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21/01 HandelsrechtNorm
EStG 1988 §2 Abs3 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Ing. Mag. G P in W, vertreten durch Dr. Werner Heissig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Jänner 2021, W228 2233597-1/4E, betreffend Pflichtversicherung nach dem GSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 10. Juni 2020 stellte die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) fest, dass der Revisionswerber von 1. Jänner 2018 bis 31. Dezember 2018 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterlegen sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab.
3 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - aus, der Revisionswerber halte 75 % der Gesellschaftsanteile der P GmbH. Er sei zunächst Geschäftsführer dieses Unternehmens und aufgrund dessen nach § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG pflichtversichert gewesen. Im Dezember 2017 sei der Revisionswerber im Firmenbuch als Geschäftsführer gelöscht worden. Unter einem sei seine Eintragung als Prokurist der P GmbH erfolgt. In dieser Funktion sei der Revisionswerber in der Folge für die P GmbH tätig geworden. Im Einkommensteuerbescheid des Revisionswerbers für das Jahr 2018 würden Einkünfte aus selbständiger Arbeit in der Höhe von € 275.853,22 ausgewiesen. Ob davon, wie vom Revisionswerber in der Beschwerde vorgebracht, lediglich € 39.254,40 Bezüge für seine Tätigkeit als Prokurist im Jahr 2018 seien, sei für die gegenständliche Frage der Pflichtversicherung nicht relevant, weil die Versicherungsgrenze jedenfalls überschritten worden sei.
4 In rechtlicher Hinsicht erachtete das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG als gegeben. Vom Revisionswerber seien aus seiner Tätigkeit für die P GmbH Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (§ 22 Z 1 bis 3 und 5 EStG 1988) in einer die Versicherungsgrenze übersteigenden Höhe erzielt worden. Durch diese Erwerbstätigkeit sei auch keine der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vorgehende andere Pflichtversicherung nach dem GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz - insbesondere auch keine nach § 4 Abs. 2 oder Abs. 4 ASVG - eingetreten.
5 Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu fehle, ob ein Prokurist einer GmbH der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die revisionswerbende Partei auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, wenn die Begründung der Revisionszulässigkeit durch das Verwaltungsgericht nicht ausreicht (oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet). Der Verwaltungsgerichtshof hat weder Gründe für die Zulässigkeit der Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen noch ist er berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 1.9.2022, Ro 2021/09/0018, mwN).
10 Die vorliegende Revision verweist zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf die dazu vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründe. Das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ist daher (nur) in diesem Rahmen zu prüfen.
11 Die Kriterien der „neuen Selbständigkeit“ werden in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG damit umschrieben, dass es sich (1) um selbständig erwerbstätige Personen handelt, die (2) auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit (3) bestimmte Arten von Einkünften im Sinn des EStG 1988 beziehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund der Frage, ob der Wortfolge „auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit“ in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ein selbständiger Aussagewert zukommt, festgehalten, dass die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG für jedes Einkommen bestehen soll, das nicht der Privatsphäre zuzurechnen ist. Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sollen alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten erfasst werden, sofern nicht auf Grund der jeweiligen Tätigkeit bereits eine Pflichtversicherung nach einem anderen Versicherungstatbestand nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Der Gesetzgeber hat dabei auch das „Ziel der Harmonisierung mit dem Steuerrecht“ verfolgt und dazu ausdrücklich auf bestimmte Einkunftsarten des EStG 1988 Bezug genommen, die - anders als die in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG nicht genannten Einkunftsarten nach § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 EStG 1988 - eine selbständige, auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbstätigkeit voraussetzen, nämlich auf Einkünfte aus „selbständiger Arbeit“ im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 2 iVm. §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 EStG 1988 sowie auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 3 iVm. § 23 EStG 1988. Einkünfte, die steuerlich diesen Einkunftsarten zuzuordnen sind, können daher nicht als der Privatsphäre - in Abgrenzung zu einer (selbständigen betrieblichen) Erwerbstätigkeit - zugehörig angesehen werden. Mit der unmittelbaren Anknüpfung an die steuerrechtlichen Tatbestände lässt der Gesetzgeber zudem keinen Raum dafür, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens einer selbständigen betrieblichen Tätigkeit vorzunehmen und damit materiell die im Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides von den Finanzbehörden im Hinblick auf die Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten entschiedene Rechtsfrage erneut zu prüfen (vgl. grundlegend unter Auseinandersetzung mit den Gesetzesmaterialien und der Literatur VwGH 18.12.2003, 2000/08/0068; sowie aus der folgenden Judikatur etwa VwGH 16.3.2011, 2007/08/0307).
12 Im Sinn dessen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem (die Versicherungsgrenzen übersteigende) Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht besteht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde (und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist). Ob die von der zuständigen Abgabenbehörde getroffene einkommensteuerrechtliche Beurteilung zutreffend ist, ist im Verfahren betreffend die Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht (mehr) zu prüfen (vgl. etwa VwGH 20.3.2014, 2013/08/0012; 30.9.2021, Ra 2021/08/0092; jeweils mwN).
13 Der Revisionswerber hat unstrittig nach dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid im Jahr 2018 (die Versicherungsgrenzen übersteigende) Einkünfte aus selbständiger Erwerbtätigkeit erzielt, an die die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG anknüpft. Hinsichtlich der Frage, welche Bedeutung der Erteilung einer Prokura bei der Beurteilung zukommt, ob die den Einkünften zugrundeliegende Tätigkeit (weiter) ausgeübt wurde, ist festzuhalten, dass es sich bei der Prokura (vgl. §§ 48-53 UGB) um eine im Firmenbuch einzutragende, jederzeit widerrufliche, ihrem Umfang nach gesetzlich festgelegte, unübertragbare und unbeschränkbare Formalvollmacht handelt, die nur ein in das Firmenbuch eingetragener Unternehmer erteilen kann. Sie räumt dem jeweiligen Berechtigten ein rechtliches Können ein, begründet aber keine Verpflichtung zum Handeln (vgl. VwGH 9.9.2015, 2013/08/0227, mit weiteren Nachweisen und näheren Ausführungen dazu, dass daher aus einer Prokura keine Rückschlüsse auf die Pflichtversicherung von Kommanditisten nach §§ 2 Abs. 1 Z 4 GSVG möglich sind).
14 Allein aus der Erteilung einer Prokura lässt sich daher noch nicht schließen, dass der Revisionswerber im Jahr 2018 tatsächlich (weiterhin) einer seinen Einkünften aus selbständiger Erwerbtätigkeit zugrundeliegenden Tätigkeit für die P GmbH nachgegangen ist. Der Revisionswerber ist aber der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, seine Einkünfte aus selbständiger Erwerbtätigkeit seien - zumindest in einem die Versicherungsgrenze übersteigenden Ausmaß - einer Tätigkeit für die P GmbH im maßgeblichen Zeitraum zuzuordnen, nicht entgegengetreten.
15 Die Revision richtet sich weiters nicht gegen die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, aufgrund der Tätigkeit des Revisionswerbers für die P GmbH sei keine Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder einem anderen Bundesgesetz - insbesondere auch nicht als Dienstnehmer nach § 4 Abs. 2 ASVG oder freier Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG - eingetreten.
16 Davon ausgehend entspricht die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, der Revisionswerber sei der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Die Revision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass ihr Schicksal von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
17 Die Revision, in der keine Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen werden, war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 1. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021080009.J00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023