TE Vwgh Beschluss 2021/9/8 Ra 2021/17/0130

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
MRK Art8
VwGG §30 Abs2
  1. VwGG § 30 heute
  2. VwGG § 30 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 30 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2013
  4. VwGG § 30 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 30 gültig von 01.08.2004 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  6. VwGG § 30 gültig von 05.01.1985 bis 31.07.2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des F, geboren 1973, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 2021, Zl. I422 2015268-4/14E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antragnicht stattgegeben.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der belangten Behörde betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen mit der Maßgabe ab, dass die Frist für die freiwillige Ausreise auf drei Monate verlängert werde.

2        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die - mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundene - Revision. Der Aufschiebungsantrag wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Revisionswerber „seit bald acht Jahren im österreichischen Bundesgebiet aufhältig und seit sechs Jahren selbsterhaltungsfähig“ sei. Er sei seit April 2015 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebe mit dieser seit dem Jahr 2014 zusammen. Der Revisionswerber habe sich abgesehen von der Tatsache des illegalen Aufenthaltes in Österreich wohlverhalten und er falle „dem Staat nicht zur Last“. Wesentliche öffentliche Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, seien nicht erkennbar.

3        Die belangte Behörde macht in ihrer Stellungnahme zum Antrag auf aufschiebende Wirkung als zwingende öffentliche Interessen, die der Stattgabe entgegenstünden, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens geltend. Der Revisionswerber sei mehrfach näher genannten Ausreiseverpflichtungen nicht nachgekommen. Auch eine Verwaltungsstrafe nach § 120 Abs. 1b FPG von 5.000 € habe den Revisionswerber nicht dazu bewegt, seiner Ausreisepflicht nachzukommen. Der Revisionswerber sei also trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidungen im österreichischen Bundesgebiet verharrt.

4        Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist dem Revisionswerber auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug ein unverhältnismäßiger Nachteil für ihn verbunden wäre.

5        Der Verwaltungsgerichtshof hat im Aufschiebungsverfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen, Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Revisionsverfahrens haben außer Betracht zu bleiben. Ist das Revisionsvorbringen nach der Aktenlage nicht von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Darunter sind die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, soweit diese nicht von vornherein als unschlüssig bzw. evident mangelhaft zu erkennen sind (vgl. in dem Sinn VwGH 6.2.2021, Ra 2021/22/0025, mwN).

6        Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, hat der Revisionswerber im Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, worin für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil gelegen wäre. Er hat daher konkret darzulegen, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Die Anforderungen an die Konkretisierungsobliegenheit sind streng (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/04/0111; 29.1.2021, Ra 2021/17/0014).

7        Im gegenständlichen Fall legt der Revisionswerber einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des Vorgesagten nicht konkret dar. Die (oben wiedergegebenen) Ausführungen im Aufschiebungsantrag beschränken sich auf eine bloße Schilderung seiner Lebensumstände, ohne dass der Revisionswerber dabei einen unverhältnismäßigen Nachteil auch nur im Ansatz behauptet.

8        Dem Aufschiebungsantrag stehen auch die vom BVwG getroffenen Feststellungen entgegen, wobei diese nicht von vornherein als unschlüssig bzw. mangelhaft zu erkennen sind, und von denen daher bei der Entscheidung über den Provisorialantrag auszugehen ist.

9        Demnach ist der Revisionswerber auf das hier Wesentliche zusammengefasst gesund sowie arbeits- und erwerbsfähig. Zu einer in Nigeria lebenden Schwester hat er aufrechten telefonischen Kontakt. Die Ehe des Revisionswerbers ist geprägt von Höhen und Tiefen; „derzeit“ bekundet die Ehegattin des Revisionswerbers auch öffentlich, sich in einer Beziehung zu einer anderen Person als dem Revisionswerber zu befinden. Eine sprachliche Integration liegt nicht vor. Eine berufliche Anbindung des Revisionswerbers als Zeitungsverkäufer ist seit Ende 2013 gegeben. Seit 2015 kommt der Revisionswerber seiner mehrfach rechtskräftig ausgesprochenen Ausreiseverpflichtung nicht nach und verbleibt im Bundesgebiet. Aufgrund seiner unrechtmäßigen Einreise und seines unrechtmäßigen Verbleibes im Bundesgebiet wurde über den Revisionswerber eine Verwaltungsstrafe von 5.000 € verhängt (rechtskräftig seit 17. August 2019). Es besteht keine reale Gefahr, dass der Revisionswerber im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria einer wie auch immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

10       Ausgehend davon ist nicht zu sehen, dass dem Revisionswerber im Fall der Abschiebung ein unverhältnismäßiger Nachteil drohen würde, was er aber wie bereits ausgeführt im allein maßgeblichen Antragsvorbringen unter Missachtung der ihn treffenden Konkretisierungsobliegenheit ohnedies nicht behauptet hat.

11       Ferner ist hervorzuheben, dass der Revisionswerber durch seinen langjährigen und beharrlichen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet jedenfalls das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens beeinträchtigt. Der für ihn mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses verbundene Nachteil besteht angesichts der mehrfach rechtskräftig ausgesprochenen Ausreiseverpflichtung und seiner zerrütteten Ehe im Wesentlichen darin, dass der ihm aus dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK zumutbare rechtmäßige Zustand (wieder) hergestellt wird (vgl. VwGH 22.12.2017, Ra 2017/22/0216; erneut 29.1.2021, Ra 2021/17/0014; 6.2.2021, Ra 2021/22/0025). Ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG ist darin nicht zu sehen.

Wien, am 8. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021170130.L00

Im RIS seit

23.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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