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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §13Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Holzinger als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des G B in N, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. April 2022, W274 2228088-1/13E, betreffend Verwendungs- und Funktionszulage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht seit 4. Mai 1999 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ursprünglich wurde er im Exekutivdienst Verwendungsgruppe E2b, verwendet.
2 Am 11. August 2015 wurde der Revisionswerber mit Wirksamkeit vom 1. September bis 31. Dezember 2015 im Bereich des Bundesministeriums für Inneres der Abteilung III/9, Referat III/9a - Sonderbetreuungsstelle (SBS) NÖ (Mödling), dienstzugeteilt. Als stellvertretender Leiter war er mit der Wahrnehmung von Aufgaben eines Arbeitsplatzes der Verwendungsgruppe A2/Funktionsgruppe 4 betraut. Die Dienstzuteilung des Revisionswerbers wurde mit weiteren Verfügungen jeweils für mehrere Monate bis einschließlich 31. Jänner 2018 verlängert. Mit Verfügung vom 29. Jänner 2018 wurde der Revisionswerber ab 1. Februar 2018 dem Bundesministerium für Inneres, Abteilung III/9, BS Schwechat, dienstzugeteilt.
3 Mit 1. November 2018 wurde der Revisionswerber in die Verwendungsgruppe A2 überstellt, zum Bundesministerium für Inneres, Referat V/9/a, BS Schwechat versetzt und dort auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe A2/Funktionsgruppe 4 ernannt.
4 Mit Schreiben vom 10. November 2016 stellte der (unvertretene) Revisionswerber folgendes „Ansuchen“:
„Ich bin seit 01.09.2015 zum BMI, Abteilung III/9, Referat III/9/a, Sonderbetreuungsstelle Niederösterreich dienstzugeteilt und ersuche gem. § 80 GehG für die Zeit meiner Dienstzuteilung und Verwendung als stv. Betreuungsstellenleiter um Zuerkennung und Nachverrechnung einer Funktions- und Verwendungszulage seit dem 01.09.2015“.
5 Mit Bescheid vom 7. November 2019 gab die belangte Behörde dem „Antrag auf Zuerkennung und Auszahlung einer Funktions- bzw. Verwendungszulage“ für den Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2015 statt und erkannte dem Revisionswerber eine Ergänzungszulage nach § 36b Gehaltsgesetz (GehG 1956) auf einen Arbeitsplatz der Wertigkeit A2/4 zu. Für den Zeitraum 1. Jänner 2016 bis 30. Oktober 2018 wurde der Antrag abgewiesen.
6 Gegen diesen Bescheid erhob der (mittlerweile anwaltlich vertretene) Revisionswerber am 5. Dezember 2019 Beschwerde und beantragte wie folgt:
„Ich stelle sohin den Antrag den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass mir für die Zeit vom 1.9.2015 bis 31.10.2018 eine Verwendungszulage nach § 75 GehG sowie eine Funktionszulage nach §§ 30 Abs. 5 / 74 Abs. 5 GehG bemessen wird oder sonst im Sinne der Abgeltung jeder meiner besonderen Leistungen entschieden wird, die ich dadurch erbracht habe, dass ich im vorangeführten Zeitraum auf einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe A2, Funktionsgruppe 4, verwendet wurde, jedoch nur wesentlich geringer nach E 2b besoldet worden bin“.
7 Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis vom 17. Februar 2021 teilweise Folge und änderte den Bescheid, soweit damit der Antrag auf Funktions- bzw. Verwendungszulage für den Zeitraum 1. September 2015 bis 30. Oktober 2018 abgewiesen worden war, dahin ab, dass dem Revisionswerber eine Verwendungszulage gemäß § 75 Abs. 1 GehG für den Zeitraum 1. März 2016 bis 30. Juni 2018 zustehe.
8 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber fristgerecht Erkenntnisbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Nach einem amtswegig eingeleiteten Normenkontrollverfahren und Aufhebung von bestimmten Wortfolgen des § 75 Abs. 1 GehG (vgl. VfGH 3.3.2022, G 324/2021) hob der VfGH das angefochtene Erkenntnis mit Erkenntnis vom 03.03.2022 zur Gänze auf.
9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 1. April 2022 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers vom 5. Dezember 2019 neuerlich teilweise Folge und änderte den Bescheid, soweit damit der Antrag auf Funktions- bzw. Verwendungszulage für den Zeitraum 1. September 2015 bis 30. Oktober 2018 abgewiesen wurde, dahin ab, dass dem Revisionswerber für den Zeitraum 1. März bis 31. Oktober 2018 eine Verwendungszulage gemäß § 75 Abs. 1 GehG zustehe und der Antrag auf Zuerkennung einer Verwendungszulage für den Zeitraum vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 sowie einer Funktionszulage vom 1. März 2016 bis 31. Oktober 2018 abgewiesen werde. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
11 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
12 § 80 Gehaltsgesetz (GehG 1956), BGBl. Nr. 54/1956 in der Fassung BGBl. Nr. I 94/2000 lautet:
„Gemeinsame Bestimmungen für Funktionszulage, Funktionsabgeltung, Verwendungszulage und Verwendungsabgeltung
§ 80.
(1) Wird ein Beamter des Exekutivdienstes vorübergehend auf einem höherwertigen Arbeitsplatz des Allgemeinen Verwaltungsdienstes oder des Militärischen Dienstes verwendet, sind eine allfällige Funktionsabgeltung und eine allfällige Verwendungsabgeltung in einer den Bemessungskriterien der §§ 78 und 79 entsprechenden Höhe zu ermitteln.
(2) Für denselben Zeitraum kann dem Beamten des Exekutivdienstes nur eine einzige nach den §§ 78 und 79 anspruchbegründende Verwendung nach diesen Bestimmungen abgegolten werden. Übt er zur selben Zeit mehrere solche Verwendungen aus, ist jene abzugelten, für die diese Bestimmungen den insgesamt höchsten Abgeltungsanspruch vorsehen.
(3) Für eine Verwendung auf einem bestimmten Arbeitsplatz kann für denselben Zeitraum nicht mehr als einem Beamten eine Funktionszulage oder eine Verwendungszulage nach § 75 oder eine Ergänzungszulage nach § 77a oder eine Funktionsabgeltung oder Verwendungsabgeltung gebühren. Wird eine Vertretung gleichzeitig von mehreren Bediensteten wahrgenommen, gebührt die Verwendungszulage nach § 75 Abs. 4 oder die Ergänzungszulage nach § 77a oder die Funktionsabgeltung oder die Verwendungsabgeltung ausschließlich dem Beamten, der diese Vertretung nach Art und Umfang der Tätigkeit überwiegend wahrnimmt.
(4) Maßgebend für den Anspruch auf die Funktionsabgeltung und auf die Verwendungsabgeltung ist, daß der betreffende Arbeitsplatz dem Exekutivdienst zugeordnet ist. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob auch der Vertretene dem Exekutivdienst angehört.
(Anm.: Abs. 5 und 6 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 94/2000)“
13 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit seiner Revision unter anderem damit, dass er in seinem Antrag vom 10. November 2016 um Zuerkennung und Nachverrechnung einer Funktions- und Verwendungszulage angesucht habe. Dabei habe er aber auch auf die Bestimmung des § 80 GehG 1956 Bezug genommen, der sämtliche Zulagen und Abgeltungen umfasse. Er stehe auf dem Standpunkt, dass ihm für den Zeitraum von 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 eine Funktionsabgeltung gemäß § 78 GehG 1956 und eine Verwendungsabgeltung gemäß § 79 GehG 1956 gebühre. Das Bundesverwaltungsgericht hätte ihm die Möglichkeit eines ergänzenden Vorbringens geben müssen.
14 Mit diesem Vorbringen erweist sich die vorliegende Revision als zulässig; sie ist auch berechtigt.
15 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits - zum gemäß § 17 VwGVG auch vom Verwaltungsgericht anzuwendenden § 13 AVG - ausgesprochen hat, kommt es bei der Auslegung von Parteianbringen auf das aus diesen erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd, weswegen auch bei der Auslegung von Parteianbringen im Sinn des § 13 AVG kein streng formalistischer Maßstab anzulegen ist. Wenn sich der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens als unklar erweist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 iVm § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (vgl. etwa VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0391 und 2.10.2019, Ra 2019/12/0040, jeweils mwN).
16 Mit seinem Antrag vom 10. November 2016 hatte der damals unvertretene Revisionswerber die Zuerkennung und Nachverrechnung einer „Funktions- und Verwendungszulage“ begehrt und dabei ausdrücklich auf § 80 GehG 1956 Bezug genommen. Dieser enthält neben Bestimmungen über Funktions- und Verwendungszulagen auch Regelungen über Funktions- und Verwendungsabgeltungen.
17 Aufgrund dieses Antrags hatte die belangte Behörde dem Revisionswerber für den Zeitraum eine Ergänzungszulage nach § 36b GehG 1956 zuerkannt, und den Antrag für den darüber hinausgehenden Zeitraum abgewiesen. Begründend hatte die belangte Behörde lediglich ausgeführt, aus welchem Grund ein Anspruch auf Funktions- und Verwendungszulage bestehe; zur Nichtgewährung einer Funktions- oder Verwendungsabgeltung hatte der Bescheid ebenso keine Ausführungen enthalten, wie dazu, aus welchem Grund eine Ergänzungszulage zugesprochen worden ist.
18 Infolge des weit gefassten Beschwerdeantrags, der zwar primär auf einen Zuspruch von Funktions- und Verwendungszulage, im Übrigen aber auf Abgeltung jener Leistungen, die dadurch erbracht worden seien, dass der Revisionswerber auf einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe A2, Funktionsgruppe 4, verwendet, jedoch nur wesentlich geringer nach E2b besoldet worden sei, gerichtet war, hätte das Verwaltungsgericht den mittlerweile anwaltlich vertretenen Revisionswerber dazu anhalten müssen, klarzustellen, worauf sein verfahrenseinleitender Antrag tatsächlich gerichtet gewesen war und ihn gegebenenfalls zu entsprechenden Präzisierungen auffordern müssen. Dies hat das Verwaltungsgericht jedoch unterlassen.
19 Indem das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass der verfahrensleitende Antrag des Revisionswerbers zweifellos nur auf die Zuerkennung einer Verwendungs- und Funktionszulage gerichtet war und es daher unterlassen hat, die Parteiabsicht zu erforschen, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
20 Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. November 2022
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022120055.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023