TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/15 95/21/0278

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.1995
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. August 1994, Zl. 101.538/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 5. August 1994 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) die Anträge des Beschwerdeführers vom 26. Februar und 4. August 1993 auf Erteilung eines Sichtvermerkes (der mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 als ein nach diesem Gesetz gestellter Antrag auf Aufenthaltsbewilligung anzusehen ist) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß § 5 des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 2 dieses Gesetzes liege ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder über eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung verfüge. Der Beschwerdeführer, der zuletzt einen bis zum 30. Oktober 1992 befristet gewesenen Sichtvermerk besessen und erst am 26. Februar 1993 bei der Bundespolizeidirektion Wien einen (neuerlichen) Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt habe, habe weder zu diesem Zeitpunkt noch zum Zeitpunkt der Stellung seines neuerlichen Antrages am 4. August 1993 die vom Gesetz geforderte Krankenversicherung nachzuweisen vermocht. Die öffentlichen Interessen an der Versagung der Aufenthaltsbewilligung überwögen die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Erteilung der gewünschten Aufenthaltsgenehmigung.

Mit der vorliegenden Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens erwogen:

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behöre (anders als die Behörde erster Instanz) erstmals als Grund für die Versagung der begehrten Aufenthaltsbewilligung den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG herangezogen hat. Dem Beschwerdeführer sei keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu diesem Abweisungsgrund eingeräumt worden. Dadurch habe die belangte Behörde den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Bei pflichtgemäßem Vorgehen hätte der Beschwerdeführer vorbringen und nachweisen können, daß er entgegen der Annahme der belangten Behörde über eine aufrechte Krankenversicherung verfüge und bei der Wiener Gebietskrankenkasse zu der in der Beschwerde angeführten Sozialversicherungsnummer gemeldet sei.

Während somit die belangte Behörde als Grund für ihre abweisliche Entscheidung ausschließlich den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. heranzog, stützte sich der in erster Instanz (gemäß § 7 Abs. 7 FrG) zuständig gewesene Landeshauptmann von Wien bei seiner den (am 4. August 1993 wiederholten) Antrag auf Bewilligung nach dem AufG abweisenden Entscheidung auf die auch im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, daß die Gültigkeitsdauer des dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Sichtvermerkes am 30. Oktober 1992 abgelaufen sei und er sich seither ohne entsprechende Bewilligung im Bundesgebiet aufhalte, sowie auf § 6 Abs. 2 AufG, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung VOR DER EINREISE vom Ausland aus zu stellen sei. Der vom Beschwerdeführer vom Inland aus gestellte Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung sei danach unzulässig.

Soweit der Beschwerdeführer nun die Unterlassung des auch im Berufungsverfahren grundsätzlich gebotenen Parteiengehörs rügt, ist er im Recht. Eine Beschränkung der vollen Abänderungsbefugnis der Berufungsbehörde (§ 66 Abs. 4 AVG) besteht zwar nur insofern, als "Sache" (im Sinn dieser Gesetzesbestimmung), in welcher die Rechtsmittelentscheidung zu ergehen hat, der Gegenstand des vorinstanzlichen Bescheides ist. Da Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides die "Versagung der beantragten Aufenthaltsbewilligung" war, hat sie sich im Rahmen des hier nach § 66 Abs. 4 AVG zustehenden Abänderungsrechtes bewegt, ohne den Verfahrensgegenstand auszutauschen. Die Berufungsbehörde war somit berechtigt, auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Wenn aber die Berufungsbehörde Sachverhaltselemente in ihre rechtliche Würdigung einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren, ist das Parteiengehör zu gewähren. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die belangte Behörde bei Gewährung des Parteiengehörs die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über eine aufrechte Krankenversicherung verfügt, zu prüfen gehabt hätte. Da aber auch bei Vorliegen des angesprochenen Verfahrensmangels eine Aufhebung der Entscheidung nicht jedenfalls zu erfolgen hat, sondern vielmehr auch bei einer stattgefundenen Verletzung dieser Verfahrensvorschrift sich diese auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt haben muß, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Der Verfahrensrüge mangelt nämlich aus nachstehend angeführten Erwägungen die Relevanz:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die Gültigkeitsdauer des ihm zuletzt erteilten Sichtvermerkes am 30. Oktober 1992 abgelaufen ist und er sich seither ohne eine entsprechende Bewilligung im Bundesgebiet aufhalte. Entgegen der schon in der Berufung im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Auffassung des Beschwerdeführers änderte seine Antragstellung auf Erteilung eines Sichtvermerkes (einer Aufenthaltsbewilligung) am 26. Februar 1993 bzw. am 4. August 1993 nichts am unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zum maßgeblichen Zeitpunkt 1. Juli 1993 (Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes - AufG, BGBl. Nr. 466/1992), weil die bloße Stellung eines Antrages nicht die für eine Anwendbarkeit des § 13 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz erforderliche Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verschaffen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0983 u.a.). § 13 Abs. 1 leg. cit. stellt auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes ab. Mangels Anwendbarkeit der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften im Grunde des § 13 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz wäre der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz Aufenthaltsgesetz (idF vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen gewesen. Da diesem Erfordernis nicht entsprochen wurde, ist die Abweisung des Antrages (im Ergebnis schon zutreffend die Behörde erster Instanz) nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dem allfälligen Schutz des Privatlebens des Beschwerdeführers wird durch die im Falle einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz nach § 19 leg. cit. gebotene Abwägungsverpflichtung Rechnung getragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/18/0768).

Selbst auf dem Boden des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Zl. B 1611-1614/94-24, führte eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 MRK nicht zu einer analogen Anwendung des zweiten Satzes des § 6 Abs. 2 leg. cit. Nach seinen eigenen Angaben anläßlich der niederschriftlichen Befragung vom 23. Juli 1993 vor der Bundespolizeidirektion Wien (AS 23) sei der Beschwerdeführer im November 1991 als Tourist ins Bundesgebiet eingereist. Er habe dann seinen Aufenthalt als Tourist verlängert und in weiterer Folge eine "Beschäftigung als Zettelverteiler bzw. Aufsteller von SB-Geräten" ausgeführt. Seit etwa Anfang 1993 sei er bei der Firma K GesmbH als Marktfahrer tätig, an welcher Gesellschaft er mit 50 % beteiligt sei. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten; im Bundesgebiet hielten sich auch keine Familienangehörige auf. Wenn die belangte Behörde ausgehend von diesen, nicht sehr intensiven Beziehungen zum Bundesgebiet bei der von ihr vorgenommenen, wenn auch knapp begründeten, Interessenabwägung zum Ergebnis kam, daß die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zurückzustehen hätten, so kann diese Auffassung nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210278.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten