Index
10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VGLeitsatz
Auswertung in ArbeitSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist ein aus dem palästinensischen Autonomiegebiet des Gazastreifens (im Folgenden: Gaza) stammender staatenloser Palästinenser und Angehöriger der Volksgruppe der Drusen, der der muslimischen Glaubensgemeinschaft angehört. Er ist beim Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East – UNRWA) als palästinensischer Flüchtling in Gaza registriert. Nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte er am 15. Juni 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Gaza zulässig sei und setzte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise. Die Zustellung wurde durch Hinterlegung im Akt verfügt. Ausgehändigt wurde der Bescheid dem Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28. Jänner 2021.
3. Am 2. Jänner 2021 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Zustellung sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob zugleich Beschwerde gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2020.
4. Mit Bescheid vom 24. Februar 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde vom 9. März 2021 hob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom 24. Februar 2021 mit Erkenntnis vom 23. April 2021 ersatzlos auf, weil die Beschwerdefrist zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages auf Wiedereinsetzung noch nicht abgelaufen gewesen sei.
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 5. Oktober 2022 sprach das Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2022 – über die Beschwerde vom 2. Jänner 2021 ab und wies den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Gaza zulässig sei und setzte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise.
Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit 12. Juni 2019 über eine Registrierung als palästinensischer Flüchtling bei UNRWA verfüge, weshalb Art1 Abschnitt D GFK auf seinen Fall anzuwenden sei. Dies ziehe nach §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 und Art12 Abs1 lita Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Status-RL), ABl. 2011 L 337, 9, den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling nach sich, solange der Schutz gemäß Art1 Abschnitt D GFK bestehe. Nach Art12 Abs1 lita Status-RL genieße der Beschwerdeführer jedoch "ipso facto" den Schutz der Richtlinie, wenn der Schutz oder Beistand gemäß Art1 Abschnitt D GFK aus irgendeinem Grund wegfalle. Im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sei zu prüfen, ob der Betroffene durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gezwungen war, das UNRWA-Einsatzgebiet zu verlassen.
Im Falle des Beschwerdeführers sei eine solche Zwangslage nicht zu erkennen, weil die vom Beschwerdeführer behauptete Gefährdung durch die Al-Qassam-Brigaden, eine Verfolgung durch seinen Onkel oder eine andere Gruppierung nicht glaubhaft sei. Anderweitige außerhalb des Einflussbereiches des Beschwerdeführers liegende Gründe für die Unmöglichkeit einer Inanspruchnahme des Beistands von UNRWA seien weder substantiiert behauptet worden noch seien sie von Amts wegen festzustellen gewesen, zumal auch die länderkundlichen Informationen zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht aufzeigen würden, dass eine Ausreise dorthin grundsätzlich unmöglich wäre oder die UNRWA dort ihre Aktivitäten eingestellt hätte. Schließlich seien auch keine stichhaltigen Hinweise darauf hervorgekommen, dass die UNRWA ihre Aufgaben in Gaza wegen eines aktuellen innerstaatlichen, bewaffneten Konflikts nicht mehr ausreichend wahrnehmen könne oder aus sonstigen Gründen nicht mehr vor Ort agieren würde. Insgesamt habe der Beschwerdeführer sich daher freiwillig dem Schutz von UNRWA entzogen, sodass eine Zuerkennung von Asyl gemäß §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 nicht in Betracht komme.
Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter nach §8 Abs1 AsylG 2005 erfülle der Beschwerdeführer nicht. Stichhaltige Hinweise auf dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr drohende Folter, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung oder Strafe hätten sich nicht ergeben. Er sei in der Lage, seine Existenz selbst zu sichern, weil er über eine Ausbildung sowie jahrelange Berufserfahrung als Programmierer verfüge, in Gaza im Besitz eines Hauses sei, zusätzlich allenfalls durch seine dort lebende Familie unterstützt werden könne und darüber hinaus die Möglichkeit habe, das Hilfsprogramm von UNRWA in Anspruch zu nehmen. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und die bei ihm festgestellten Krankheiten ließen keine außergewöhnlichen Umstände erkennen, die den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr einem realen Risiko der Verletzung von Art3 EMRK aussetzen würden. Die Lage in Gaza sei zwar weiterhin seit den Zusammenstößen zwischen Israel und der Hamas im Mai 2021 angespannt, es habe allerdings keine Eskalationen des Konfliktes gegeben. Aus diesem Grund sei nicht jeder dort Lebende mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Verletzung seiner Rechte nach Art2 und 3 EMRK ausgesetzt.
6. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt werden.
7. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen und auf die Begründung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
3.1. UNRWA ist eine Organisation der Vereinten Nationen im Sinne des Art1 Abschnitt D GFK, auf den sowohl Art12 Abs1 lita Status-RL als auch §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtsstellung von Asylwerbern, die unter dem Schutz oder Beistand von UNRWA stehen, unterscheidet sich von jener anderer Asylwerber (VfSlg 19.777/2013; VfGH 24.9.2018, E761/2018 ua mwN):
Gemäß §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 (in Umsetzung des Art12 Abs1 lita erster Satz Status-RL und dieser wiederum in Entsprechung des Art1 Abschnitt D erster Satz GFK) sind diese Personen von der Anerkennung als Flüchtling zunächst ausgeschlossen. Sie genießen aber – nach der in diesem Punkt im innerstaatlichen Recht nicht umgesetzten und sohin unmittelbar anwendbaren Bestimmung des zweiten Satzes des Art12 Abs1 lita Status-RL – dann "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw der GFK, wenn der Schutz oder Beistand von UNRWA "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird. Dieser "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung, als für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft zu machen ist, sondern nur, dass sie erstens unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind und zweitens, dass dieser Beistand aus "irgendeinem Grund" weggefallen ist. Die erste Voraussetzung ist mit der Vorlage einer UNRWA-Registrierungskarte erfüllt (EuGH 17.6.2010, Rs C-31/09, Bolbol, Rz 52). Die zweite Voraussetzung erfordert eine Prüfung, "ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012 [GK], Rs C-364/11, El Kott, Rz 61). Ein Zwang zum Verlassen des Einsatzgebietes einer Organisation im Sinne des Art12 Abs1 lita zweiter Satz Status-RL liegt nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union dann vor, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA unmöglich ist, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der Aufgabe des UNRWA im Einklang stehen (EuGH, El Kott, Rz 65; vgl auch EuGH 25.7.2018, Rs C-585/16, Alheto, Rz 86). Bei dieser Beurteilung ist nach der weiteren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union auch festzustellen, ob der Betroffene derzeit daran gehindert ist, Schutz oder Beistand des UNRWA zu erhalten, weil sich mutmaßlich die Lage im betreffenden Einsatzgebiet aus nicht von ihm zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen verschlechtert hat (EuGH 3.3.2022, Rs C-349/20, NB und AB, Rz 57). Zur Feststellung, ob der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, sind im Rahmen einer individuellen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände des fraglichen Sachverhaltes alle Operationsgebiete des Einsatzgebietes des UNRWA zu berücksichtigen, in deren Gebiete ein Staatenloser palästinensischer Herkunft, der dieses Einsatzgebiet verlassen hat, eine konkrete Möglichkeit hat, einzureisen und sich dort in Sicherheit aufzuhalten (EuGH 13.1.2021, Rs C-507/19, Bundesrepublik Deutschland, Rz 67). Für die Feststellung, ob der Schutz oder Beistand des UNRWA nicht länger gewährt wird, sodass eine Person "ipso facto" die "Anerkennung als Flüchtling" im Sinne dieser Bestimmung beanspruchen kann, sind im Rahmen einer individuellen Beurteilung die relevanten Umstände nicht nur zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Person das UNRWA-Einsatzgebiet verlassen hat, sondern auch zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem die zuständigen Verwaltungsbehörden einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft prüfen oder die zuständigen Gerichte über den Rechtsbehelf gegen eine die Anerkennung als Flüchtling versagende Entscheidung erkennen (EuGH, NB und AB, Rz 58).
3.2. Wie vom Bundesverwaltungsgericht festgehalten, verwies der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf die Position von UNHCR zur Rückkehr nach Gaza. In diesem zuletzt im März 2022 erneuerten Dokument mit dem Titel "UNHCR Position on Returns to Gaza" findet sich unter Berufung auf die Volatilität der Situation in Gaza die Aufforderung, Palästinenser – auch wenn sie über eine UNRWA-Registrierung verfügen – nicht zwangsweise zurückzuführen. Diese Position findet sich in der aktuellen Version des Länderinformationsblattes (Stand: 31. Mai 2022) wiedergegeben. Auf Letzteres nahm das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung Bezug und erhebt es hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat im Erkenntnis zu seinen Feststellungen. Allerdings zeigen die weiteren Ausführungen, dass die Position von UNHCR in den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes keine Berücksichtigung fand, auch wenn sie als Teil des Länderinformationsblattes (in zusammengefasster Form) in den Feststellungen abgedruckt ist und der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen darauf verwies. Das ergibt sich schon aus dem Hinweis, der sich den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat vorangestellt im Erkenntnis (und in vergleichbarer Form auch im Verhandlungsprotokoll) findet:
"Hinsichtlich der Situation in Palästina hat sich seit den Länderfeststellungen im Bescheid (10.12.2020) nichts Wesentliches geändert."
Dem Bescheid lag jedoch die Vorgängerversion des Länderinformationsblattes (Stand: 29. April 2020) zu Grunde, welches die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Position von UNHCR nicht berücksichtigte, obwohl UNHCR sich schon 2015 und 2018 gegen die zwangsweise Rückkehr aussprach (vgl VfGH 14.6.2022, E761/2022; 20.9.2022, E4601/2021). Die unzureichende Bedachtnahme auf die Position des UNHCR im vorliegenden Fall geht auch daraus hervor, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei der rechtlichen Beurteilung weder mit dieser Position noch mit anderen Inhalten des Länderinformationsblattes, insbesondere betreffend die andauernde Unterfinanzierung von UNRWA sowie dessen Schwierigkeiten, Hilfe zu leisten, substantiiert auseinandersetzt. Vielmehr kommt es – unter Rückgriff auf eine Standardformulierung, die der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach beanstandet hat (vgl VfGH 22.9.2017, E1965/2017; 26.11.2018, E2067/2017) – zum Ergebnis, dass sich nicht gezeigt habe, dass "eine Ausreise dorthin grundsätzlich unmöglich wäre oder die UNRWA ihre Aktivitäten eingestellt hätte". Die für die Eigenschaft als Flüchtling im Sinne des Art1 Abschnitt D GFK relevante (Un-)Möglichkeit der Rückkehr hat das Bundesverwaltungsgericht somit nicht hinreichend ermittelt. Diese unzureichende Auseinandersetzung mit der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat vermag auch die Berücksichtigung von individuellen Umständen einer allfälligen Rückkehr des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht zu kompensieren.
3.3. Indem das Bundesverwaltungsgericht die Position von UNHCR nicht berücksichtigt und undifferenziert davon ausgeht, dass sich seit den Länderfeststellungen im Bescheid nichts geändert hat, hat es seine Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen und sein Erkenntnis daher mit Willkür belastet (vgl VfGH 14.6.2022, E761/2022; 20.9.2022, E4601/2021).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
4. Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E3069.2022Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023