Index
E3L E19103000Norm
AVG §68 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, in der Revisionssache des S Z, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2022, W152 2216757-2/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Usbekistans, stellte am 6. Dezember 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der im Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 4. April 2019 abgewiesen wurde.
2 Am 3. Jänner 2022 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass ihm in Usbekistan aufgrund seiner Schulden Verfolgung drohe.
3 Mit Bescheid vom 29. März 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Folgeantrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Unter einem wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Folgeantrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde mit einer hier nicht relevanten Maßgabe als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend kam es - soweit hier relevant - zum Ergebnis, dass der Revisionswerber kein entscheidungswesentliches neues Vorbringen erstattet habe, dem ein „glaubhafter Kern“ zukomme.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst vor, dass sich die hg. Rechtsprechung in Bezug auf eine zurückweisende Entscheidung wegen entschiedener Sache insofern geändert habe, als ein Fortbestehen und Weiterwirken der Fluchtgründe nunmehr eine inhaltliche Entscheidung erfordern könne, „wenn die Entscheidung über den früheren Antrag erlassen wurde, ohne dass dieses Element oder diese Erkenntnis der für die Bestimmung der Rechtsstellung des Antragstellers zuständigen Behörde zur Kenntnis gebracht wurde.“ Gegenständlich seien - entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - neue Gründe hervorgetreten.
10 Soweit die Revision damit das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 9. September 2021, C-18/20, anspricht, ist festzuhalten, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile in seinem Erkenntnis vom 19. Oktober 2021, Ro 2019/14/0006, des Näheren mit der Vereinbarkeit der asylrechtliche Folgeanträge betreffenden Rechtslage mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) befasst hat. Es wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
11 In diesem Erkenntnis wurde dargelegt, dass es aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben nicht zulässig sei, einen Fremden, der die Gewährung von internationalem Schutz anstrebt und dafür in einem Folgeantrag im Sinn des Art. 40 Verfahrensrichtlinie „neue Elemente oder Erkenntnisse“, die „erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen“, dass er „nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist“, vorbringt oder wenn solche zutage treten, allein deshalb, weil er Gründe, die bereits vor Abschluss des ersten Verfahrens existent waren, erst im Folgeantrag geltend macht, auf die Wiederaufnahme eines früheren Asylverfahrens nach § 69 AVG oder § 32 VwGVG zu verweisen. Der Verwaltungsgerichthof hat in seiner - in der Folge des oben dargestellten Vorabentscheidungsverfahrens ergangenen - Rechtsprechung ausgesprochen, dass ein Folgeantrag auf internationalen Schutz nicht allein deshalb wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden darf, weil der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt von der Rechtskraft einer früheren Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz erfasst sei, ohne dass die Prüfung im Sinn des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie vorgenommen worden wäre, ob „neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist“ (vgl. das zitierte Erkenntnis Ro 2019/14/0006, mwN).
12 Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen ist.
13 Im gegenständlichen Fall kam das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass der Revisionswerber kein entscheidungswesentliches neues Vorbringen erstattet habe, dem ein „glaubhafter Kern“ zukomme.
14 Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen „glaubhaften Kern“ aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 10.9.2021, Ra 2021/14/0256, mwN). Diese Judikatur wurde durch das erwähnte Urteil des EuGH auch nicht berührt (vgl. VwGH 31.10.2022, Ra 2022/18/0259, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung zeigt die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen jedoch nicht auf.
15 Wenn die Revision - ohne auf die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer Verhandlung Bezug zu nehmen - die Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, verabsäumt sie es, konkret darzulegen, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung zum hier maßgeblichen ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, sowie aus der weiteren, dem folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 21.9.2022, Ra 2022/14/0202, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 12. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140320.L00Im RIS seit
24.01.2023Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023