Entscheidungsdatum
31.08.2022Norm
KFG 1967 §102 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Zöbl über die Beschwerde des D S, geb. x, W, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, vom 12.07.2022, GZ: 2-VA-5700-54-2022, betreffend die Anordnung einer Nachschulung,
zu Recht:
I. Die Beschwerde wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass sich der Beschwerdeführer einer Nachschulung für verkehrsauffällige Kraftfahrzeuglenker zu unterziehen hat.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision zulässig.
Entscheidungsgründe
Zu I.
1. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels (im Folgenden: belangte Behörde) hat den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) mit dem angefochtenen Bescheid aufgefordert, sich auf seine Kosten innerhalb von vier Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, einer Nachschulung zu unterziehen.
Der Bf wurde aufgefordert, seinen Führerschein der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, zur Ausstellung eines neuen Führerscheines binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides wegen Eintragung der Probezeitverlängerung vorzulegen.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Bf zusammengefasst aus, dass er nicht während der Fahrt telefoniert habe. Er sei bei der roten Ampel gestanden, um die Zieladresse mit Hilfe des Mobiltelefons einzugeben. Als die Ampel die Weiterfahrt anzeigte, beschleunigte der Bf auf 60 km/h und startete dabei das Navigationssystem. Das Mobiltelefon befand sich in der dafür vorgesehenen Halterung. Er habe die Organstrafverfügung bezahlt, weil ihm die Beamten vor Ort versicherten, dass er keine Nachschulung absolvieren müsste, lediglich eine Probezeitverlängerung bekommt.
3. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).
4. Das LVwG Oö. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt eindeutig aus den vorliegenden Beweisen ergibt und überdies keiner der Parteien diese beantragte.
4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:
Der Bf, welcher sich noch in der Probezeit befindet, lenkte am 16.06.2022 um ca. 15.30 Uhr den PKW mit dem Kz.: x in W auf der B137, Strkm x, in Richtung Grieskirchen. Der Bf hielt sein Fahrzeug bei einer Verkehrsampel wegen Rotlicht an. Er hat erst nach dem Anhalten bei Rotlicht sein Mobiltelefon in die Hand genommen hat, um die Zieladresse ins Navigationssystem des Mobiltelefons einzugeben. Er legte daraufhin das Telefon wieder zurück in die dafür vorgesehene Halterung. Nachdem die Ampel auf Grünlicht geschaltet hatte, fuhr der Bf mit dem Kraftfahrzeug weiter, beschleunigte auf 60 km/h und startete die Navigation, wobei sich das Mobiltelefon in der dafür vorgesehenen Halterung befunden hat.
Im Zuge der durchgeführten Kontrolle wurde dem Bf wegen der Übertretung des § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG 1967 eine Organstrafverfügung ausgestellt. Diese wurde vom Bf bezahlt.
5. Diesen Sachverhalt hat das LVwG Oö. rechtlich wie folgt beurteilt:
5.1. § 4 Abs.3 FSG lautet: Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs.6) oder verstößt er gegen die Bestimmung des Abs.7 so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnung einer Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktssetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder der Neubeginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde dem zentralen Führerscheinregister zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen bei der Behörde abzuliefern, die Behörde hat die Herstellung eines neuen Führerscheines gemäß § 13 Abs. 6 in die Wege zu leiten.
Gemäß § 4 Abs. 6 Z 2a FSG gelten Übertretungen des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG 1967 als schwerer Verstoß gemäß Abs. 3.
§ 102 Abs. 3 5. Satz KFG 1967 lautet wie folgt:
Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung sowie jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons, ausgenommen als Navigationssystem, sofern es im Wageninneren befestigt ist, verboten.
5.2. Das gesetzliche Verbot des „Telefonierens am Steuer“ gilt nach dem klaren Gesetzeswortlaut während des Fahrens. Dieser Begriff ist im Gesetz nicht näher definiert, weshalb auf den Zweck der ggst. Bestimmung abzustellen ist. Das „Zum Stillstand Bringen“ eines Fahrzeuges an einer roten Ampel wird durch die Verkehrslage erzwungen und stellt daher ein Anhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 26 StVO 1960 dar. Es handelt sich um eine kurzfristige Fahrtunterbrechung und es ist jederzeit mit dem Umschalten der Ampel zu rechnen, woraufhin der Lenker seine Fahrt ohne unnötige Verzögerung fortzusetzen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis vom 28.3.2014, 2012/02/0070 ausgesprochen, dass „in einer Verkehrssituation, in der ein Lenker auf der Fahrbahn an der Ausführung seines Fahrmanövers nur kurzfristig verkehrsbedingt (Abwarten des Gegenverkehrs) gehindert wird, die gebotene Fortsetzung seines Fahrmanövers aber seine volle Aufmerksamkeit verlangt, jedenfalls nicht davon die Rede sein kann, dass das dabei erfolgende Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung nicht mehr vom Tatbestand des § 102 Abs.3 5. Satz KFG 1967 umfasst wäre.“
Daraus ergibt sich, dass nicht jedes „Stillstehen der Räder“ das „Fahren“ im Sinne des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG 1967 unterbricht.
Auch bei einer roten Verkehrsampel ist es aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich, dass Fahrzeuglenker das Verkehrsgeschehen weiter beobachten. Einerseits könnte bei einem entsprechenden Gefälle das eigene Fahrzeug nach vorne oder rückwärts rollen, andererseits könnte auch das vor ihnen stehende Fahrzeug zurückrollen, was eine Reaktion des Fahrzeuglenkers erforderlich machen würde. Auch das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer (insbesondere Fußgänger sowie allenfalls vom Vertrauensgrundsatz ausgenommene Personen) im unmittelbaren Nahebereich der ampelgeregelten Kreuzung ist zu beobachten. Daraus ergeben sich Informationen, die beim Weiterfahren (insbesondere im Fall eines beabsichtigten Abbiegens) für den Fahrzeuglenker jedenfalls relevant sind. Es ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß § 12 Abs. 5 StVO 1960 Lenker einspuriger Fahrzeuge unter bestimmten Umständen zwischen den bereits angehaltenen Fahrzeugen vorfahren dürfen. Von dieser Bestimmung wird – wie allgemein bekannt ist – insbesondere von Radfahrern häufig Gebrauch gemacht. Der Lenker eines bei einer roten Ampel angehaltenen Fahrzeuges hat daher auch auf solche Verkehrsteilnehmer zu achten, dies umso mehr, als Radfahrer und Lenker von E-Motorfahrrädern nur optisch, nicht aber akustisch wahrgenommen werden können. Es gibt also zahlreiche Umstände, welche es auch für den Lenker eines an einer roten Ampel angehalten Fahrzeuges erforderlich machen, das sonstige Verkehrsgeschehen aufmerksam zu beobachten, weshalb das im § 102 Abs. 3 5. Satz KFG 1967 geregelte „Handy-Verbot“ auch in dieser Situation gültig ist.
5.3. Auf der Homepage „oesterreich.gv.at“ ist zum Thema Telefonieren am Steuer unter der Überschrift „Rote Ampel“ Folgendes zu lesen:
„Solange eine Ampel auf „rot“ geschaltet ist, darf auch ohne Freisprecheinrichtung telefoniert werden und ist jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons zulässig.“ Aus der Homepage ergibt sich, dass für den Inhalt dieses Artikels das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie verantwortlich ist. Es handelt sich also um eine Auskunft einer zuständigen Behörde. Der Homepage ist weder eine Begründung für diese Rechtsansicht noch eine entsprechende Rechtsgrundlage zu entnehmen, es gibt lediglich einen Link zur gesetzlichen Bestimmung des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG.
Diese Ansicht wird vom zuständigen Mitglied des LVwG Oö. aus den oa Gründen nicht geteilt. Das Verbot der Verwendung des Mobiltelefons während des Fahrens gemäß § 102 Abs. 3 5. Satz KFG 1967 bezieht sich auch auf die kurzen Phasen der Fahrtunterbrechung an einer roten Ampel.
5.4. Die Frage, ob sich der Bf mit Erfolg auf die Auskunft der Homepage „oesterreich.gv.at“ berufen kann, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Bei der Anordnung einer Nachschulung handelt es sich um kein Strafverfahren, weshalb das Verschulden des Bf – und damit das allfällige Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes – nicht zu prüfen ist.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu II. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gegen diese Entscheidung ist die ordentliche Revision zulässig, weil zur Frage, ob das „Handy-Verbot am Steuer“ für den Kraftfahrzeuglenker auch dann gilt, wenn das Fahrzeug an einer roten Ampel steht, noch keine Judikatur des VwGH vorliegt. Dieser Frage kommt auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.
Schlagworte
Abweisung; Telefonieren am Steuer; Mobiltelefon; rote Ampel; Stillstehen der Räder; NachschulungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.652487.2.ZO.HMZuletzt aktualisiert am
24.01.2023