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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M F in W, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31. Jänner 2022, W241 2238881-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Oktober 2020 wurde dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen der Republik Kosovo, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung sowie ein unbefristetes Einreiseverbot gegen ihn erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung - ohne Bezeichnung von deren Zielstaat im Spruch des Bescheids - festgestellt. Unter einem wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt.
2 Dagegen führte der Revisionswerber Beschwerde.
Mit Beschluss vom 28. Jänner 2021 erkannte das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter Berufung auf § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) zu.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit der Maßgabe ab, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo festgestellt, das Einreiseverbot mit acht Jahren befristet und eine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde. Eine Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 31.8.2022, Ra 2022/17/0116, mwN).
Soweit die Revision zur Darlegung ihrer Zulässigkeit darauf verweist, dass das BVwG keine Feststellungen zur Lage im Kosovo getroffen habe, wird sie dieser Anforderung nicht gerecht. Denn es wird bloß allgemein behauptet, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass das BVwG bei Vermeidung des gerügten Verfahrensmangels zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, ohne auszuführen, welche entscheidungserheblichen Feststellungen bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels hätten getroffen werden müssen.
8 Ferner begründet die Revision ihre Zulässigkeit damit, dass es das BVwG - trotz darauf gerichteter Beweisanträge in der Beschwerdeschrift - unterlassen habe, die Mutter und die (nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zwischenzeitlich ehemalige) Partnerin des Revisionswerbers als Zeuginnen einzuvernehmen.
Selbst bei Zugrundelegung der in der Zulässigkeitsbegründung aufgestellten Behauptung, dass das BVwG auf Grund der Ergebnisse dieser zeugenschaftlichen Einvernahmen die finanzielle Unterstützung des Revisionswerbers durch dessen Eltern sowie dessen Bindungen zu seiner Partnerin zu berücksichtigen gehabt hätte, wird damit keine Fehlbeurteilung in der nach § 9 BFA-VG und Art. 8 EMRK anzustellenden Interessenabwägung und damit keine Relevanz des gerügten Verfahrensmangels dargelegt. Denn die beim Revisionswerber vorliegende Suchtgiftdelinquenz stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hingewiesen, der Drogenhandel als Plage [„scourge“] bezeichnet und daher ein hartes Vorgehen nationaler Behörden dagegen billigt (vgl. VwGH 6.5.2021, Ra 2021/01/0377, sowie 26.5.2021, Ra 2021/01/0159, mit Verweis auf EGMR 15.10.2020, Akbay u.a./Deutschland, 40495/15, Z 110).
Im Übrigen wird in der Darlegung der Zulässigkeit der Revision auch nicht behauptet, dass der Revisionswerber nicht auch im Ausland von seinen Angehörigen finanziell unterstützt sowie von diesen dort besucht werden könnte.
9 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 29.9.2022, Ra 2022/17/0166 bis 0168, mwN).
Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern in der Regel zu bejahenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 30.9.2022, Ra 2022/20/0240, mwN).
Das BVwG berücksichtigte, dass der Revisionswerber nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bei seinen Eltern Unterkunft nahm. Es verneinte das Vorliegen eines Familienlebens auch mit Blick auf die als Folge von Strafvollzug wiederholten Trennungen des Revisionswerbers von seinen Angehörigen. Mit seinem dagegen gerichteten Vorbringen und der Rüge, die Interessenabwägung des BVwG sei insgesamt rechtswidrig erfolgt, zeigt der Revisionswerber fallbezogen die Zulässigkeit der Revision nicht auf, zumal das BVwG neben Integrationsleistungen des Revisionswerbers auch deutlich für die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots sprechende Umstände wie insbesondere seine mehrfache strafrechtliche Delinquenz einschließlich der wiederholten Begehung gravierender Suchtmitteldelikte zu berücksichtigen hatte (vgl. erneut VwGH 6.5.2021, Ra 2021/01/0377, sowie 22.2.2021, Ra 2021/21/0013, jeweils mwN zur Berücksichtigung der mit gravierender Suchtgiftkriminalität verbundenen besonderen Gefährlichkeit).
10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. November 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170163.L00Im RIS seit
24.01.2023Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023