TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/18 95/16/0130

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Veröffentlicht am 18.12.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §250 Abs1;
BAO §275;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des K in S/BRD, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 1. März 1995, Zl. 6/1/0-19/1/1994/Bi, betreffend Feststellung der Zurücknahme einer Berufung (in einer Zollangelegenheit), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. Juni 1993 schrieb das Hauptzollamt Linz dem Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs. 3 lit. a iVm § 3 Abs. 2 ZollG eine Abgabenschuld von S 272.165,-- vor. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer im Rechtshilfeweg am 5. Februar 1994 zugestellt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer, mit einer vom 5. März 1994 datierten und beim Hauptzollamt Linz am 7. März 1994 eingelangten Eingabe folgenden Inhaltes, Berufung:

"Sehr geehrte Damen und Herren, gegen den Bescheid unter den im Betreff genannten Zahl, eingegangen Februar 1994, lege ich hiemit Berufung ein. Die Begründung erhalten sie in einem separaten Schreiben. Mit freundlichen Grüßen ... "

Daraufhin forderte das Hauptzollamt Linz den Beschwerdeführer gemäß § 275 BAO mit Bescheid vom 10. März 1994 unter Fristsetzung von zwei Wochen auf, drei inhaltliche Mängel der Berufung zu beheben; nach Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz fehlte die Erklärung, in welchem Punkt der erstinstanzliche Bescheid angefochten wird (§ 250 Abs. 1 lit. b BAO), weiters die Erklärung, welche Änderung begehrt wird (§ 250 Abs. 1 lit. c leg. cit.), und schließlich die Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO). Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, daß bei Fristversäumnis die Berufung als zurückgezogen gilt.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5. April 1994 zugestellt.

Da eine Mängelbehebung nicht erfolgte, erklärte das Hauptzollamt Linz die Berfung vom 5. März 1994 mit Bescheid vom 20. April 1994 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28. April 1994 zugestellt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer in einer von zwei deutschen Rechtsanwälten verfaßten, mit 17. Mai 1994 datierten, beim Hauptzollamt Linz am 25. Mai 1994 eingelangten Eingabe mit folgendem Wortlaut Berufung:

"Himit legen wir namens und im Auftrage unseres Mandanten gegen den Bescheid vom 20. April 1994, eingegangen bei uns am 9.5.1994, B E R U F U N G ein. Die Begründung der Berufung erfolgt in einem gesonderten Schriftsatz."

Daraufhin richtete das Hauptzollamt Linz an einen der beiden deutschen Rechtsanwälte des Beschwerdeführers (und zwar an Rechtsanwalt F) am 31. Mai 1994 unter Hinweis auf § 5 EWR-Rechtsanwaltsgesetz 1992, BGBl. Nr. 21/1993, die Aufforderung, binnen zwei Wochen einen im Inland wohnhaften Zustellbevollmächtigen namhaft zu machen und erteilte unter einem gemäß § 275 BAO unter Fristsetzung von ebenfalls zwei Wochen den Auftrag, zu erklären, in welchen Punkten der erstinstanzliche Bescheid angefochten werde und welche Änderungen begehrt werden sowie eine Begründung für die Berufung zu geben. Unter einem wurde die Belehrung erteilt, daß die Berufung nach fristlosem Ablauf der gesetzten Frist als zurückgenommen gilt.

Diese Aufforderung wurde den deutschen Rechtsanwälten des Beschwerdeführers am 10. Juni 1994 zugestellt.

Mit Eingabe vom 13. Juni 1994 (eingelangt am 17. Juni 1994) wurde daraufhin auf Briefpapier der deutschen Rechtsanwälte F und H K (unterfertigt von Rechtsanwalt F) Verlängerung der Mängelbehebungsfrist um zwei Wochen mit dem Hinweis begehrt, der Beschwerdeführer "sitze zur Zeit in der JVA Landsberg ein, weshalb sich die Verbindungsaufnahme zu ihm schwierig gestalte".

Auf ein mit 20. Juli 1994 datiertes, am 25. Juli 1994 beim Hauptzollamt Linz eingelangtes (wieder von RA F unterfertigtes) Ersuchen um Akteneinsicht antwortete die Abgabenbehörde erster Instanz dem Rechtsanwalt mit Note vom 10. August 1994 unter Hinweis auf den Mängelbehebungsauftrag vom 31. Mai 1994 dahingehend, daß die Mängelbehebungsfrist (unter Beachtung des Ansuchens um Fristverlängerung) bereits am 8. Juli 1994 ungenützt abgelaufen sei. Auch den inländischen Zustellbevollmächtigten habe man nicht fristgerecht namhaft gemacht. Es seien daher die Rechtsfolgen des § 275 BAO eingetreten, weshalb sich die Gewährung von Akteneinsicht erübrige.

In weiterer Folge erklärte das Hauptzollamt Linz mit Bescheid vom 10. August 1994, daß die Berufung vom 17. Mai 1994 als zurückgenommen gelte. Gegen diesen, ihm am 22. August 1994 zugestellten Bescheid berief der Beschwerdeführer, wieder vertreten durch seine beiden deutschen Rechtsanwälte, wobei die Berufung folgenden Wortlaut hat:

"In Sachen

K

RA F & H

gegen

Hauptzollamt Linz

lege ich gegen den Bescheid vom 10.08.94, eingegangen

22.08.94, Az: s.o.,

Berufung

ein.

Die Berufung begründe ich zunächst, wie folgt:

Bei meinem Mandanten wurden zwei Schachteln mit Edelsteinen beschlagnahmt, welche entsprechend den beigefügten Expertisen einen Schätzwert von DM 600,00 bis DM 800,00 pro Karat haben sollten. Zwischenzeitlich wurde in Erfahrung gebracht, daß diese Expertisen weit überhöht sind. Der Karatwert beträgt lediglich DM 2,00 bis DM 3,00. Wir sind jederzeit bereit, zuzulassen, daß Sie eine Schätzung durch eigene Sachverständige durchführen.

Mittlerweile habe ich mich auch bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer legitimiert. Das ensprechende Schreiben ist beigefügt.

Desweiteren beantrage ich, um die Begründung der Berufung

noch vervollständigen zu können, weiterhin

Akteneinsicht."

Der Berufung beigeschlossen war ein Schreiben der beiden deutschen Rechtsanwälte des Beschwerdeführers an die oberösterreichische Rechtsanwaltskammer vom 30. August 1994 mit (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"Ich bin von meinem Mandanten Herrn K beauftragt worden, gegen den Bescheid vom 10.08.94, eingegangen 22.08.94 des Hauptzollamtes Linz Berufung einzulegen.

Zum Nachweis meiner Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt und zur Zugehörigkeit der deutschen Rechtsanwaltskammer lege ich meine beglaubigte Kopie meines Rechtsanwaltsausweises vor.

Ich bitte um Mitteilung, wenn noch eine ausführliche Stellungnahme oder weitere Nachweise benötigt würden."

Daraufhin erging am 8. September 1994 eine abweisliche Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Linz, die an Rechtsanwalt F am 21. Oktober 1994 zugestellt wurde.

Datiert mit 20. Oktober 1994 langte am 24. Oktober 1994 beim Hauptzollamt Linz ein auf Briefpapier der beiden deutschen Rechtsanwälte des Beschwerdeführers verfaßtes, von Rechtsanwalt Fritz Kempfler unterfertigtes Schreiben des Inhaltes ein, das Mandat niedergelegt zu haben.

Am 7. November 1994 schließlich langte beim Hauptzollamt Linz eine mit 6. November 1994 datierte Eingabe des Beschwerdeführers selbst ein, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"....Gegen den Bescheid vom 08.09.1994, bei mir eingegangen am 25.10.1994, lege ich hiermit

R e c h t s m i t t e l

ein. Ich stelle den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde in zweiter Instanz.

Ich beziehe mich auf den bisherigen Sachvortrag, insbesondere bezüglich des Wertes der Edelsteine, und ersuche um Mitteilung, ob ich in diesem Verfahren selbst auftreten kann, oder ob hier eine Vertretung durch einen österreichischen Anwalt erforderlich ist. ..."

Am 1. März 1995 schließlich langte beim Hauptzollamt Linz ein mit 24. Februar 1995 datiertes Schreiben des Beschwerdeführers ein, das (auszugsweise) folgenden Wortlaut hat:

"... ich beziehe mich auf mein Schreiben vom 06.11.1994. Ich habe darauf bis heute keine Antwort erhalten. Bitte teilen Sie mir deshalb mit, ob im derzeitigen Verfahrensstand noch irgendwelche Maßnahmen meinerseits veranlaßt sind.

Ich weise noch einmal darauf hin, daß der PKW BMW 730i niemals nach Österreich eingeführt und auf jeden Fall von dort wieder ausgeführt wurde, daß ich noch erhebliche Umsatzsteuer-Rückerstattungsansprüche habe, daß die "Edelsteine" nach neuerer Erkennntnis nur einen Bruchteil des bisher angenommenen Wertes darstellen, daß diverse andere Gegenstände wie Fernsehgerät oder Computerteile wieder ausgeführt wurden und daß ich erhebliche Gegenansprüche habe, da vom Zoll auch Waren beschlagnahmt wurden, die zwischenzeitlich verdorben sind, aber von Anfang an ordnungsgemäß eingeführt waren. ..."

Die belangte Behörde wertete die Eingabe vom 6. November 1994 (im angefochtenen Bescheid unrichtig datiert mit 6. JÄNNER 1994) als fristgerechten, durch die Eingabe vom 24. Februar 1995 ergänzten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, erachtete die Berufung vom 30. August 1994 deshalb gemäß § 276 Abs. 1 BAO (im angefochtenen Bescheid unrichtig mit § 267 Abs. 1 BAO bezeichnet) als unerledigt und wies die Berufung als unbegründet ab. Sie ging dabei davon aus, daß der vom Hauptzollamt Linz erlassene Zurücknahmebescheid vom 10. August 1994 zu Recht ergangen sei, weil die der Berufung vom 17. Mai 1994 (erhoben gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 20. April 1994) anhaftenden Mängel nicht behoben worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch die Rechtsmittelbehörde verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der Abweisung der Beshwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muß eine Berufung enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c)

die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d)

eine Begründung.

Werden diese gesetzlich geforderten Mindesterfordernisse einer Berufung nicht erfüllt, darf sie dennoch nicht zurückgewiesen werden, sondern hat die Abgabenbehörde in einem Verfahren gemäß § 275 BAO dem Berufungswerber die Behebung der vorhandenen Mängel aufzutragen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2565).

§ 275 BAO lautet:

"Wenn eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz umschriebenen Erfordernissen entspricht, so hat die Abgabenbehörde erster Instanz dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt."

Da im vorliegenden Fall die mit 17. Mai 1994 datierte Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 20. Mai 1994 - wie dem oben wiedergegebenen Text unschwer zu entnehmen ist - keine Ausführungen enthielt, die den Anforderungen des § 250 Abs. 1 lit. b) bis d) BAO entsprachen und weil dem daraufhin erfolgten Mängelbehebungsauftrag trotz der darin enthaltenen Belehrung nicht entsprochen wurde, hat die belangte Behörde frei von Rechtswidrigkeit den Ausspruch der Abgabenbehörde erster Instanz, die Berufung gelte als zurückgenommen, bestätigt.

Daran vermögen die Beschwerdeausführungen (in denen überdies sogar ausdrücklich eingeräumt wird, die Berufung sei nicht formell begründet gewesen und habe keinen Berufungsantrag enthalten), es sei in der Berufung immerhin deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich angefochten und seine Überprüfung durch die Oberbehörde beantragt werde, nichts zu ändern. Angesichts der präzisen Vorschriften des § 250 Abs. 1 BAO, die jedenfalls zu beachten sind (vgl. Stoll aaO. 2567 unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1980, Zl. 1354/79) genügt dies eben nicht. Insoweit der Beschwerdeführer dazu ins Treffen führt, er und seine ihn damals beratenden deutschen Rechtsanwälte seien davon ausgegangen, die Berufung ohnehin ordnungsgemäß erhoben zu haben, ist er darauf zu verweisen, daß dieses Vertrauen jedenfalls ab der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages vom 31. Mai 1994 nicht mehr bestehen konnte, weil die Abgabenbehörde erster Instanz entsprechend der Vorschrift des § 275 BAO gerade im Wege ihrer Aufforderung dem Beschwerdeführer deutlich machte, woran es der Berufung noch fehlte. Daß dem zitierten Auftrag nicht entsprochen wurde, muß dem Beschwerdeführer zur Last fallen und vermag die von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu begründen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Mit Rücksicht auf die einfache Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995160130.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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