TE Lvwg Erkenntnis 2022/9/6 LVwG-702020/2/MZ

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Veröffentlicht am 06.09.2022
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Entscheidungsdatum

06.09.2022

Norm

SPG §81 Abs1
  1. SPG § 81 heute
  2. SPG § 81 gültig ab 15.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 55/2018
  3. SPG § 81 gültig von 01.08.2016 bis 14.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 61/2016
  4. SPG § 81 gültig von 01.04.2012 bis 31.07.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 13/2012
  5. SPG § 81 gültig von 31.12.2005 bis 31.03.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/2005
  6. SPG § 81 gültig von 01.01.2005 bis 30.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 151/2004
  7. SPG § 81 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2002
  8. SPG § 81 gültig von 01.01.2002 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001
  9. SPG § 81 gültig von 01.05.1993 bis 31.12.2001

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Zeinhofer über die Beschwerde des Dipl.-Ing. Dr. W B, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 23.06.2022, GZ: BHSE/921150002601/21, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes

zu Recht:

I.     Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.    Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.

I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land (belangte Behörde) vom 23.06.2022, GZ: BHSE/921150002601/21, wurde die beschwerdeführende Partei (bP) belangt, weil sie am x um x Uhr in x, x, beim Vorbeifahren mit dem PKW mit dem Kennzeichen X bei der Veranstaltung / Demo ihre Meinung in Form des lauten Abspielens des „Gefangenenchors von Nabucco“ kundgetan habe. Teilnehmer der Demo seien dadurch in ihrem Vorhaben bekräftigt worden und hätten applaudiert. Unbeteiligte Personen hätten ihren Unmut über das Verhalten kundgetan. Die bP habe sohin die öffentliche Ordnung iSd § 81 Abs 1 SPG gestört, weshalb über sie gemäß der genannten Bestimmung eine Geldstrafe in der Höhe von 150,- Euro, EFS 4 Tage 4 Stunden, verhängt wurde.

II. Gegen das genannte Straferkenntnis erhob die bP rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Auf das Wesentliche verkürzt bringt die bP vor, das Abspielen des Liedes sei entweder im Rahmen der Demo zulässig gewesen oder aber nicht laut genug gewesen, um die öffentliche Ordnung zu stören.

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG verzichtet werden.

c) Als für diese Entscheidung relevant wird der in Punkt I. wiedergegebene Sachverhalt als wahr unterstellt.

IV. Rechtliche Beurteilung:

a) Die einschlägige Bestimmung des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 190/2021, lautet:

„Störung der öffentlichen Ordnung

§ 81. (1) Wer durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. …“

b.1) Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört zum Wesen einer Ordnungsstörung, dass am konkreten Zustand der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschuldigten eine Änderung eingetreten ist (VwGH 26.2.1990, 89/10/0215). Soweit die behauptete Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs 1 SPG daher in einem Verhalten besteht, das (im der Entscheidung zugrundeliegendem Fall "lautes Kreischen und Schreien") zweifelsfrei ausschließlich als Lärmerregung zu qualifizieren ist, und sich demgemäß die Störung der öffentlichen Ordnung im solcherart entwickelten Lärm erschöpft, fehlt dem Bund die Kompetenz, ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen. Ein derartiges Verhalten unterfällt daher - soweit es nicht überdies zu Störungen der öffentlichen Ordnung geführt hat, die über das durch den bloßen Lärm zwangsläufig verursachte Aufsehen hinausgeht - ausschließlich den nach landespolizeilichen Vorschriften bestehenden Strafbestimmungen über ungebührliche Lärmerregung. Im konkreten Fall erschöpfte sich die der Beschuldigten zum Vorwurf gemachte Tathandlung nach dem - korrigierten - Spruch der Berufungsbehörde in dem "Anschreien" des amtshandelnden Organs. Damit unterfiel dieses Verhalten nicht der von der Behörde erster Instanz als Übertretungs- und Strafnorm herangezogenen bundesgesetzlichen Regelung des § 81 SPG, sondern wäre allenfalls nach landespolizeilichen Vorschriften zu verfolgen gewesen (vgl VwGH 15.10.2009, 2008/09/0272).

b.2) Der gegenständliche Fall gleicht dem höchstgerichtlich entschiedenen. Dass das Abspielen eines weltweit bekannten und anerkannten Musikstückes – hier des Gefangenenchors von Nabucco – in aller Regel, dh ohne Hinzutreten besonderer Sachverhaltselemente im Einzelfall, nicht geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung. Daran ändert auch nichts, ob das Musikstück während oder im Nahbereich einer Demonstration abgespielt wird. Es ist zudem nicht ersichtlich und wurde bislang auch von keiner Seite behauptet, dass der im Musikstück gesungene Text in irgendeiner Art und Weise anstößig oä wäre. Der Tatvorwurf hätte daher allenfalls Lärmerregung nach den landesgesetzlichen Vorschriften sein müssen, weshalb der Beschwerde stattzugeben und das Straferkenntnis zu beheben ist.

b.3) Zur Verdeutlichung sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Landesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass gespielte Musik, unabhängig von ihrer Lautstärke, aufgrund ihres Inhaltes dem Tatbestand des § 81 Abs 1 SPG zu unterfallen vermag. Der Spruch eines Straferkenntnisses wird jedoch entsprechende Elemente beinhalten müssen.

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da die Entscheidung der zitierten, soweit ersichtlich einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht und sohin eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt.

Für die beschwerdeführende Partei ist nach der Bestimmung des § 25a Abs. 4 VwGG keine Revision zulässig. Nach dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache – wie gegenständlich – eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte sowie im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Schlagworte

Stattgabe; Ordnungsstörung; Musikstück; Gefangenenchor von Nabucco; Demonstration

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.702020.2.MZ

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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