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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs gemäß §6 litd und §4 Abs1 Oö GVG 1975; keine Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit. Die Annahme der Behörde, daß die Grundstücke einerseits ohne zureichenden Grund der land- oder forstwirtschaftliche Nutzung entzogen würden, da der Zweck der Rechtsgeschäfte - nämlich die "Schaffung von Bauland für die weichenden Kinder" - im Hinblick auf die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung einer Baulandwidmung nicht verwirklicht werden könne, und daß die Eigentumsübertragungen andererseits nicht den in §4 Abs1 Oö GVG 1975 umschriebenen öffentlichen Interessen entsprächen, weil durch die geplante Schaffung zweier landwirtschaftlicher Kleinstbetriebe, für die weder Hofstellen noch irgenwelche sonstige Betriebsvoraussetzungen vorhanden sind, eine (weitere) wesentliche Verschlechterung der Agrarstruktur zu besorgen sei, ist zumindest vertretbar und daher nicht denkunmöglich.Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin - ein Ehepaar - übertrugen mit Schenkungsverträgen vom 2. Juli 1992 das Eigentumsrecht an dem neugebildeten Grundstück Nr. 771/5, EZ 702, KG Unterinzersdorf, im Ausmaß von etwa 2000 m2 an eine ihrer Töchter, die Drittbeschwerdeführerin, und das Eigentumsrecht an dem gleichfalls neugebildeten Grundstück Nr. 771/6, EZ 702, KG Unterinzersdorf, im Ausmaß von 2000 m2 an die andere Tochter, die Viertbeschwerdeführerin.
Die Bezirksgrundverkehrskommission Kirchdorf an der Krems versagte mit Bescheiden vom 28. September 1992 diesen Eigentumsübertragungen die Genehmigung.
2. Den gegen diese Bescheide von den jeweiligen Vertragsparteien eingebrachten Berufungen gab die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung nicht Folge.
3. Gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrskommission richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte, von sämtlichen Vertragsparteien erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf "Freizügigkeit" iS des Art6 StGG geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.
4. Die Landesgrundverkehrskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die im vorliegenden Fall in erster Linie bedeutsamen Vorschriften des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1975 - Oö. GVG 1975, LGBl. 53, haben folgenden Wortlaut:
"Geltungsbereich
§1. (1) Die Übertragung des Eigentums und die Einräumung des Fruchtnießungsrechtes an einem ganz oder teilweise der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmeten Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden bedarf der Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. ...
Voraussetzung für die Genehmigung
§4. (1) Rechtsgeschäfte müssen den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen.
...
(4) Rechtsgeschäfte, die den Voraussetzungen gemäß Abs1, 2 oder 3 nicht entsprechen, dürfen nicht genehmigt werden.
§6. Die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes (§4) sind insbesondere nicht gegeben, wenn zu besorgen ist, daß
...
d) sonst Grundstücke ohne zureichenden Grund der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden;
..."
2. Die belangte Behörde hat, indem sie den Berufungen der Beschwerdeführer nicht Folge gab, einen mit den erstinstanzlichen Bescheiden übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen (s. zB VfSlg. 5970/1969, 6016/1969, 8084/1977), mit dem sie den beabsichtigten Eigentumsübertragungen die Genehmigung versagte. Während jedoch die Behörde erster Instanz die Versagung der Genehmigungen allein auf §6 litd Oö. GVG 1975 stützte - danach sind die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes nicht gegeben, wenn zu besorgen ist, daß "sonst Grundstücke ohne zureichenden Grund der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden" -, trat die belangte Behörde zwar dieser Auffassung der Erstbehörde bei, doch ging sie zusätzlich - wenngleich ohne ausdrückliche Berufung auf §4 Abs1 Oö. GVG 1975 - davon aus, daß auch die in §4 Abs1 Oö. GVG 1975 (allgemein) umschriebenen Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung nicht vorlägen, weil selbst im Falle einer landwirtschaftlichen Nutzung der den Gegenstand der Schenkungsverträge bildenden Grundstücke durch die Erwerber mit Rücksicht auf die damit bewirkte Schaffung zweier landwirtschaftlicher Kleinstbetriebe ohne jegliche Betriebserfordernisse (wie insbesondere Hofstellen) die durch die grundverkehrsrechtlichen Vorschriften geschützte Agrarstruktur wesentlich verschlechtert würde.
3.a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zur Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vom bisherigen Eigentümer auf den Erwerber wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber in der Ausübung privater, den Schutz des Art5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (vgl. zB VfSlg. 7539/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10565/1985 mwH, 11754/1988).
Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 9790/1983, 11413/1987, 12119/1989, 14) dann verfassungswidrig, wenn der Bescheid entweder ohne jede gesetzliche Grundlage oder unter Heranziehung eines verfassungswidrigen Gesetzes erlassen worden wäre, wobei die denkunmögliche Anwendung des Gesetzes als Gesetzlosigkeit anzusehen ist. Ein solcher Fall läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. etwa VfSlg. 9693/1983, 10566/1985).
b) Daß der angefochtene Bescheid nicht ohne gesetzliche Grundlage erlassen wurde, steht außer Zweifel, wenngleich die belangte Behörde sich nicht im Spruch, sondern nur in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf Vorschriften des Oö. GVG 1975 berufen hat, und zwar nur auf §6 litd ausdrücklich, auf §4 Abs1 hingegen bloß der Sache nach.
Gegen diese beiden, dem angefochtenen Bescheid in materieller Hinsicht zugrundeliegenden Rechtsvorschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zu §4 Abs1 Oö. GVG 1975 etwa VfSlg. 9313/1982, 9454/1982, 9765/1983, 10566/1985 mwH, 10644/1985, 10744/1986, 10921/1986, 11614/1988; zu §6 litd Oö. GVG 1975 zB VfSlg. 8766/1980, 9180/1981, 9313/1982, 10520/1985, 10747/1986).
c) Die belangte Behörde hat diese Rechtsvorschriften aber auch nicht denkunmöglich angewendet.
Sie ging, nachdem sie das von der Behörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Berichtes der Bezirksbauernkammer Kirchdorf an der Krems sowie von Auskünften der Gemeinde Inzersdorf und der Baurechtsabteilung des Amtes der oö. Landesregierung ergänzt hatte, kurz zusammengefaßt, von folgendem Sachverhalt aus:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin waren (Mit-)Eigentümer eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes mit einer Grundfläche von ungefähr 10 ha. Als sie diesen im Jahre 1989 schenkungsweise an ihren Sohn übergaben, behielten sie eine Teilfläche von mehr als 2 ha zurück, die sie weiterhin selbst bewirtschaften. Der Sohn verpachtete, nachdem er seiner Ehegattin einen Hälfteanteil an dem übernommenen Betrieb eingeräumt hatte, je eine zu diesem Betrieb gehörige Teilfläche an seine Schwestern, die Drittbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin. Die den Gegenstand des in der Folge geschlossenen Schenkungsvertrages zwischen dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin einerseits und ihren Töchtern, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin andererseits bildenden, (unbestrittenermaßen) landwirtschaftlich genutzten Grundstücke stammen aus jener Teilfläche, die sich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin anläßlich der Betriebsübergabe zurückbehalten haben. Beide Grundstücke liegen in einem Gebiet, das im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Inzersdorf als Grünland ausgewiesen ist. Da dem Gemeinderatsbeschluß, mit dem diese Grundstücke in Bauland umgewidmet werden sollten, die (gemäß §21 Abs5 iVm §23 Abs3 des Oö. Raumordnungsgesetzes - Oö. ROG, LGBl. 18/1972 idF mehrerer Novellen, erforderliche) aufsichtsbehördliche Genehmigung mit Bescheid der Landesregierung vom 27. Jänner 1993, Zl. BauR-P-136014/7-1992, versagt wurde, steht nach Ansicht der belangten Behörde fest, daß keines der beiden Grundstücke für eine Bebauung geeignet ist. Weil aber im erstinstanzlichen Verfahren als Zweck des Erwerbes dieser Grundstücke durch die Drittbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin lediglich "eine Vorwegnahme der späteren Erbfolge" angegeben wurde, hat nach Auffassung der belangten Behörde die Behörde erster Instanz die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zu Recht auf §6 litd Oö. GVG 1975 gestützt, weil unter den gegebenen Umständen der Zweck der Rechtsgeschäfte - die "Schaffung von Bauland für die weichenden Kinder" - nicht verwirklicht werden konnte.
Mit Bezug auf das erstmals in den Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide enthaltene Parteienvorbringen, die nunmehrige Drittbeschwerdeführerin und die nunmehrige Viertbeschwerdeführerin beabsichtigten das den Gegenstand des jeweiligen Schenkungsvertrages bildende Grundstück jeweils zusammen mit der von ihrem Bruder gepachteten Fläche landwirtschaftlich zu nutzen, vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, daß unter diesen Umständen die geplanten Eigentumsübertragungen (auch) nicht den in §4 Abs1 Oö. GVG 1975 (allgemein) umschriebenen öffentlichen Interessen entsprächen, weil durch die geplante Schaffung zweier landwirtschaftlicher Kleinstbetriebe, für die weder Hofstellen noch irgendwelche sonstige Betriebsvoraussetzungen vorhanden sind, eine (weitere) wesentliche Verschlechterung der Agrarstruktur zu besorgen ist.
Die Auffassung der belangten Behörde, die sich, was den Sachverhalt betrifft, auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien stützte, ist - worauf es hier allein ankommt - in bezug auf jeden der herangezogenen Gründe für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zumindest vertretbar und somit nicht denkunmöglich.
4. Soweit in der Beschwerde die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs iS des Art6 StGG geltend gemacht wird - der Verfassungsgerichtshof deutet den unter Berufung auf Art6 StGG erhobenen Beschwerdevorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf "Freizügigkeit" in diesem Sinn -, ist dem entgegenzuhalten, daß sich das Grundrecht auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 7539/1975 mwH, 9541/1982, 10745/1986, 10896/1986) nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Kreise bestanden haben, daß jedoch allgemeine Beschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, dadurch nicht ausgeschlossen werden (vgl. etwa VfSlg. 9682/1983, 10744/1986, 10896/1986, 10902/1986).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsbehördlicher Interessen, und zwar deshalb versagt, weil nach Ansicht der belangten Behörde die vorgesehenen Eigentumsübertragungen den in §4 Abs1 Oö. GVG 1975 umschriebenen Voraussetzungen nicht entsprachen bzw. der in §6 litd Oö. GVG 1975 (beispielhaft) angeführte Versagungstatbestand vorlag, die Genehmigung daher gemäß §4 Abs4 Oö. GVG 1975 nicht erteilt werden durfte (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 8309/1978, 320; 8766/1980, 142; 9454/1982, 562; 9456/1982, 571; 10566/1985, 166, 12697/1991, 547). Daß das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs auch nicht durch eine denkunmögliche Anwendung der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften verletzt wurde (vgl. dazu etwa VfSlg. 3476/1958, 4231/1962, 4546/1963, 4805/1964), ergibt sich aus den Ausführungen unter II.3.c.
5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.
6. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem sonstigen, von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sind.
Ob aber der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie hier (vgl. dazu insbesondere §18 Abs2 und 4 Oö. GVG 1975; Art20 Abs2 B-VG) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9454/1982, 9456/1982, 10565/1985, 10659/1985, 11754/1988, 12697/1991).
7. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu oben unter II.3.b) ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
8. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war ebenfalls abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid von einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG erlassen wurde, und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. etwa VfSlg. 12789/1991).
9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B1033.1993Dokumentnummer
JFT_10068871_93B01033_00