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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des A I, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2022, I414 2219274-3/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein marokkanischer Staatsangehöriger, stellte am 17. Juli 2011 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des (damals zuständigen) Bundesasylamtes vom 25. Juli 2011 abgewiesen; unter einem wurde der Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
2 Mit Erkenntnis vom 21. Oktober 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde hinsichtlich der Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet ab; im Übrigen wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zur Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung an das (zuständig gewordene) Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
3 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Dezember 2017 wurde dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Marokko festgestellt. Unter einem wurde dem Revisionswerber keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein mit zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gegen ihn erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. September 2018 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis blieb unbekämpft.
4 Am 13. Mai 2019 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Folgeantrag nach dem AsylG 2005, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er zum Christentum konvertiert und deswegen in Marokko bedroht sei.
5 Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. Dezember 2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
6 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Februar 2021 wurde dieser Bescheid mit der Begründung behoben, dass keine entschiedene Sache vorliege und der Antrag auf internationalen Schutz in der Sache zu erledigen sei.
7 Im zweiten Rechtsgang wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 21. April 2022 als unbegründet ab und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Die Erlassung weiterer Absprüche einschließlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung habe - so die Behörde in ihrer Begründung - zu unterbleiben, weil gegen den Revisionswerber bereits eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot rechtskräftig vorliege.
8 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Juli 2022 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Erhebung einer Revision wurde nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 13.10.2022, Ra 2022/20/0287, mwN).
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. erneut VwGH 13.10.2022, Ra 2022/20/0287, mwN).
14 Für die Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer Scheinkonversion des Revisionswerbers ausgegangen und habe dabei insbesondere dessen „mindere Intelligenz“ unberücksichtigt gelassen.
15 Der Revisionswerber wurde im Rahmen der vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Verhandlung ausführlich zu seiner Glaubensüberzeugung, seiner Glaubensausübung sowie zu den Beweggründen der behaupteten Konversion befragt. Dabei konnte er - wie schon anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - kaum Wissen über das Christentum als von ihm neu gewählter Religion vorweisen. Es erscheint im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unvertretbar, wenn das Bundesverwaltungsgericht auch diese - in der Revision unbestritten gebliebenen - mangelnden Kenntnisse über zentrale Inhalte des Christentums in seine Erwägungen einbezogen hat.
16 Die pauschale Behauptung „minderer Intelligenz“ des Revisionswerbers vermag daran nichts zu ändern. Eine maßgebliche Intelligenzminderung wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes im Übrigen nicht festgestellt, sodass sich dieses Vorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt (§ 41 VwGG).
17 Soweit die Revision ein Schreiben des Seelsorgers als Beleg einer ernsthaften Konversion des Revisionswerbers ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass auch ein solches der freien Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes unterliegt. Dabei ist das Bundesverwaltungsgericht an die Erwägungen oder das Verhalten Dritter nicht gebunden (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2020/19/0053, unter Verweis auf VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0538).
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 15. Dezember 2022
Schlagworte
Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200228.L00Im RIS seit
24.01.2023Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023