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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der B A in I, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meinhardstraße 6/III, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 11. Jänner 2022, LVwG 99.36-3645/2021-2, betreffend Verweigerung der Verfahrenshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) vom 7. Juli 2021 wurde der Revisionswerberin wegen des Bezugs von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld die Verpflichtung auferlegt, Leistungen aus der Grundversorgung zurückzuerstatten.
2 Dagegen führte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 12. August 2021 Beschwerde.
Unter einem begehrte sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung dieser Beschwerde.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16. November 2021 wies die Landesregierung die Beschwerde als verspätet zurück.
Mit Bescheid vom 23. November 2021 wies die Landesregierung den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab.
4 Mit Schriftsatz vom 26. November 2021 stellte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gegen die Beschwerdevorentscheidung.
5 Mit Schreiben vom 20. Dezember 2021 begehrte die Revisionswerberin beim Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Landesregierung vom 23. November 2021 über die Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dabei beantragte sie nicht die Bestellung eines Verfahrenshelfers, sondern ausdrücklich nur die Gewährung anderer Begünstigungen der Verfahrenshilfe (einstweilig Befreiung von näher genannten Gebühren und Kosten).
Mit weiterem Schreiben vom 20. Dezember 2021 begehrte die Revisionswerberin beim Verwaltungsgericht ferner die Gewährung von Verfahrenshilfe im Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid der Landesregierung vom 7. Juli 2021 betreffend ihre Verpflichtung zur Rückerstattung von Leistungen aus der Grundversorgung.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Verfahren betreffend den Bescheid der Landesregierung vom 23. November 2021 über die Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Es führte dazu Gegründend aus, dass keine rechtliche oder tatsächliche Komplexität der Rechtssache vorliege, sodass Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht gebieten würden, weshalb der Antrag nach § 8a VwGVG abzuweisen sei.
Mit gesondertem Beschluss vom 11. Jänner 2022 wies das Verwaltungsgericht auch den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe „im Verfahren hinsichtlich der Beschwerdevorentscheidung“ ab.
7 Die vorliegende Revision richtet sich ausschließlich gegen den erstgenannten Beschluss.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es die Begründungspflicht verletzt habe. Es habe im angefochtenen Beschluss zwar ausgeführt, dass keine „rechtliche oder tatsächliche Komplexität“ der Rechtssache vorliege, sodass Art. 6 EMRK wie Art. 47 GRC die Gewährung der Verfahrenshilfe nicht gebieten würden und das darauf gerichtete Begehren gemäß § 8a VwGVG abzuweisen wäre. Das Verwaltungsgericht habe jedoch die Subsumtion des relevanten Sachverhalts unter die zitierten Gesetzesbestimmungen unterlassen.
12 Die Revisionswerberin zeigt damit freilich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 23. November 2021 über die Verweigerung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht auf die Bestellung eines Verfahrenshelfers, sondern nur auf die Gewährung anderer Begünstigungen der Verfahrenshilfe gerichtet. Daher konnte dieser Antrag die Frist zur Erhebung einer Beschwerde nicht unterbrechen (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage betreffend die Revisionsfrist VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0308), sodass der Bescheid der Landesregierung vom 23. November 2021 unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, inwiefern der Revisionswerberin durch eine Bekämpfung der Verweigerung der Wiedereinsetzung noch Aufwendungen (Gebühren und Kosten) entstehen könnten, in Ansehung derer sie die einstweilige Befreiung im Rahmen der Verfahrenshilfe beantragt hat. Auch eine Befreiung von der Gebührenpflicht für den Antrag auf Wiedereinsetzung kommt nicht mehr in Betracht, zumal die Gebührenpflicht mit der Antragstellung entstanden ist, die Bewilligung der Verfahrenshilfe aber erst nachträglich begehrt wurde (vgl. VwGH 21.11.2013, 2011/16/0132, sowie 12.2.2021, Ra 2019/13/0107, wonach die Begünstigungen der Verfahrenshilfe erst mit dem Tag eintreten, an dem diese beantragt wurde).
13 Zudem scheint die Revisionswerberin davon auszugehen, dass ihr - da sie lediglich andere Begünstigungen der Verfahrenshilfe, nicht aber die Beigabe eines Rechtsanwalts begehrte - schon wegen ihrer Mittellosigkeit, unabhängig vom Gegenstand der Rechtssache, Verfahrenshilfe zuzuerkennen gewesen wäre (vgl. jedoch VwGH 9.6.2022, Ra 2022/03/0084, 0152, mwN, wonach selbst im Strafverfahren für die Gewährung der Verfahrenshilfe stets die Interessen der Rechtspflege sowie einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung maßgeblich sind und die bloße Mittellosigkeit des Verfahrenshilfewerbers allein die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht zu rechtfertigen vermag).
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. November 2022
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170027.L00Im RIS seit
24.01.2023Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023