Entscheidungsdatum
13.05.2022Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Peterseil über die Beschwerde des S und der A B, beide vertreten durch x, x, gegen den Bescheid des Magistrats der Statutarstadt Steyr vom 23. August 2021, BR-SR-2021-344993/10-WAAL in der Fassung des Bescheides vom 4. November 2021, GZ: BR-SR-2021-344993/15-SCTA, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag gemäß § 48 Oö. BauO 1994
zu Recht:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, und die Bescheide der belangten Behörde vom 23. August 2021, GZ: BR-SR-2021-344993/10-WAAL, sowie vom 4. November 2021, GZ: BR-SR-2021-344993/15-SCTA, aufgehoben.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Maßgeblicher Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid vom 29. Juli 2021 (GZ: BR-SR-2021-344993/7-WILI) trug der Magistrat der Statutarstadt Steyr (bB [belangte Behörde]) „M B […] als Eigentümerin der […] baulichen Anlage in x, x, Grundstücksnummer: x, EZ x, Katastralgemeinde S [auf], […] Sicherungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten durchzuführen“. Dieser – ausschließlich an Frau M B adressierte – Bescheid wurde einerseits der M B, andererseits den nunmehrigen Beschwerdeführern (Bf) als Grund- bzw Miteigentümer der EZ x zugestellt [Bescheid, Zustellverfügung, ON7 des verwaltungsbehördlichen Aktes].
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob Frau M B mit Eingabe (E-Mail) vom 19. August 2021 ein als „Einspruch“ bezeichnetes Rechtsmittel und führt darin auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die in Rede stehende bauliche Anlage (Stützmauer) stehe zur Hälfte im Eigentum der nunmehrigen Bf. Abschließend beantragt die Rechtsmittelwerberin, „dass im Bescheid und somit im Spruch alle Eigentümer der Stützmauer genannt sind, also auch das Ehepaar B als Miteigentümer […] Ich bitte höflich um entsprechende Änderung“ [Einspruch, ON9 des verwaltungsbehördlichen Aktes].
1.3. Mit Erledigung vom 23. August 2021 ordnete die bB wie folgt an: „Spruch: Gemäß § 62 Abs 4 AVG 1991 idgF wird der Bescheid des Magistrates der Stadt Steyr vom 29.07.2021, zur GZ BR-SR-2021-344993/7 berichtigt. Der Spruch des Bescheides hat richtig zu lauten wie folgt: I. Anordnung M B wird als Eigentümerin […] und S und A B wird als Eigentümer der nachstehend angeführten baulichen Anlage in x, Grundstücksnummer: x, Einlagezahl x, Katastralgemeinde S aufgetragen, […] Sicherungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen […]“. Im Begründungsteil wiederholt die bB ihre Ausführungen aus dem Bescheid vom 29. Juli 2021, wonach durch ein Starkregenereignis die Stützmauer an der Grenze zwischen den Grundstücken x (M B) und x1 (A und S B, Bf) der KG S beschädigt worden sei und daher Sicherungs- bzw Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen seien. Dieser Bescheid wurde einerseits der M B, andererseits den Bf zugestellt [Bescheid, Zustellverfügung, ON10 des verwaltungsbehördlichen Aktes].
1.4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Eingabe vom 21. September 2021 Beschwerde. Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, die Bf seien nicht Eigentümer der baulichen Anlage und sei daher der Bescheid rechtswidrig und ersatzlos aufzuheben [Beschwerde, ON13 des verwaltungsbehördlichen Aktes].
1.5. Mit – als Beschwerdevorentscheidung bezeichnetem – Bescheid vom 4. November 2021 gab die bB der Beschwerde teilweise statt. Begründend wird ausgeführt, es sei tatsächlich eine Fehlbezeichnung der Grundstücksnummer erfolgt und werde nunmehr – gestützt auf § 62 Abs 4 AVG – dieser Schreibfehler korrigiert. Hinsichtlich des Hauptvorbringens, nämlich des bestrittenen Eigentums an der baulichen Anlage, wies die bB die Beschwerde als unbegründet ab [Bescheid, ON15 des verwaltungsbehördlichen Aktes].
1.6. Mit Eingabe vom 9. November 2021 beantragten die Bf die Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Mit Schreiben vom 10. November 2021, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 15. November 2021 eingelangt, legte die bB die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor [Vorlageantrag, Vorlageschreiben, ON16 und ON17 des verwaltungsbehördlichen Aktes].
II. Beweiswürdigung:
Die obigen Feststellungen ergeben sich aus den in Klammer angegebenen Beweismitteln, insbesondere den Bescheiden der bB und Schriftsätzen der Bf. Aus diesen Beweismitteln ergibt sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt erschöpfend. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Bescheide bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben waren.
III. Rechtliche Beurteilung:
1.1. Gemäß § 48 Abs 2 Oö. BauO 1994 hat die Baubehörde, wenn sie Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens erlangt, die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, daß sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen.
1.2. Nach der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes bedarf ein (vollstreckbarer) baupolizeilicher Auftrag der Verpflichtung aller (Mit-)Eigentümer einer baulichen Anlage, wobei die Verpflichtung der einzelnen (Mit-)Eigentümer auch mit jeweils gesondertem Bescheid erfolgen kann. Insofern hat ein (Mit-)Eigentümer kein Recht auf bescheidmäßige Verpflichtung der übrigen Eigentümer.
2.1. Mit Bescheid vom 29. Juli 2021 verpflichtete die bB (ausschließlich) Frau M B im Wege eines auf § 48 Oö. BauO 1994 gestützten baupolizeilichen Auftrages zur Durchführung näher bezeichneter Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen betreffend eine bauliche Anlage (Stützmauer) auf Grundstück Nr x der KG S. Das gegen diesen Bescheid erhobene Rechtsmittel („Einspruch“) der Verpflichteten erledigte die bB im Wege eines auf § 62 Abs 4 AVG gestützten „Berichtigungsbescheides“, indem sie – dem Rechtsmittelantrag der Verpflichteten folgend – die nunmehrigen Bf in den Spruch des Bescheides aufnahm und damit ebenso zur Durchführung von näher bezeichneten Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen verpflichtete. Diesen Bescheid stellte die bB sowohl der M B als auch den Bf zu.
2.2. Wenngleich die Berichtigung von Bescheiden auch im Rechtsmittelweg zulässig ist, so überschreitet die bB mit ihrem „Berichtigungsbescheid“ vom 23. August 2021 die Grenzen berichtigungsfähiger Fehler iSd § 62 Abs 4 AVG: Die Erweiterung des Spruchs (normative Anordnung des Bescheides) und die damit bewirkte (erstmalige) Verpflichtung von nicht am amtswegig eingeleiteten Verfahren beteiligten Personen stellt keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichzuhaltende Unrichtigkeit dar. Mit anderen Worten bildet § 62 Abs 4 AVG keine tragfähige Rechtsgrundlage für die von der bB bewirkte Änderung/Erweiterung der normativen Anordnung des „berichtigten“ Bescheides. Vor diesem Hintergrund ist in der Erledigung vom 23. August 2021 aufgrund des engen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhangs mit dem als „Einspruch“ bezeichneten Rechtsmittel der M B (insbesondere da dem Rechtsmittelantrag vollinhaltlich entsprochen wurde) eine Beschwerdevorentscheidung zu erblicken. Indem die bB in Form einer Beschwerdevorentscheidung betreffend das Rechtsmittel der M B die Bf erstmals zu Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen verpflichtete, überschritt sie damit die Grenzen des verwaltungsgerichtlichen (Vor-)Verfahrens und belastete ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit. Zudem hat die bB keinerlei ergänzende Ermittlungsschritte hinsichtlich der Behauptungen der Rechtsmittelwerberin unternommen und vor Bescheiderlassung das Parteiengehör nicht gewahrt.
2.3. In Verkennung der rechtlichen Qualität ihrer Entscheidung vom 23. August 2021 erledigte die bB mit Bescheid vom 4. November 2021 das von den Bf dagegen erhobene Rechtsmittel der Beschwerde mit als „Beschwerdevorentscheidung“ bezeichnetem Bescheid und legte in Entsprechung des Vorlageantrages der Bf die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.
2.4. Im Ergebnis erweist sich die (ursprünglich) von Frau M B erhobene Beschwerde („Einspruch“) als unzulässig, da diese durch die behauptete Nicht-Verpflichtung anderer (Mit-)Eigentümer nicht in Rechten verletzt sein konnte. Indem die bB dies verkannte, irrigerweise von einem berichtigungsfähigen Fehler iSd § 62 Abs 4 AVG ausging und in Form einer Sachentscheidung über die Rechtsmittelwerberin hinaus auch die nunmehrigen Bf verpflichtete, belastete sie den Bescheid vom 23. August 2021 mit Rechtswidrigkeit. Der in der Folge ergangene Bescheid vom 4. November 2021 erweist sich vor diesem Hintergrund ebenso als rechtswidrig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wenngleich die durch den baupolizeilichen Bescheid vom 23. August 2021 verpflichtete Eigentümerin M B kein subjektives Recht auf Verpflichtung potentieller Miteigentümer an der baulichen Anlage hat, so wird die bB freilich in weiterer Folge dem Vorbringen der M B nachzugehen und im Falle der Feststellung des Miteigentums der Bf an der baulichen Anlage gegenüber diesen ein baupolizeiliches Verfahren einzuleiten haben.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten war.
Schlagworte
Stattgabe; Fehler, berichtigungsfähig; keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichzuhaltende UnrichtigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.153297.3.WP.153298.2Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023