Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des DI M P in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2021, W246 2230577-2/7E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Ernennung (Überstellung) und besoldungsrechtliche Stellung (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie),
Spruch
I. den
Beschluss
gefasst:
Die Revisionsbeantwortung der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus wird zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis zum Bund. Ihm wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 14. November 2019 mitgeteilt, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 werde durch die Änderung der §§ 112 und 113 des Telekommunikationsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 78/2018, die Struktur der Fernmeldebehörden neu organisiert. Es werde ein Fernmeldebüro mit örtlichem Wirkungsbereich über das gesamte Bundesgebiet eingerichtet und das Büro für Fluganlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen aufgelöst. Im Sinne des § 113 Abs. 2 leg. cit. würden Außenstellen des Fernmeldebüros in Wien, Salzburg, Innsbruck und Graz eingerichtet. Die derzeitigen Standorte in Linz, Hard und Klagenfurt würden als Übergangslösung aufrechterhalten. Da das Frequenzbüro in der neuen Struktur der Fernmeldebehörde untergehe, sei mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 die Funktion der Leitung des Frequenzbüros nicht mehr gegeben. Es bestehe daher die Absicht, den Revisionswerber von seiner bisherigen Funktion als Leiter des Frequenzbüros abzuberufen und ihn mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 dem Fernmeldebüro zur weiteren Dienstleistung zuzuweisen und mit dem Arbeitsplatz Referent A in der Abteilung Technik (Verwendungsgruppe A1, Funktionsgruppe 3 bzw. Verwendungsgruppe PF2, Funktionsgruppe 1) zu betrauen. Eine Arbeitsplatzbeschreibung für diesen Norm-Arbeitsplatz liege zu seiner Information bei. Der Dienstort des Revisionswerbers bleibe mit Wien unverändert.
2 Gemäß § 38 Abs. 6 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) werde dem Revisionswerber hiermit Gelegenheit gegeben, zu dieser Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Würden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gelte dies als Zustimmung zur Versetzung. Weil eine Ernennung in eine niedrigere Verwendungsgruppe gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ohne die schriftliche Zustimmung des Revisionswerbers nicht zulässig wäre, sei seine dienst- und besoldungsrechtliche Stellung der Funktionsgruppe 3 der Verwendungsgruppe PF1 zuzuordnen. In Anwendung der Bestimmung des § 113e des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG) gebühre dem Revisionswerber mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 die Funktionszulage der Funktionsgruppe PF1/2 längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 weiter.
3 Mit Eingabe vom 26. November 2019 erhob der Revisionswerber Einwendungen gegen die beabsichtigte Versetzung, die er insbesondere mit äußerst beträchtlichen Gehaltseinbußen begründete. Gleichzeitig beantragte er ausdrücklich die Ausstellung eines Bescheides. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 teilte der Revisionswerber u.a. mit, dass die Einwendungen vom 26. November 2019 aufrechterhalten würden und wiederholte seinen Antrag auf Ausstellung eines Bescheides.
4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2019 wurde der Revisionswerber gemäß § 38 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 31. Dezember 2019 von seiner bisherigen Funktion als Leiter des Frequenzbüros abberufen. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 wurde er dem Fernmeldebüro, Abteilung Technik, zur dauernden Dienstleistung zugewiesen und mit dem Arbeitsplatz „Referent/in (A) im Höheren Dienst in der Abteilung Technik (Bewertung: Verwendungsgruppe A1, Funktionsgruppe 3, bzw. Verwendungsgruppe PF2, Funktionsgruppe 1)“ betraut.
5 Mit Erledigung der belangten Behörde vom 19. Dezember 2019 wurde Folgendes ausgesprochen:
„Sehr geehrter Herr Hofrat!
Ich ernenne Sie gemäß den §§ 2 bis 5 iVm § 38 Abs. 9 und 10 des Beamten-Dienstrechtsrechtsgesetzes 1979, BGBl. I Nr. 333, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe PF2, Funktionsgruppe 1, im Planstellenbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, Zentralleitung.
Gemäß den §§ 63 und 246 leg.cit. sind sie zur Führung des Amtstitels ‚Oberrat‘ berechtigt.
Es gebühren Ihnen gemäß §§ 117a und 117c in Verbindung mit § 12a des Gehaltsgesetzes 1956 BGBl. Nr. 54, in der geltenden Fassung, ab 1. Jänner 2020 die Bezüge der Verwendungsgruppe PF2, Gehaltsstufe 15, mit der Funktionszulage der Funktionsgruppe 1 und mit nächster Vorrückung am 1. Jänner 2022.
Mit freundlichen Grüßen
...“
6 Mit Bescheid vom 28. Jänner 2020 stellte die belangte Behörde gemäß § 16 Z 2 Bundesministeriengesetz fest, dass der Revisionswerber überwiegend Aufgaben erfülle, die gemäß Abschnitt L Z 17 des Teils 2 der Anlage zu § 2 leg. cit. in der mit der Bundesministeriengesetz-Novelle 2020 geänderten Fassung mit Wirksamkeit vom 29. Jänner 2020 in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus fielen. Der Revisionswerber gehöre daher gemäß § 16 Z 1 leg. cit. ab 29. Jänner 2020 dem Planstellenbereich des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus an.
7 Der Revisionswerber erhob - soweit im vorliegenden Verfahren von Interesse - u.a. gegen die Erledigung vom 19. Dezember 2019 „zur Gänze“ Beschwerde, die mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen wurde. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, für die Erhebung einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht sei es gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG notwendige Voraussetzung, dass überhaupt ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde vorliege. Das vom Revisionswerber in Beschwerde gezogene Schreiben des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 19. Dezember 2019 erfülle nicht die notwendigen Merkmale für das Vorliegen eines Bescheides (Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, § 58, Rz 2 und 3): Es sei nicht ausdrücklich als „Bescheid“ bezeichnet und enthalte weder einen Spruch noch eine Rechtsmittelbelehrung (§ 58 Abs. 1 AVG), was nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes starke Indizien für das Nichtvorliegen eines Bescheides seien. Auch wenn die Behörde, die im Übrigen am Tag zuvor einen Bescheid mit sämtlichen notwendigen Bescheidmerkmalen erlassen habe, in diesem Schreiben zweifelsohne auch rechtliche Ausführungen treffe, sei nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Wille der Behörde erkennbar, hoheitlich und in förmlicher Weise über ein Rechtsverhältnis des Revisionswerbers abzusprechen, was sich u.a. auch aus der Anrede („Sehr geehrter Herr Hofrat“) und sonstigen Formulierungen („Mit freundlichen Grüßen“) des Schreibens ableiten lasse.
8 Das Bundesverwaltungsgericht gehe davon aus, dass § 10 DVG, wonach Ernennungen weder der Bezeichnung als Bescheid, noch einer Begründung oder einer Rechtsmittelbelehrung bedürften, im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelange. Hierzu übersehe das Bundesverwaltungsgericht zwar nicht, dass die „Überstellung“ eines Beamten in eine andere Besoldungs- und Verwendungsgruppe durch Verleihung einer Planstelle grundsätzlich einen Unterfall der „Ernennung“ darstelle. Die allgemein u.a. für Ernennungen bestehenden, eingeschränkten Formerfordernisse des § 10 DVG würden jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts für den in dem in Beschwerde gezogenen Schreiben vom 19. Dezember 2019 angeführten Fall der Überstellung im Sinne des § 38 Abs. 9 und 10 BDG 1979 nicht gelten, weil diese Absätze im Rahmen des Versetzungsregimes des § 38 leg. cit. verankert seien und die konkreten Voraussetzungen für amtswegige Überstellungen in andere Verwendungsgruppen mittels Zusammenfassung von Verwendungsgruppen des „Höheren Dienstes“ regelten.
9 Im Ergebnis liege somit kein tauglicher Beschwerdegegenstand vor, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen gewesen sei.
10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
11 Die belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht erstattete keine Revisionsbeantwortung. Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus erstattete eine Revisionsbeantwortung, die zurückzuweisen war, weil sie nicht Partei des vorliegenden Verfahrens ist.
12 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ausgeführt, die hier zentrale Frage laute, ob eine behördliche Erledigung einen Bescheid darstelle oder nicht. Dies sei im Revisionsfall betreffend die in Beschwerde gezogene Erledigung vom 19. Dezember 2019 zu bejahen. Die Erledigung habe im Briefkopf das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ausgewiesen, dazu auch noch ausdrücklich den Bundesminister namentlich bezeichnet, die Fertigung habe in einer unleserlichen handschriftlichen Unterschrift bestanden, maschinenschriftlich ergänzt ebenfalls durch den Namen des Bundesministers. Es könne überhaupt kein Zweifel bestehen, dass es sich dabei um einen Hoheitsakt gehandelt habe, mit welchem eine abschließende Rechtsgestaltung habe vorgenommen werden sollen, also um eine Erledigung basierend auf einem Entscheidungswillen mit einem entsprechenden Entscheidungscharakter. Durch den ersten Satz werde eine Ernennung verfügt und allein das schon lasse am Bescheidcharakter nicht zweifeln. Dadurch, dass § 10 DVG normiere, dass u.a. Ernennungen keiner Bezeichnung als Bescheid bedürften, werde implizit zum Ausdruck gebracht, dass sie dennoch ihrer Art und Qualität nach Bescheide darstellten. Es sei daher naheliegend, dass aus eben diesem Grund von der belangten Behörde keine Bezeichnung als Bescheid vorgenommen worden sei.
13 Außerdem stelle das inhaltlich zum Ausdruck Gebrachte keine amtswegig ohne Zustimmung des Beamten zulässige Ernennung dar. Der Revisionswerber sei früher in PF1/2 eingestuft gewesen und werde durch die in Beschwerde gezogene Erledigung auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe PF2, Funktionsgruppe 1 ernannt. Gemäß § 8 Abs. 2 BDG 1979 bedürfe die Ernennung eines Beamten auf eine Planstelle einer niedrigeren Verwendungsgruppe als jener, der der Beamte bisher angehört habe, seiner schriftlichen Zustimmung. Eine solche habe der Revisionswerber nie erteilt. Es lägen auch keinerlei Ausnahmefälle vor, in welchen die Herabstufung gegen den Willen des Beamten erfolgen könne, der gegenständliche Entscheidungsteil sei auch inhaltlich rechtswidrig.
14 Der zweite und der dritte Satz der angefochtenen Erledigung sei mit dem ersten Satz verknüpft; diese brächten zum Ausdruck, was die belangte Behörde als Konsequenz des ersten Satzes ansehe. Dies allerdings mit der Maßgabe, dass der dritte Satz mit seinen genauen Einstufungsbestimmungen einschließlich Vorrückungsangabe und auch noch einen eigenständigen zusätzlichen Entscheidungscharakter hätte. Dieser Entscheidungscharakter sei im Sinne der einschlägigen Judikatur in gleicher Weise gegeben wie für den ersten Satz.
15 Mit diesen Ausführungen wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt, sie ist auch berechtigt (siehe im Folgenden).
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
17 § 1 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2015, lautet auszugsweise:
„Anwendungsbereich
§ 1. (1) Auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses (im Folgenden ‚Dienstverhältnis‘ genannt) zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden ist das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991-AVG, BGBl. Nr. 51, mit den nachstehenden Abweichungen anzuwenden.
...“
18 § 10 DVG, BGBl. Nr. 29/1984, in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2012, lautet:
„Zu § 58 AVG
§ 10. Ernennungen, Verleihungen von Amtstiteln, Verständigungen über solche Ernennungen und Verleihungen sowie die mit Ernennungen und Verleihungen von Amtstiteln zusammenhängenden und gleichzeitig getroffenen Feststellungen und Verfügungen bedürfen weder der Bezeichnung als Bescheid, noch einer Begründung, noch einer Rechtsmittelbelehrung.“
19 § 38 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 33/1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2012, lautet auszugsweise:
„Versetzung
§ 38. (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.
(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.
(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor
1. bei Änderungen der Verwaltungsorganisation,
...
...
(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, dass es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.
(7) Die Versetzung ist mit Bescheid zu verfügen; In diesem ist festzustellen, ob der Beamte die für die Versetzung maßgebenden Gründe gemäß §§ 141a, 145b oder 152c BDG 1979 zu vertreten hat oder nicht. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Der vom Beamten zuletzt inne gehabte Arbeitsplatz darf bis zur Rechtskraft des Bescheides nicht auf Dauer besetzt werden.
...
(9) Die Beamtin oder der Beamte kann auf Antrag oder aus wichtigem dienstlichen Interesse von Amts wegen in eine andere Besoldungs- oder Verwendungsgruppe überstellt werden. Auf diese Fälle sind Abs. 2 letzter Satz und Abs. 3 bis 8 sinngemäß anzuwenden.
(10) Für die Ermittlung, ob eine Überstellung von Amts wegen zulässig ist, werden die Verwendungsgruppen aller Besoldungsgruppen wie folgt zusammengefasst:
1. Verwendungsgruppe ‚Höherer Dienst‘ und vergleichbare Verwendungen;
2. ...
...
Eine Überstellung kann von Amts wegen entweder in eine Verwendungsgruppe, die mit der gleichen Ziffer wie die aktuelle Verwendungsgruppe der Beamtin oder des Beamten zuzuordnen ist, oder in eine Verwendungsgruppe, die einer der Bezeichnung nach niedrigeren Ziffer als die aktuelle Verwendungsgruppe der Beamtin oder des Beamten zuzuordnen ist, erfolgen.“
20 § 58 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, lautet:
„Inhalt und Form der Bescheide
§ 58. (1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.
(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.
(3) Im Übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4.“
21 Das Bundesverwaltungsgericht gelangte zu dem Ergebnis, dass der Erledigung vom 19. Dezember 2019 keine Bescheidqualität zukomme.
22 Dabei übersieht das Bundesverwaltungsgericht, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bescheidqualität nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Dies gilt ebenso für die Beurteilung des Bescheidwillens, wofür objektive Merkmale maßgeblich sind und es auf die subjektive Vorstellung bzw. Absicht der befassten Organwalter nicht ankommt (vgl. etwa VwGH 18.12.2020, Ra 2017/08/0096, mwN).
23 Bei einer derartigen Beurteilung nach objektiven Gesichtspunkten ist zu berücksichtigen, dass nach § 10 DVG Ernennungen und Verleihungen eines Amtstitels weder der Bezeichnung als Bescheid, noch einer Begründung oder einer Rechtsmittelbelehrung bedürfen (vgl. etwa VwGH 28.3.2008, 2005/12/0062). Gemäß § 12a Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 ist die Überstellung die Ernennung zum Beamten einer anderen Besoldungs- oder Verwendungsgruppe. Sie fällt daher grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 10 DVG (vgl. etwa VwGH 18.9.1992, 91/12/0149). Nach objektiven Gesichtspunkten kommt der mit dem ersten Satz vorgenommenen Ernennung (Überstellung) nach ihrem Erscheinungsbild und - eindeutig normativ rechtsgestaltend formulierten - Wortlaut („Ich ernenne Sie...“ „Gemäß ... sind Sie berechtigt, den Amtstitel ... zu tragen“) Bescheidcharakter zu.
24 Nach dem gemäß § 1 Abs. 1 DVG hier anwendbaren § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Fallbezogen hat der Revisionswerber hier Einwendungen gegen die beabsichtigte Versetzung erhoben, sodass seinem Standpunkt mit der erfolgten Ernennung (Überstellung) nicht Rechnung getragen wurde. Eine Angelegenheit des § 10 DVG liegt daher im Revisionsfall betreffend die Ernennung und die Verleihung eines Amtstitels nicht vor (vgl. VwGH 25.1.2006, 2005/12/0198; 20.12.2005, 2005/12/0222). Eine allfällige Rechtswidrigkeit der hier in Bescheidform erfolgten Ernennung (Überstellung) ändert allerdings nichts an deren Bescheidqualität.
25 Da das Bundesverwaltungsgericht auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung zu dem Ergebnis gelangte, dass der Ernennung (Überstellung) in der Erledigung vom 19. Dezember 2019 sowie der Verleihung eines Amtstitels keine Bescheidqualität zukomme, war der angefochtene Beschluss insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
26 Soweit sich die Revision gegen die Zurückweisung der Beschwerde betreffend die besoldungsrechtliche Stellung in der Erledigung vom 19. Dezember 2019 richtet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Aufzählung in § 10 DVG eine taxative ist. Mit einer Ernennung hängen nur solche Feststellungen und Verfügungen zusammen, die ihrem Wesen nach zu dieser Ernennung gehören. Die Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung, die auf Grund einer Ernennung erlangt wird, zählt nicht zu den Wesensbestandteilen dieser Ernennung (vgl. VwGH 28.5.2014, Ro 2014/12/0025; 30.4.2014, Ro 2014/12/0015, jeweils mwN).
27 Diese nicht unter § 10 DVG fallende Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung des Ernannten bedarf daher gemäß § 58 Abs. 1 und Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 1 DVG einer Bezeichnung als Bescheid, einer Begründung sowie einer Rechtsmittelbelehrung.
28 Die fehlende Bezeichnung als Bescheid nimmt diesem Teil der Erledigung nicht von vornherein den Bescheidcharakter. In jedem Fall jedoch, in dem der Inhalt der Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre (sprachliche) Gestaltung, Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lassen, ist die Bezeichnung als Bescheid essentiell. Im Revisionsfall erübrigt sich allerdings eine - abschließende - diesbezügliche Beurteilung. Die Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung samt Vorrückung wurde nämlich offenbar ausgehend von der in derselben Erledigung eingangs erfolgten Ernennung vorgenommen. Mangels Begründung der Erledigung ist auch nicht ersichtlich, dass sie sich auf einen anderen Rechtsakt bezogen hätte. Aufgrund der Aufhebung der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Ernennung war daher der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung der Boden entzogen.
29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 2. Dezember 2022
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Besondere Rechtsgebiete Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021120026.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023