs 1 SPG ist das aggressive Verhalten. Bereits zu der inhaltlich vergleichbaren Vorgängerbestimmung des Art IX Abs 1 Z 2 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen – EGVG sah der Verwaltungsgerichtshof (etwa VwGH 20.12.1990, 90/10/0056, 21.02.1994, 93/10/0092) darin ein solches Verhalten, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tons des Vorbringens, der zu Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen, als ein aggressives Verhalten gewertet werden muss.

Die Aufforderung zur Ausweisleistung erfolgte im vorliegenden Fall, nachdem sich der Beschwerdeführer geweigert hat, die von ihm erstellten Beweisfotos, auf denen auch die Polizeibeamten festgehalten waren, zu löschen.

Vorab ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Videoaufnahme einer Amtshandlung zu Beweiszwecken und das dabei unvermeidliche Mitfilmen der einschreitenden Polizeibeamten nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig ist (vgl OGH 27.06.2019, 6 Ob6/19d), nichts anderes kann damit für das Herstellen von Fotos zur Dokumentation einer Amtshandlung zu Beweiszwecken gelten.

Der Beschwerdeführer hat sich bestimmt dagegen ausgesprochen, die Fotos zu löschen. Ein aggressives Verhalten kann darin nicht gesehen werden. Dass er dabei geschrien oder mit den Händen vor dem Gesicht der Polizeibeamten herumgefuchtelt hat oder sich auf sonstige Weise aggressiv dabei verhalten hat, konnte nicht festgestellt werden.

Da es sohin an einem maßgeblichen Tatbestandsmerkmal für eine Übertretung nach § 82 Abs 1 SPG, nämlich dem aggressiven Verhalten, fehlt, konnten die Polizeibeamten nicht vertretbar davon ausgehen, dass eine solche Übertretung vorliegt. Die Aufforderung, sich auszuweisen, und die schließlich durchgeführte Identitätsfeststellung ist daher zu Unrecht erfolgt. Die mit Beschwerde bekämpfte Identitätsfeststellung durch die Polizeibeamten ist rechtswidrig gewesen.

B)   Zur Festnahme:

Gemäß § 35 Z 1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes - außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen - Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

Auch für die Festnahme nach § 35 Z 1 VStG normiert der Gesetzgeber, dass der Festzunehmende auf frischer Tat betreten wird. Wiederum ist der Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens zugrunde zu legen und zunächst zu fragen, ob dieser vertretbar annehmen konnte, es liege eine Betretung auf frischer Tat vor.

Auch im Zusammenhang mit der Festnahme mangelt es im vorliegenden Fall an einer vertretbar anzunehmenden Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG. Auch wenn der Beschwerdeführer in weiterer Folge sich geweigert hat, einen Ausweis vorzulegen und die Polizeibeamten in lautem und bestimmtem Ton aufgefordert hat, sein Grundstück zu verlassen, kann darin kein aggressives Verhalten erkannt werden, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in „lautem und barschen“ Ton vorgebrachte Worte noch nicht einschlägig sind, solange die Worte nicht „schreiend“ vorgebracht werden (vgl VwSlg 10727 A/1982 ua). Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedenen Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion dar und verwirklicht den Verwaltungsstraftatbestand nicht, es sei denn, dies geschieht in aggressiver Weise, denn auch das Vorbringen seines Rechtsstandpunktes berechtigt nicht, durch schreiendes und gestikulierendes Verhalten gegenüber einem Amtsorgan, das gesetzliche Aufgaben wahrnimmt, die in § 82 SPG gesetzten Grenzen zu überschreiten (vgl VwGH 29.05.2000, 2000/10/0038, weiters Keplinger/Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz, 4. Aufl, 2011, Anm 5.1.3 f zu § 82 SPG mwH).

Ein solch aggressives Verhalten konnte im Hinblick auf den Ton des Vorbringens oder der zur Schau gestellten Gestik im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Auch wenn der Beschwerdeführer in lautem und bestimmtem Ton die Polizeibeamten seines Grundstückes verwiesen hat, hat er damit die Grenze zu einem aggressiven Verhalten im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung noch nicht überschritten.

Abgesehen vom aggressiven Verhalten fehlt es auch an einer entsprechenden Abmahnung des Beschwerdeführers durch den Polizeibeamten. Durch eine Abmahnung im Sinne des § 82 Abs 1 SPG muss für den Betretenen ernsthaft klargestellt werden, dass er das strafbare Handeln einzustellen hat. Das Gesetz schreibt den Gebrauch bestimmter Worte für eine wirksame Abmahnung nicht vor, insbesondere muss sie nicht die Folgen weiteren Zuwiderhandelns zur Kenntnis bringen (vgl VwGH 25.05.1993, 81/10/112). Eine Abmahnung kann insofern zB nicht als bloß höfliche Bitte formuliert werden, sondern muss aus Wortwahl und Tonfall der Abmahncharakter hervorgehen (zB ist als Abmahnung zu qualifizieren, die Aufforderung ein bestimmtes Verhalten einzustellen, weil es den Hinweis auf dessen Unzulässigkeit impliziert – vgl VwGH 25.05.1983, 81/10/112). Eine solche Abmahnung, ein bestimmtes Verhalten (zB Schreien, wildes Gestikulieren) einzustellen, erfolgte – wie oben festgestellt - im vorliegenden Fall nicht. Die vom Zeugen KontrInsp. EE behauptete Aufforderung sich zu beruhigen, zeigt nicht auf, welches Verhalten konkret einzustellen ist bzw wäre dadurch für den Täter eine Abmahnung im Sinne des § 82 Abs 1 SPG nur schwer erkennbar (wofür im vorliegenden Fall auch spricht, dass weder der Beschwerdeführer noch die oben angeführten ZeugInnen eine (Er)Mahnung wahrgenommen haben).

Da sohin der Polizeibeamte mangels aggressivem Verhalten und Abmahnung nicht vertretbar annehmen durfte, dass er den Beschwerdeführer auf frischer Tat bei einer Verwaltungsübertretung nach§ 82 Abs 1 SPG betreten hat, liegen die Voraussetzungen für eine Festnahme nach § 35 Z 1 VStG nicht vor.

Die Festnahme durch Zurückbiegen des linken Armes auf den Rücken sowie durch Ergreifen des rechten Oberarmes des Beschwerdeführers durch die einschreitenden Polizeibeamten für etwa 30 Sekunden ist sohin rechtswidrig erfolgt.

VI. Ergebnis:

Im Ergebnis ist daher der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde Folge zu geben und festzustellen, dass die Identitätsfeststellung und die Festnahme des Beschwerdeführers durch - der belangten Behörde Bezirkshauptmannschaft X zurechenbare - Polizeibeamte der Polizeiinspektion Y am 21.04.2022 gegen 18.55 Uhr im Bereich Adresse 2 in Y rechtswidrig waren.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

VII. Kosten:

Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei. Der Beschwerdeführer hat den Kostenzuspruch im gesetzlichen Ausmaß nach § 35 VwGVG beantragt und in der mündlichen Verhandlung konkretisiert. Die Kosten werden nach Höhe der in der VwG-Aufwandersatzverordnung festgelegten Aufwandersätze zugesprochen.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die in der gegenständlichen Beschwerdesache zu lösenden Rechtsfragen konnten anhand der in der vorliegenden Beschwerdeentscheidung zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden. Eine außerhalb dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegende Rechtsfrage ist für das erkennende Gericht im Gegenstandsfall nicht hervorgekommen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Kroker

(Richterin)

Schlagworte

Identitätsfeststellung
Festnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.12.1431.7

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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