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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des R M in S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2022, L527 2203268-1/38E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, wurde am 15. Jänner 2016 in Freilassing/Deutschland einer Kontrolle durch Polizeibeamte unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass er sich nicht rechtmäßig in Deutschland aufhielt. Nach Erlassung von Verfügungen über die Zurückschiebung nach Österreich sowie über ein Einreise- und Aufenthaltsverbot durch die Bundespolizeiinspektion Rosenheim wurde der Revisionswerber nach Österreich überstellt. Hier stellte er am 19. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 13. Juli 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (nach § 57 AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom 13. Juli 2022 ab und wies den in der Beschwerde gestellten Antrag auf „Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ - anhand der Begründung ergibt sich, dass sich dieser Ausspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 56 AsylG 2005 bezog - mit Beschluss vom selben Tag als unzulässig zurück. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 20. September 2022, E 2314/2022-6, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht, die sich nach den darin enthaltenen Erklärungen zum Anfechtungsgegenstand und den Revisionspunkten (nur) gegen das Erkenntnis vom 13. Juli 2022 wendet, nicht aber auch gegen jenen Beschluss, mit dem ein erstmals in der Beschwerde gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückgewiesen wurde.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach seinem Vorbringen zu den Gründen einer Verfolgung im Herkunftsstaat kein Glauben geschenkt wurde. Er macht in diesem Zusammenhang auch Ermittlungsmängel geltend.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 25.8.2022, Ra 2022/20/0182, mwN).
11 Es gelingt dem Revisionswerber nicht darzulegen, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären. Soweit der Revisionswerber eigene Überlegungen zur Beweiswürdigung anstellt, ist er darauf hinzuweisen, dass es nach dem oben Gesagten im Revisionsverfahren nicht weiter beachtlich ist, ob anhand der vorliegenden Beweise auch ein anderes Ergebnis hätte begründet werden können.
12 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungsmängel, insbesondere das Unterbleiben der Vernehmung „weiterer Zeugen“ und einer „intensiveren“ Befragung des Revisionswerbers - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten.
13 Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ist - um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzutun - in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären. Das gilt auch für jenen Fall, in dem nicht das gänzliche Unterbleiben der Vernehmung geltend gemacht wird, sondern die Notwendigkeit einer ergänzenden Befragung einer vernommenen Person ins Treffen geführt wird (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 25.8.2022, Ra 2022/20/0182, mit diversen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
14 Schon diesen Anforderungen wird in der Revision, die dazu keine Ausführungen enthält, nicht entsprochen. Im Übrigen wird vom Revisionswerber nicht einmal angeführt, welche konkrete Person als Zeuge zu vernehmen gewesen wäre.
15 Der Revisionswerber missversteht zudem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn er meint, es müsste im Fall des Vorbringens einer Verfolgung wegen einer Konversion, wenn eine solche nicht unwahrscheinlich sei, jedenfalls eine Vernehmung von Zeugen erfolgen.
16 Nach dieser Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 13.10.2022, Ra 2022/20/0287, mwN).
17 Dass es zur Ermittlung einer aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung jedenfalls und uneingeschränkt immer der Vernehmung von Zeugen bedürfte, ist dieser Rechtsprechung - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - nicht zu entnehmen. Die Beurteilung, ob eine solche Vernehmung stattzufinden hat, ist - ebenso wie in Bezug auf die Notwendigkeit jeder anderen Beweisaufnahme - vielmehr stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (vgl. in diesem Zusammenhang zum im Revisionsverfahren maßgeblichen Prüfmaßstab beim Vorwurf der Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht etwa VwGH 28.7.2022, Ra 2022/20/0041, mwN).
18 Weiters bringt der Revisionswerber vor, es fehle „eine gesicherte Rechtsprechungslinie“ des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Tatsachen und Beweismittel zu beachten seien, die nicht innerhalb in einer vom Richter festgesetzten Frist (sondern in der Verhandlung vor Schluss des Beweisverfahrens) vorgelegt worden seien.
19 Diese Frage stellt sich am Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidung als von bloß theoretischer Natur dar, weil sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch des Näheren mit den vom Revisionswerber in der Verhandlung vorgelegten Beweismitteln befasst hat.
20 Von der in der Revision formulierten Frage hängt daher die Revision nicht ab. Zur Klärung bloß theoretischer Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2020/16/0035, mwN), sodass schon deswegen damit die Zulässigkeit der Revision nicht begründet werden konnte.
21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. Dezember 2022
Schlagworte
Beweismittel Zeugen freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200379.L00Im RIS seit
24.01.2023Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023