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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung des Gleichheitsrechts und des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes aufgrund mehrerer Schuldsprüche. Der Beschwerdeführer macht bezüglich eines Schuldspruchs eine Verletzung des Gleichheitsrechtes deshalb geltend, weil sein Verhalten als Prozeßpartei wegen seiner Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltsstand gegenüber den anderer Verfahrensparteien unterschiedlich beurteilt werde. Diese Unterscheidung ist jedoch sachlich begründbar, weil auch das Verhalten des in eigener Sache vor einer Behörde einschreitenden Rechtsanwaltes einem Dritten das Bild standesgemäßer Gepflogenheiten bietet.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Disziplinarrat der (damaligen) Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland (an den die Disziplinarsache des Beschwerdeführers, eines Rechtsanwaltes mit dem Kanzleisitz in Salzburg, übertragen worden war) befand den Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis vom 24. Mai 1986 in allen (im folgenden wiedergegebenen) Fakten des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes, in den Fakten 1), 4) lita und b, 7) lita und b, 8), 9), 10) lita bis f und 11) Z1 und 2 auch des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung, schuldig und verhängte über ihn eine Disziplinarstrafe. Der diese Schuldsprüche umfassende Teil des Bescheides lautet wie folgt:
"(Der Beschwerdeführer) hat
1) (zu D 110/84): seiner Mandantin E H als Beschuldigte im Privatanklage-Strafverfahren des Bezirksgerichtes Salzburg zu 28 U 746/81 die unrichtige Mitteilung gemacht, bzw. die unrichtige Mitteilung machen lassen, sie müsse zur Hauptverhandlung vom 22.6.1981 trotz Ladung nicht erscheinen, da der Verhandlungstermin entfalle, und in der genannten Hauptverhandlung das Fernbleiben von E H mit unrichtigen bzw. nicht informationsgedeckten Angaben begründen lassen;
2) (zu D 115/85): durch Informationen an Dkfm. Dr. O H den Abdruck eines Artikels im Magazin 'Erfolg' vom Oktober 1984 herbeigeführt bzw. ermöglicht, in welchem Artikel
a) er, Dr. G S, als Rechtsanwalt in reklamehafter Weise herausgestellt wird und
b) ohne erkennbare sachliche Erfordernisse Kontroversen zwischen ihm, Dr. G S, einerseits, sowie Dr. K A und Dr. R Z andererseits, vom März 1983 neuerlich in der Öffentlichkeit dargelegt werden;
3) (zu D 121/85, damit verbunden D 118/85): durch Informationen und Beistellung seines Lichtbildes bzw. Genehmigung des Abdruckes desselben für seine Person als Rechtsanwalt Werbung veranlaßt bzw. geduldet, und zwar im Zusammenhang mit dem Artikel 'Werbekrieg in Salzburg' in der Ausgabe November 1984 des Magazins 'saf(v)e';
4) (zu D 195/85): in der von ihm namens M J verfaßten Berufung gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 24.1.1985, Fr-94.217/85, eingelangt bei der Bundespolizeidirektion Salzburg am 8.2.1985, sich einer unsachlichen und beleidigenden Schreibweise bedient, und zwar durch nachstehende Ausführungen:
a) Die Begründung des angefochtenen Bescheides zeige, wie von gewissen Behörden mit den Rechtssphären der ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen Unterworfenen umgegangen werde;
b) unverfrorener sei selten das Gesetz (in der Begründung zum angefochtenen Bescheid) einfach abgeschrieben worden;
5) (zu D 219/85): in seinen im Februar 1985 jeweils an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerden B137/85 und B157/85 in der Begründung zu den mit den beiden Beschwerden verbundenen Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung tatsachenwidrig ausgeführt, es sei ihm seitens der Salzburger Rechtsanwaltskammer zugesichert worden, daß die beiden über ihn verhängten Geldstrafen bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über seine vorerwähnten Anträge gestundet würden;
6) (zu D 217/85): weder in der vorprozessualen Korrespondenz noch bei nächstmöglicher Gelegenheit im Rechtsstreit 18 C2112/84 des Bezirskgerichtes Salzburg gegen die von B S gegen ihn sodann klageweise geltend gemachten Ansprüche von S 18.208,80 s.A. seine mangelnde Passivlegitimation eingewendet, sondern sich vorerst auf persönliche Sacheinwendungen beschränkt und erst in der Streitverhandlung vom 11.4.1985 erstmals seine mangelnde Passivlegitimation eingewendet;
7) (zu D 218/85):
a) mit Schreiben vom 2.5.1985 dem Richter des Landesgerichtes Salzburg Dr. M S eine 'ungeheuerliche' Äußerung vom 28.3.1985 und 'bedenkliches Vorgehen in Bezug auf unsere Rechtsordnung' mit dem Hinweis vorgeworfen, daß er (Dr. S) den Bundespräsidenten und die Kollegen Dris. S vom Sachverhalt in Kenntnis setzen werde und müsse; und
b) auf die vermeintlichen diffamierenden Äußerungen Dris. S vom 28.3.1985 in unsachlicher und Dr. S herabsetzender Weise reagiert und darüber hinaus unangemessene Maßnahmen, wie Information des Bundespräsidenten und von Amtskollegen Dris. S, gesetzt;
8) (zu D 114/85): als im Strafverfahren 7b Vr 473/83, Hv 44/84, des Kreisgerichtes Steyr ausgewiesener Verteidiger des
J P - nachdem seinem Antrag auf Ablehnung sämtlicher Richter des Kreisgerichtes Steyr wegen Befangenheit durch Beschluß des Oberlandesgericht Linz vom 21.9.1984 nicht Folge gegeben worden war - in der Hauptverhandlung vom 24.9.1984 nach Abweisung eines weiteren, gleichartigen Ablehnungsantrages durch den Schöffensenat des Kreisgerichtes Steyr und in Kenntnis, daß dadurch die Vertagung der Hauptverhandlung verursacht werde, unter Aufrechterhaltung der Vollmacht die Verteidigung zurückgelegt und den Verhandlungssaal verlassen;
9) (zu D 18/86): als im Strafverfahren 7b Vr 473/83, Hv 44/84, des Kreisgerichtes Steyr ausgewiesener Wahlverteidiger des J P im Zusammenhang mit der Begründung seines in der Hauptverhandlung vom 12.11.1984 neuerlich gestellten Antrages auf Ablehnung sämtlicher Richter des Kreisgerichtes Steyr wegen Befangenheit sein Bedauern ausgedrückt, daß der Sachverhalt, den Rechtsanwalt Dr. R geschildert habe und wie er von ihm, Dr. S, dem Gericht vorgetragen wurde, bisher nur 'aus Justizsphären von Volksdemokratien' bekannt gewesen sei;
10) (zu D 19/86): in einem an den Bundesminister für Justiz gerichteten und (unter anderem) in Kopie der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland zugesandten Schreiben vom 11.11.1984 unter Bezugnahme auf angebliche Vorfälle im Verfahren 7b Vr 473/83 des Kreisgerichtes Steyr ausgeführt:
a) Ein Rechtsanwalt habe aus Angst vor Steyrer Richtern nicht die ganze Wahrheit gesagt, weil er 'für seine Verteidigungen vor dem Kreisgericht Steyr fürchte';
b) ein Staatsanwalt beim Kreisgericht Steyr habe Umstände bestritten, die er nicht bestreiten könne;
c) der Präsident des Kreisgerichtes Steyr habe ungeachtet seiner Kenntnis über einen tatsächlichen Sachverhalt gewisse Passagen, welche wenig Schmeichelhaftes für das Gericht enthielten, verschwiegen;
d) der Staatsanwalt beim Kreisgericht Steyr, Dr. G M, Rechtsanwalt Dr. R aus Steyr und der Präsident des Kreisgerichtes Steyr hätten nicht die Wahrheit gesagt;
e) bisher habe man derartige Sachverhalte (siehe die Ausführungen zu a) - d)) nur aus den Justizsphären der Volkdemokratien gekannt;
f) bei Nichtahndung von Verhaltensweisen, wie sie Richtern zugeschrieben werden, müsse sich er (Dr. S) in Zukunft schämen, als Verteidiger und Rechtsanwalt in dieser Republik Österreich tätig zu sein;
11) (zu D 126/84):
1) seinem Klienten J W nach dessen Aufkündigung des Vertretungsverhältnisses mit Schreiben vom 26.10.1980 und trotz dessen Aufforderung mit Briefen vom 2.11.1980, 23.11.1980, 3.12.1980, 20.12.1980 und 15.2.1981 die übernommenen Unterlagen nicht unverzüglich und vollständig zurückgegeben;
2) es unterlassen, die ihm von J W übertragenen Forderungseintreibungen mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten, wobei er in den Fällen Pension 'E' (Pächter H),
H G, B E, F G, K V und E D überhaupt eine Klagserhebung unterlassen hat, sodaß in den drei letztgenannten Fällen schließlich Verjährung eintrat;
3) es trotz Aufforderungen des J W vom 3.12.1980, 20.12.1980, 15.2.1981, 10.8.1981 und 18.8.1981 unterlassen, diesem eine detaillierte Abrechnung der in den übergebenen Causen aufgelaufenen Kosten und vereinnahmten Beträgen zu übermitteln;
4) bei seiner Vernehmung als Beschuldigter am 8.7.1982 im Strafverfahren 26 Vr 108/82 des LG Salzburg die unwahre Behauptung aufgestellt, daß J W - bevor dieser sich an die Salzburger Rechtsanwaltskammer gewandt hatte - nie eine Kostenabrechnung von ihm verlangt habe;
5) in seinem Schreiben vom 30.4.1982 an den Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Salzburg in der Strafsache 26 Vr 108/82 des Landesgerichtes Salzburg folgenden Passus aufgenommen:
'Verdächtigungen, die Herr W mir gegenüber ausspricht, sind - und sie werden auch durch nichts als vage Behauptungen gedeckt - so absurd, daß ich vermeine, ein Antrag auf Psychiatrierung des Herrn W sei das Geeignete, um ihn von Äußerungen an irgendwelche Behörden gleicher Art immer abzuhalten'."
Gegen diesen Bescheid des Disziplinarrates erhoben sowohl der Beschwerdeführer als Disziplinarbeschuldigter als auch der Disziplinaranwalt (- dieser wegen gefällter Freisprüche -) Berufungen an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK). Diese gab der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge, hob das Disziplinarerkenntnis in den Punkten 2) lita und b und 3) sowie im Strafausspruch auf und verwies die Disziplinarsache im Umfang der Aufhebungen an die Disziplinarbehörde erster Instanz zurück; im übrigen gab sie den Berufungen keine Folge und bestätigte die von der Aufhebung nicht betroffenen Schuldsprüche.
2. Die vorliegende Beschwerde nach Art144 B-VG richtet sich gegen den Berufungsbescheid der OBDK insoweit, als die Schuldsprüche des Disziplinarrates bestätigt wurden, und begehrt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in diesem Umfang wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes. Im einzelnen macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung und des Gleichheitsrechtes sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung des von ihm für verfassungswidrig gehaltenen §2 des Disziplinarstatutes (RGBl. 40/1872; im folgenden: DSt) geltend.
3. Die belangte OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, der Beschwerde keine Folge zu geben.
II. Die Beschwerde ist nicht gerechtfertigt.
1. Die Argumentation des Beschwerdeführers, mit welcher er §2 DSt als verfassungswidrig kritisiert und aus dessen Anwendung eine Rechtsverletzung ableitet, entspricht im wesentlichen seinem Vorbringen in der von ihm erhobenen Beschwerde B61/90. Der Gerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines heute in der Beschwerdesache B61/90 gefällten Erkenntnisses zu verweisen, aus denen sich sinngemäß auch für den vorliegenden Fall ergibt, daß der Beschwerdevorwurf nicht berechtigt ist.
2. In grundsätzlich gleicher Weise wie in der Beschwerde B61/90 kritisiert der Beschwerdeführer mit Bezugnahme auf das Erk. VfSlg. 11776/1988, daß den in bestimmten Fakten gefällten Schuldsprüchen weder gesetzliche Regelungen noch verfestigte Standesauffassungen zugrundelägen.
Diese Kritik am angefochtenen Bescheid ist aus den gleichen Gründen verfehlt, welche im Erk. B61/90 dargelegt sind. Auch im vorliegenden Beschwerdefall behauptet der Beschwerdeführer lediglich, daß "verfestigte Standesauffassungen" fehlten, unterläßt es aber ebenso, sich mit der eingehenden Begründung des jeweiligen Schuldspruchs inhaltlich weiter auseinanderzusetzen. Der Verfassungsgerichtshof vermag sohin keinen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler der bekämpften Disziplinarentscheidung zu finden.
3. Grundsätzlich das gleiche gilt für die vom Beschwerdeführer unter dem Aspekt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung erhobenen Vorwürfe. Auch insoweit kann sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines Erkenntnisses B61/90 hinzuweisen.
4. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes behauptet der Beschwerdeführer einerseits hinsichtlich bestimmter Schuldsprüche mit einer Begründung, die bereits anläßlich der Beschwerde B61/90 als unzutreffend befunden wurde. Andererseits macht der Beschwerdeführer bezüglich eines anderen Schuldspruchs eine Verletzung des Gleichheitsrechtes deshalb geltend, weil sein Verhalten als Prozeßpartei wegen seiner Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltsstand gegenüber den anderer Verfahrensparteien unterschiedlich beurteilt werde. Hierauf genügt es zu erwidern, daß diese Unterscheidung sachlich begründbar ist, weil auch das Verhalten des in eigener Sache vor einer Behörde einschreitenden Rechtsanwaltes einem Dritten das Bild standesgemäßer Gepflogenheiten bietet. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes hat somit offenkundig nicht stattgefunden.
5. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß auch sonst die Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm nicht hervorgekommen ist.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
III. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B659.1990Dokumentnummer
JFT_10068871_90B00659_00