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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BAO §167 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Tirol Ost in 6333 Kufstein, Oskar Pirlo-Straße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. Jänner 2021, Zl. RV/31001001/2014, betreffend Körperschaftsteuer 2011 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2011 (mitbeteiligte Partei: L GmbH in D, vertreten durch die Zinell & Madritsch Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 9900 Lienz, Osttirol, Fanny-Wibmer-Pedit-Straße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Bei der mitbeteiligten Partei, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte unter anderem fest, ein Gesellschafter der mitbeteiligten Partei habe mit Kaufvertrag vom 20. Juni 1997 zwei aneinandergrenzende Liegenschaften im Ausmaß von insgesamt 7.363 m² um 2,298.900 S (167.067,58 €) erworben und der mitbeteiligten Partei - nach erfolgter Zusammenlegung der Liegenschaften - ein Baurecht an der Gesamtliegenschaft auf zehn Jahre eingeräumt (Vertrag vom 8. August 1997). Die mitbeteiligte Partei habe auf der Liegenschaft im Jahr 1997 ein Betriebsgebäude um 425.000 € und im Jahr 2003 eine Lagerhalle um 19.000 € errichtet. Für die Erweiterung des Betriebsgebäudes im Jahr 2005 seien der mitbeteiligten Partei weitere Aufwendungen von 243.000 € erwachsen. Mit Nachtrag zum Baurechtsvertrag vom 17. Dezember 2007 sei das Baurecht bis zum 31. Dezember 2017 verlängert worden und mit Kaufvertrag vom 18. August 2011 habe die mitbeteiligte Partei die Liegenschaft um 900.000 € erworben. Dies entspreche einem Kaufpreis von rund 122 € pro m², der weit über dem ortsüblich erzielbaren Preis von 45 bis 55 € liege. Die Differenz zwischen dem ortsüblichen Kaufpreis von 381.800 € (7.636 m² zu 50 €/m²) und dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis von 900.000 € stelle eine verdeckte Ausschüttung an den Gesellschafter dar.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer, erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen entsprechender Körperschaftsteuerbescheid 2011 und zog die mitbeteiligte Partei zur Haftung für Kapitalertragsteuer heran.
3 Einer Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin die mitbeteiligte Partei die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt. Zur Begründung führte es nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, der Verwaltungsgerichtshof habe in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem eine ein Hotel betreibende GmbH, von ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine zu der Hotelliegenschaft benachbarte Liegenschaft zu einem Preis erworben habe, der weit über dem ortsüblichem Preis gelegen sei, die Auffassung vertreten, bei Durchführung eines für die Beurteilung der Frage einer allfälligen verdeckten Ausschüttung anzustellenden Fremdvergleiches sei nicht darauf abzustellen, ob - aus der Sicht des Verkäufers - ein „fremder“ Dritter die Liegenschaften um den gleichen Preis vom Gesellschafter gekauft hätte, sondern - aus der Sicht der Gesellschaft - darauf, ob sie die Liegenschaft, wenn sie im Eigentum eines fremden Dritten und nicht des Gesellschafters gestanden wäre, allein aus betrieblichen Gründen um annähernd den gleichen Preis gekauft hätte (Hinweis auf VwGH 27.7.1999, 94/14/0018).
5 Die mitbeteiligte Partei habe bereits im Rahmen der Außenprüfung auf den vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Standpunkt hingewiesen und Gründe für die Höhe des gegenständlich gezahlten Kaufpreises ins Treffen geführt. Demnach habe sie über „überschüssige“ liquide Mittel verfügt, die mit nur 0,125% verzinst worden seien. Durch die geringe Verzinsung und den damit einhergehenden (inflationsbedingten) Wertverlust sei eine Umschichtung von Bargeld in Liegenschaften geboten gewesen. Die mitbeteiligte Partei habe sich durch den Kauf der Liegenschaft zudem den jährlichen Baurechtszins erspart. Der Grundstückskauf sei nicht nur aus Sicht von Rendite und Anlageklasse vorteilhaft gewesen, sondern vor allem deshalb, weil die mitbeteiligte Partei nicht irgendein Grundstück erworben habe, sondern jenes, auf dem sich alle ihre Betriebsgebäude samt den Einrichtungen und Maschinen befänden. Die Erlangung der Eigentümerstellung habe im Vergleich zum bisherigen Baurecht eine wesentlich höhere und zeitlich unbefristete Rechtsposition bewirkt.
6 Auch das Bundesfinanzgericht vertrete den Standpunkt, dass im Revisionsfall nicht der gemeine Wert als „Referenzgröße“ für die Prüfung der Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege, heranzuziehen, sondern ausschließlich zu prüfen sei, ob die Mitbeteiligte das Grundstück allein aus betrieblichen Gründen um annähernd den gleichen Preis gekauft hätte, wenn dieses im Eigentum eines fremden Dritten gestanden wäre, bzw., ob konkrete betriebliche Gründe vorlägen, die einen höheren vom ortsüblichen Preis abweichenden Preis rechtfertigen könnten.
7 In diesem Zusammenhang werde auf die von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführten Gründe sowie darauf verwiesen, dass die in räumlicher Nähe zur mitbeteiligten Partei angesiedelte X GmbH im Jahr 2012 ein unbebautes Grundstück um einen Quadratmeterpreis von 153 € von einem Privaten gekauft und gegen ein an ihre Betriebsliegenschaft angrenzendes Grundstück eingetauscht habe, obwohl der ortsübliche Quadratmeterpreis nur 95 bis 110 € betragen habe. Die X GmbH wäre bereit gewesen, jeden Preis zu bezahlen, weil sie dringend Erweiterungsflächen für ihren Betrieb benötigt habe. Daran sei erkennbar, dass ein Unternehmer, der die Chance habe, ein im Umfeld seiner Betriebsliegenschaft liegendes Grundstück zu erwerben, durchaus bereit sei, einen um 50% über dem ortsüblichen Preis (95 bis 110 €/m²) gelegenen Preis in Höhe von 153 € zu bezahlen, wenn er Erweiterungsflächen für den Betrieb benötige.
8 Im Revisionsfall sei vor allem zu berücksichtigen, dass die mitbeteiligte Partei mit dem Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft die einmalige Chance erlangt habe, Eigentum an dem Grundstück zu erwerben, auf dem sie aufgrund eines eingeräumten Baurechts ihre Betriebsgebäude errichtet habe. Dies stelle schon aufgrund der Tatsache, dass sie nach Ablauf des Baurechtsvertrages ihre Betriebsgebäude verloren hätte, einen gewichtigen betrieblichen Grund für den Erwerb des Grundstücks dar. Auch wenn die Mitbeteiligte nach Ablauf des Baurechtsvertrages Anspruch auf eine Ablöse für das Betriebsgebäude gehabt hätte, sei zu berücksichtigen, dass sie gezwungen wäre, ein neues Grundstück zu erwerben, wobei nicht absehbar wäre, wann bzw. ob sie ein Grundstück in der benötigten Größenordnung finden würde, das hinsichtlich der Lage und Verkehrsanbindung (annähernd) vergleichbar sei. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der potentielle Verkäufer eines geeigneten unbebauten Grundstückes von der Notsituation der mitbeteiligten Partei Kenntnis erlangen und einen Kaufpreis verlangen würde, der weit über dem ortsüblichen liege. Der Betrieb der mitbeteiligen Partei könnte im Falle einer allfälligen Verlegung auch an Attraktivität verlieren, weil sich beispielsweise die Anfahrtszeiten der Mitarbeiter verlängerten. Sollte die mitbeteiligte Partei überhaupt ein taugliches Ersatzgrundstück finden, wäre sie gezwungen ein neues Betriebsgebäude zu errichten. In der Bauphase müsste sie einerseits die Kosten für zwei Betriebsliegenschaften tragen. Andererseits hätte die Suche nach einem neuen Grundstück, die Baureifmachung des neuen Grundstücks, die Planung samt notwendiger Genehmigungsverfahren des zu errichtenden Betriebsgebäudes usw. sowohl einen erheblichen zeitlichen als auch finanziellen Aufwand zur Folge.
9 Ein weiterer gewichtiger Grund, der bei der Preisermittlung zu berücksichtigen sei, sei der Umstand, dass sich die mitbeteiligte Partei durch den Kauf der Liegenschaft die Bezahlung des jährlichen Baurechtszinses erspart habe. Die Ersparnis belaufe sich unter Berücksichtigung einer Baurechtsdauer von weiteren 20 Jahren und einem indexierten angemessenen jährlichen Zins von 15.200 € auf rund 304.000 €.
10 Hinzu kämen die weiteren ins Treffen geführten Umstände, wonach die mitbeteiligte Partei über „überschüssige“ liquide Mittel verfügt habe, die lediglich mit 0,125% verzinst worden seien und eine Umschichtung von Bargeld in Liegenschaften aufgrund der Eurokrise und der vorliegenden Anlageempfehlungen objektiv geboten gewesen sei.
11 Aus all diesen betrieblichen Gründen für den Erwerb des Grundstückes, sei ableitbar, dass die mitbeteiligte Partei das Grundstück auch von einem fremden Dritten um einen über dem gemeinen Wert liegenden Preis gekauft hätte.
12 Lege man den vom Prüfer festgestellten ortsüblichen Kaufpreis von 50 € pro Quadratmeter zugrunde und erhöhe diesen Kaufpreis - wegen der besonderen Interessenslage der mitbeteiligten Partei - um 50 %, ergebe sich ein Quadratmeterpreis von 75 €. Daraus errechne sich für das gegenständliche Grundstück ein Kaufpreis von 572.700 € (7.636 m² x 75 €). Rechne man dem Betrag die Ersparnis aus dem wegfallenden Baurechtszins von 304.000 € hinzu, ergebe sich ein Betrag in Höhe von 877.000 €, der bereits nahe an dem von der Mitbeteiligten bezahlten Kaufpreis von 900.000 € liege.
13 Die Unsicherheit, in Bezug auf den Erwerb eines Ersatzgrundstückes für die Errichtung neuer Betriebsgebäude und die damit einhergehenden Kosten seien bei dieser Berechnung noch nicht berücksichtigt. Zu berücksichtigen sei auch, dass die mitbeteiligte Partei beim Kauf eines Ersatzgrundstückes nach Ablauf des Baurechtsvertrages einen weit höheren Kaufpreis für ein passendes Grundstück hätte bezahlen müssen. Dazu werde ergänzend auf den Verkauf eines 7.941 m² großen Grundstückes hingewiesen, das im Jahr 2018 um 153 € pro Quadratmeter verkauft worden sei. Das Grundstück sei nur 2,6 Kilometer von jenem der mitbeteiligte Partei entfernt. Auch diese Transaktion zeige, dass die mitbeteiligte Partei bei Kauf eines Ersatzgrundstückes in ähnlicher Lage (nach Ablauf des Baurechtes) unter Umständen einen weit höheren Preis hätte bezahlen müssen, als jenen den sie an ihren Gesellschafter bezahlt habe.
14 Aufgrund der angeführten Erwägungen gelange das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung, dass die mitbeteiligte Partei den Kaufpreis auch einem fremden dritten Grundstückseigentümer bezahlt hätte.
15 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision des Finanzamts bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, die Beweiswürdigung sei nicht schlüssig, weil das Bundesfinanzgericht - unter Verweis auf eine vermeintlich vergleichbare Liegenschaftstransaktion, bei der eine besondere Interessenlage zu einer Überzahlung geführt habe - den ortsüblichen Kaufpreis um einen Zuschlage von 50% erhöht habe, ohne auf nachvollziehbare Weise darzulegen, wie es die Höhe dieses Zuschlages ermittelt habe und wodurch dieser Zuschlag im vorliegenden Fall gerechtfertigt sei. Das durch Anwendung des Zuschlags ermittelte Zwischenergebnis von 572.700 € werde schließlich um einen weiteren Zuschlag von 304.000 € erhöht. Der weitere Zuschlag werde mit einer Ersparnis des Baurechtszinses in den kommenden 20 Jahren begründet, was den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut wiederspreche, weil der Erwerber eines Grundstücks regelmäßig nicht bereit sein werde, dem Verkäufer zusätzlich zum marktkonformen Preis noch einen Betrag für seine zukünftige Mietersparnis zu bezahlen. Im angefochtenen Erkenntnis finde sich auch keine nachvollziehbare Begründung dafür, warum das Bundesfinanzgericht die Ersparnis des Baurechtszinses für 20 Jahre als angemessen erachte, obwohl das Baurecht aufgrund des Nachtrages zum Baurechtsvertrag vom 12. Dezember 2007 lediglich bis zum Jahr 2017 verlängert worden sei. Das Bundesfinanzgericht baue zudem seine gesamte Beweiswürdigung darauf auf, dass der Erwerb des - für den Fortbetrieb des Unternehmens unbedingt erforderlichen - Baurechtsgrundstückes im betrieblichen Interesse gelegen sei. Dass der ungestörte Besitz der erworbenen Grundfläche unmittelbar bedroht gewesen sei und diese Bedrohung durch den Erwerb der Fläche zu einem überhöhten Preis habe abgewendet werden könne, werde im angefochtenen Erkenntnis indessen nicht dargelegt.
16 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig und begründet.
19 Verdeckte Ausschüttungen sind Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form unter welcher Bezeichnung auch immer gewährt, die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde. Entscheidendes Merkmal einer verdeckten Ausschüttung ist die Zuwendung von Vermögensvorteilen, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach nicht unmittelbar als Einkommensverteilung erkennbar sind und ihre Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen haben. Diese Ursache wird an Hand eines Fremdvergleiches ermittelt (vgl. z.B. VwGH 20.3.2014, 2011/15/0120, mwN).
20 Die Frage, ob eine Rechtsbeziehung auch unter Fremden in gleicher Weise zustande gekommen und abgewickelt worden wäre, ist eine Tatfrage und daher auf Grund entsprechender Erhebungen in freier Beweiswürdigung zu lösen.
21 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/15/0106, mwN).
22 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zudem erkennen lassen, welcher Sachverhalt ihr zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.3.2018, Ra 2016/15/0076, sowie grundlegend VwGH 28.5.1997, 94/13/0200).
23 Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Erkenntnis nicht.
24 Das Finanzamt ging im Anschluss an eine Außenprüfung davon aus, dass sich der ortsübliche Kaufpreis der Liegenschaft, welche die mitbeteiligte Partei im Jahr 2012 von ihrem Gesellschafter erworben habe, auf 381.800 € (7.636 m² zu 50 €/m²) belaufe und die Differenz auf den von der mitbeteiligten Partei tatsächlich bezahlten Kaufpreis von 900.000 € als verdeckte Ausschüttung an den Gesellschafter anzusehen sei.
25 Abweichend dazu vertritt das Bundesfinanzgericht den Standpunkt, die Mitbeteiligte hätte das verfahrensgegenständliche Grundstück aus betrieblichen Gründen auch von einem fremden Dritten um annähernd den gleichen Preis gekauft. Erhöhe man den vom Finanzamt festgestellten ortsüblichen Kaufpreis um 50% und rechne man dem so ermittelten Kaufpreis in Höhe von 575.700 € die Ersparnis der mitbeteiligten Partei aus dem Wegfall des Baurechtszinses von 304.000 € hinzu, ergebe sich ein Betrag in Höhe von 877.000 €, der bereits nahe an dem von der mitbeteiligten Partei bezahlten Kaufpreis in Höhe von 900.000 € liege.
26 Die Erhöhung des ortsüblichen Kaufpreises um 50% begründet das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen damit, dass die in räumlicher Nähe zur mitbeteiligten Partei angesiedelte X GmbH im Jahr 2012 ein unbebautes Grundstück um einen Quadratmeterpreis von 153 € von einem Privaten gekauft und gegen ein an ihre Betriebsliegenschaft angrenzendes Grundstück eingetauscht habe, obwohl der ortsübliche Quadratmeterpreis nur 95 bis 110 € betragen habe. Die X GmbH hätte - so das Bundesfinanzgericht weiter - jeden Preis bezahlt, weil sie dringend Erweiterungsflächen für ihren Betrieb benötigt habe. Daran sei erkennbar, dass ein Unternehmer bereit sei, einen weit höheren Preis zu bezahlen, wenn er Erweiterungsflächen für seinen Betrieb benötige.
27 Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Erkenntnis davon aus, dass Unternehmer im Falle einer zwingend erforderlichen Betriebserweiterung bereit wären, für eine angrenzende Liegenschaft einen höheren Preis zu bezahlen. Im angefochtenen Erkenntnis wird aber nicht konkret dargelegt, warum die Anschaffung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes im Jahr 2012 überhaupt notwendig war und nicht die Verlängerung des Baurechts oder die Anmietung von Ersatzgrundstücken in Betracht kam. Eine aus diesem Grund vorgenommene Erhöhung des ortsüblichen Kaufpreises hätte Feststellungen dahingehend bedurft, dass von der mitbeteiligten Partei eine Erweiterung ihres Betriebes geplant war und hierfür nur der Ankauf des Grundstücks in Betracht kam. Das Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
28 Nicht nachvollziehbar ist auch der vom Bundesfinanzgericht vorgenommene weitere Zuschlag von 304.000 € mit dem die Ersparnis des Baurechtszinses von 20 Jahren berücksichtigt werden soll. Die Hinzurechnung ist schon dem Grunde nach verfehlt, weil der Erwerber einer Liegenschaft regelmäßig nicht bereit sein wird, dem Verkäufer zusätzlich zum Verkehrswert der Liegenschaft noch einen Betrag für seine zukünftige Mietersparnis zu bezahlen, worauf vom Finanzamt im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringen zutreffend hingewiesen wird. Dazu kommt, dass die Restlaufzeit des zwischen der Mitbeteiligten und ihrem Gesellschafter abgeschlossenen Baurechtsvertrages im Jahr 2012 lediglich sechs Jahre betragen hat und jegliche Begründung für den Ansatz einer Ersparnis des Baurechtszinses für 20 Jahre fehlt.
29 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 23. November 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150041.L00Im RIS seit
24.01.2023Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023