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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Prendinger, in der Revisionssache des K E, vertreten durch die Stieger Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Anton-Walser-Gasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2022, L510 1261330-2/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus der Türkei stammende Revisionswerber stellte am 12. März 2004 einen Asylantrag nach dem Asylgesetz 1997. Das (damals zuständige) Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Mai 2005 ab.
2 Am 4. Juni 2010 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
3 Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 29. Juli 2010 wurde dem Revisionswerber nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren gewährt. Als Bezugsperson wurde seine damalige Lebensgefährtin herangezogen.
4 Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 16. Februar 2021 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten und einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen verurteilt, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
5 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Juni 2021 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Unter einem wurde dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Türkei zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf vier Jahre herabgesetzt wurde. Es sprach weiters aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit hier relevant - aus, es sei glaubhaft, dass gegen den Revisionswerber, welcher der kurdischen Volksgruppe angehöre und Anhänger der PKK sei, eine Anklage wegen Propaganda für eine terroristische Organisation erhoben sowie ein Haftbefehl erlassen worden seien. Mit näherer Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass das gegen ihn in der Türkei geführte Strafverfahren einen Akt legitimer staatlicher Strafverfolgung und keine Verfolgung im asylrelevanten Sinn darstelle. Ein Urteil sei bisher nicht ergangen. Es könne unter Berücksichtigung der Haftbedingungen in der Türkei nicht erkannt werden, dass dem Revisionswerber bei einem Strafvollzug in einer Haftanstalt eine reale Gefahr einer Verletzung von durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten drohe.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 18.5.2022, Ra 2022/14/0122, mwN).
12 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und bringt vor, der Revisionswerber sei entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - unter Hinweis auf näher genannte Berichte - bei Rückkehr in sein Heimatland unzumutbaren und den Bestimmungen des Art. 3 EMRK widersprechenden Lebens- und Haftumständen ausgesetzt.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 28.4.2022, Ra 2020/14/0523, mwN).
14 Eine derartige Unvertretbarkeit der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. solche exzeptionellen Umstände legt die Revision damit, dass sie sich bloß allgemein und nicht fallbezogen auf verschiedene Berichte bezieht, nicht dar.
15 Wenn der Revisionswerber schließlich ausführt, die Entscheidung weiche von der bisherigen Rechtsprechung ab, da aufgrund der vorliegenden Umstände gegen den Revisionswerber keine Rückkehrentscheidung hätte ergehen dürfen, ist er auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 20.7.2022, Ra 2022/14/0141, mwN). Diesen Anforderungen wird mit den bloß allgemein gehaltenen Behauptungen im Zulässigkeitsvorbringen des Revisionsschriftsatzes nicht entsprochen.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140326.L00Im RIS seit
24.01.2023Zuletzt aktualisiert am
24.01.2023