Entscheidungsdatum
30.08.2022Norm
E-Government-Gesetz §1aText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Zöbl über die Beschwerde des D M, geb. x, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oö. vom 22.04.2022, GZ: VStV/922300511310/2022, wegen einer Übertretung des KFG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.7.2022,
zu Recht e r k a n n t :
I. Die Beschwerde wird abgewiesen und das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.
II. Für das Beschwerdeverfahren ist ein Kostenbeitrag in Höhe von 16 Euro zu bezahlen.
III. Gegen diese Entscheidung ist keine ordentliche Revision zulässig.
Entscheidungsgründe
Zu I.
1. Die Landespolizeidirektion Oö. (im Folgenden: belangte Behörde) hat dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er als Zulassungsbesitzer des PKW mit dem Kz.: x mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 10.2.2022 aufgefordert wurde, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das angeführte Kraftfahrzeug mit dem angeführten Kennzeichen am 6.10.2021 um 15.53 Uhr in Bad Schallerbach, L1231, Strkm x Fahrtrichtung Bad Schallerbach gelenkt hat. Der Bf habe diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt. Er habe auch keine andere Person genannt, die die Auskunft hätte erteilen können. Als Tatzeit wurde der 2.3.2022 und als Tatort der Sitz der anfragenden Behörde in 4710 Grieskirchen, Manglburg 14, angegeben.
Der Bf habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro (EFS 16 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zu Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 10 Euro verpflichtet.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Bf zusammengefasst aus, dass ihm die Lenkeranfrage nie ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Diese Aufforderung sei auf dem Postweg verschickt worden und er habe sie nicht abgeholt. Seit 1.1.2020 gebe es das Recht auf elektronischen Verkehr mit Behörden. Er sei dafür auf „oesterreich.gv.at“ registriert, was die Behörde ignoriert habe. Es treffe ihn daher keine Schuld an der Nichtbeantwortung der Aufforderung. Im Straferkenntnis habe die Behörde ignoriert, dass die Zustellung auf postalischem Weg nicht rechtmäßig sei.
3. Die Landespolizeidirektion Oö. hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).
4. Das LVwG Oö. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.7.2022. An dieser hat der Bf teilgenommen, die belangte Behörde war entschuldigt.
4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Bf ist Zulassungsbesitzer des PKW mit dem Kz.: x. Gegen den Lenker dieses Fahrzeuges wurde Anzeige erstattet, weil er am 6.10.2021 um 15.53 Uhr auf der L1231 bei Strkm. x in Fahrtrichtung Bad Schallerbach die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 6 km/h überschritten hatte. Die für diesen Tatort zuständige Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat dem Bf eine Anonymverfügung wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung übermittelt, welche dieser nicht bezahlt hatte.
Mit Schreiben vom 10.2.2022 hat die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen den Bf gemäß § 103 Abs. 2 KFG als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kz: x aufgefordert, schriftlich binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens Auskunft darüber zu erteilen, wer am 6.10.2021 um 15.53 Uhr dieses Kraftfahrzeug gelenk hat. Diese Lenkerhebung wurde postalisch mittels RSb abgesendet und am 15.2.2022 hinterlegt. Der Bf wurde über die Hinterlegung eines Schriftstückes informiert, hat dieses jedoch nicht von der Post abgeholt. Der Bf hat sich für die elektronische Zustellung von Schriftstücken auf „oesterreich.gv.at“ registriert.
Der Bf hat die geforderte Lenkeranfrage nicht erteilt, weshalb von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen mit Strafverfügung vom 11.3.2022 wegen der Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro verhängt wurde. Diese Strafverfügung wurde elektronsich zugestellt, der Bf erhob dagegen mit der Begründung Einspruch, dass ihm die Lenkererhebung nicht elektronisch zugestellt worden sei und die lediglich auf dem Postweg hinterlegte Sendung nicht als zugestellt gelte. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat das Verwaltungsstrafverfahren an die Landespolizeidirektion Oö. als Wohnsitzbehörde des Bf abgetreten, welche in weiterer Folge das oben dargestellte Straferkenntnis erlassen hat.
5. Diesen Sachverhalt hat das LVwG OÖ rechtlich wie folgt beurteilt:
5.1. Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
Gemäß § 1 Abs. 1 E-Government-Gesetz dient dieses Bundesgesetz der Förderung rechtserheblicher elektronischer Kommunikation. Der elektronische Verkehr mit öffentlichen Stellen soll unter Berücksichtigung grundsätzlicher Wahlfreiheit zwischen Kommunikationsarten für Anbringen an diese Stellen erleichtert werden.
Gemäß § 1a Abs.1 E-Government-Gesetz hat jedermann in den Angelegenheiten, die in Gesetzgebung Bundessache sind, das Recht auf elektronischen Verkehr mit den Gerichten und Verwaltungsbehörden. Ausgenommen sind Angelegenheiten, die nicht geeignet sind, elektronisch besorgt zu werden. Personen in gerichtlich, finanzstrafbehördlich oder gemäß § 53d des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, verwaltungsbehördlich angeordnetem Freiheitsentzug können dieses Recht nur nach Maßgabe der diesbezüglich in den Vollzugseinrichtungen vorhandenen technischen und organisatorischen Gegebenheiten ausüben, sofern dies vollzugsrechtlich zulässig ist und dadurch keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung zu erwarten ist.
Gemäß § 3 Zustellgesetz hat die Zustellung durch einen Zustelldienst, durch Bedienstete der Behörde oder, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Raschheit gelegen ist, durch Organe der Gemeinde zu erfolgen, soweit die für das Verfahren geltenden Vorschriften nicht eine andere Form der Zustellung vorsehen.
Das Zustellgesetz regelt in den §§ 13 bis 27 die physische sowie in den §§ 28 bis 37b die elektronische Zustellung.
5.2. Im ggst. Verfahren ist im Wesentlichen zu klären, ob die physische Zustellung der Lenkererhebung an den Bf rechtswirksam war, obwohl dieser ordnungsgemäß für elektronische Zustellungen registriert ist. Das Zustellgesetz selbst trifft dazu keine Aussagen sondern legt in § 3 nur allgemein fest, dass die Zustellung (in der Regel) durch einen Zustelldienst zu erfolgen hat. Das KFG 1967 enthält für die Zustellung von Lenkererhebungen keine gesonderten Vorschriften. Das Zustellgesetz selbst behandelt die physische und die elektronische Zustellung gleichwertig nebeneinander und enthält keine Bestimmungen, wonach in bestimmten Fällen eine Zustellung ausschließlich physisch oder ausschließlich elektronisch zulässig sein soll.
§ 1a E-Government-Gesetz gewährt nach seinen Wortlaut ein Recht auf elektronischen Verkehr mit Gerichten und Verwaltungsbehörden. Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 1a E-Government-Gesetz ergibt sich, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen dadurch die Wahlfreiheit haben, in welcher Art und Weise sie mit Behörden kommunizieren wollen. Die Einführung dieses Rechts auf elektronischen Verkehr ändert aber nichts an der Zulässigkeit anderer vorgesehener Formen, mit Gerichten und Verwaltungsbehörden in Kontakt zu treten, etwa mittels physischer Eingaben.
Diese Bestimmung räumt dem Bf also das Recht ein, mit der Behörde elektronisch zu kommunizieren. Eine Verpflichtung der Behörde, mit dem Bf bereits vom verfahrenseinleitenden Schriftsatz weg ausschließlich elektronisch zu kommunizieren, kann daraus aber nicht abgeleitet werden. So wie die erläuternden Bemerkungen dem Bf das Recht einräumen, weiterhin auch physisch mit der Behörde in Kontakt zu treten, muss auch die Behörde das Recht haben, weiterhin physische Zustellungen im Sinne des 2. Abschnittes des Zustellgesetzes durchzuführen. Weiters ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 1 Abs. 1 E-Government-Gesetz mit diesem Gesetz (nur?) Anbringen an die Behörde erleichtert werden sollen. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Regelungen betreffend die elektronische Zustellung zwar für Mitteilungen der Parteien an die Behörde gelten, nicht aber zwingend auch für Mitteilungen der Behörde an Parteien angewendet werden müssen.
Weder das Zustellgesetz noch das E-Government-Gesetz enthalten eine ausdrückliche Bestimmung, dass eine physische Zustellung durch die Behörde unzulässig wäre, wenn der Adressat des Schriftstückes für den elektronischen Verkehr registriert ist. Hätte der Gesetzgeber mit dem „Recht auf elektronischen Verkehr“ im § 1a E-Government-Gesetz tatsächlich derart weitreichende Auswirkungen auf behördliche Zustellungen festlegen wollen, so hätte er dies wohl ausdrücklich in einer gesetzlichen Bestimmung geregelt. Da es eine derartige ausdrückliche gesetzliche Bestimmung eben nicht gibt, ist davon auszugehen, dass die physische Zustellung an Adressaten, welche für den elektronischen Rechtsverkehr registriert sind, jedenfalls weiter zulässig sein muss.
Im konkreten Fall ist auch zu berücksichtigen, dass das ggst. Verfahren von Amts wegen eingeleitet wurde und es sich bei der Lenkererhebung um das erste nachweislich zuzustellende Schriftstück in diesem Verfahren handelt. Die Behörde wusste zum Zeitpunkt der Versendung der Lenkererhebung noch nicht, dass der Bf für den elektronischen Verkehr registriert ist. Eine dahingehende automatisierte Abfrage durch die Behörde wäre technisch wohl realisierbar, ist aber derzeit nicht vorgesehen.
Die ggst. Lenkererhebung wurde (nach den Vorschriften der physischen Zustellung) ordnungsgemäß hinterlegt, der Bf wusste von dieser Hinterlegung und hat sie dennoch nicht behoben. Die Lenkererhebung gilt daher mit dem 1. Tag der Abholfrist als zugestellt, wodurch die Pflicht zur Beantwortung durch den Bf ausgelöst wurde. Dieser hat die Lenkerauskunft nicht erteilt, weshalb er die ihm vorgeworfene Übertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten hat.
Die anderslautende Rechtsansicht des Bf kann sein Verschulden nicht ausschließen. Sie beruht auf Fahrlässigkeit und der Bf hat auch nie behauptet, sich ausdrücklich bei einer zuständigen Stelle diesbezüglich erkundigt zu haben bzw gar eine derartige Auskunft erhalten zu haben. Es ist ihm daher fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.
5.3. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
Die gesetzliche Höchststrafe für die ggst. Übertretung beträgt gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 5.000 Euro. Die von der Behörde verhängte Geldstrafe schöpft den gesetzlichen Strafrahmen zu weniger als 2 % aus. Dem Bf kommt der Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit wegen mehrerer – allerdings geringfügiger – verkehrsrechtlicher Vormerkungen nicht zugute. Sonstige Strafmilderungs- oder Straferschwerungsgründe liegen nicht vor. Die Geldstrafe entspricht auch den finanziellen Verhältnissen des Bf (monatliches Nettoeinkommen von 2.500 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten). Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Strafhöhe abzuweisen.
Zu II. Die Entscheidung über den Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren ist in § 52 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG begründet.
Zu III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abweisung; Zustellung; Lenkererhebung; Kommunikation, elektronische; „Recht auf elektronischen Verkehr“European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.605196.5.ZO.KAZuletzt aktualisiert am
24.01.2023