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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der Dr. S G in I, vertreten durch Dr. Herbert Ludwig Partl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Innstraße 59, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2021, Zl. W203 2226771-1/12E, betreffend Verleihung der Lehrbefugnis (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Rektorat der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. März 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) - im Beschwerdeverfahren - einen Antrag der Revisionswerberin vom 1. August 2018 auf Erteilung der Lehrbefugnis für das Fach „Ingenieurgeodäsie“ gemäß § 103 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 - UG ab.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zugrunde, der Revisionswerberin sei im Zuge des Habilitationsverfahrens der Nachweis einer hervorragenden wissenschaftlichen Qualifikation nicht gelungen.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision (gesondert) vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180 bis 0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).
7 In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revision gegen die Argumentation des Verwaltungsgerichts, die Mitwirkung eines befangenen Organwalters bei der Entscheidungsfindung eines Kollegialorganes stelle nur dann einen relevanten Verfahrensmangel dar, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass bei Nichtwirkung dieses Organwalters das Kollegium zu einem anderen Beschluss hätte gelangen können. Fallbezogen, so das Verwaltungsgericht, sei nicht davon auszugehen, dass die beiden von der Revisionswerberin als befangen bezeichneten Mitglieder der Habilitationskommission einen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der weiteren Kommissionsmitglieder gehabt hätten, insbesondere weil die Kommission aus neun Mitgliedern - fünf Universitätsprofessoren, zwei Mittelbauvertretern, zwei Studierendenvertretern - bestanden habe und die Abstimmung geheim und einstimmig erfolgt sei.
8 Nach dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die Befangenheit auch nur einer Minderheit eines entscheidungsbefugten Kollegialorgans insoweit Auswirkungen auf die Entscheidung haben könnte, als gerade die Befangenheit auch nur einzelner Mitglieder des Kollegialorganes im Zuge der Meinungsbildung entsprechende Auswirkungen haben und damit maßgeblich (auch) die Entscheidung der Mehrheit beeinflussen könnte (Hinweis auf VwGH 21.6.2005, 2001/06/0052; 18.3.1992, 90/12/0167). Es liege auf der Hand, dass die Teilnahme zweier befangener Mitglieder der Habilitationskommission, die beide - wie den Protokollen der Kommissionssitzungen entnommen werden könne - jeweils dezidiert Beiträge in der Diskussion, etwa über die Wertung der eingeholten Gutachten und den wissenschaftlichen Rang der Sachverständigen, eingebracht hätten, geeignet gewesen sei, die Meinungsbildung der weiteren Kommissionsmitglieder und nachfolgend deren Abstimmungsverhalten zu beeinflussen, zumal es sich bei den befangenen Kommissionsmitgliedern um solche aus dem Kreis der Universitätsprofessoren gehandelt habe. Abgesehen davon komme der Mitwirkung von befangenen Kommissionsmitgliedern auch deshalb Relevanz zu, weil die Entscheidung der Habilitationskommission - entgegen der aktenwidrigen Annahme des Verwaltungsgerichts - nicht einstimmig gefasst worden sei.
9 Es liege auch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Bedeutung einer geheimen Abstimmung für die Relevanz der Mitwirkung eines befangenen Mitglieds eines Kollegialorganes vor.
10 Dieses Zulässigkeitsvorbringen wendet sich ausschließlich gegen die Verneinung der Relevanz des mit der vorgebrachten Befangenheit zweier Mitglieder der Habilitationskommission behaupteten Verfahrensmangels. Das Verwaltungsgericht hat jedoch nicht nur die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels beurteilt, sondern zunächst schon die behauptete Befangenheit selbst mit der Begründung verneint, dass der Umstand, dass die Revisionswerberin zu den von ihr als befangen bezeichneten Universitätsprofessoren über einen längeren Zeitraum in einem nahen beruflichen Umfeld gestanden sei, für sich genommen noch kein Indiz für eine Voreingenommenheit oder Befangenheit darstelle, selbst wenn es während dieser Zusammenarbeit zu mehreren Meinungsverschiedenheiten zwischen der Revisionswerberin und diesen Personen gekommen sei. Dazu sei in der Funktion als Kommissionsmitglied kein unmittelbares Urteil über die Revisionswerberin selbst abzugeben, sondern es sei vielmehr auf Basis der Gutachten und Stellungnahmen eine Entscheidung zu treffen gewesen.
11 Gegen die Verneinung des Vorliegens eines Befangenheitsgrundes (also gegen diesen Teil der Alternativbegründung) bringt die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts vor.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass sich eine Revision als unzulässig erweist, wenn das angefochtene Erkenntnis - wie hier - auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird (vgl. etwa VwGH 20.6.2022, Ra 2022/10/0038; 29.7.2020, Ra 2020/10/0075, mwN). Das rechtliche Schicksal der Revision hängt demnach nicht von der vorgebrachten Abweichung von der Judikatur zur Relevanz eines Verfahrensmangels wegen Mitwirkung befangener Mitglieder eines Kollegialorganes ab.
13 Im Zusammenhang mit der Verlesung einer „schriftlichen Zeugenbefragung“ in der mündlichen Beschwerdeverhandlung wird in der Zulässigkeitsbegründung die Frage aufgeworfen, inwieweit die Verletzung des Fragerechtes der Parteien gegenüber Zeugen, deren Aussagen das Verwaltungsgericht seinen Sachverhaltsfeststellungen zugrunde legt, auch in Verfahren außerhalb des Verwaltungsstrafverfahrens einen erheblichen Verfahrensmangel begründe. Hierzu bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Angesichts der Tatsachen, dass einerseits (auch) die Befangenheit des nicht im Rahmen der Beschwerdeverhandlung einvernommenen Zeugen, andererseits auch die nicht nachvollziehbare Würdigung der Habilitationsgutachten im behördlichen Verfahren gegenständlich gewesen seien und dazu jedenfalls Fragen auch von der Revisionswerberin an den Zeugen als Kommissionsvorsitzenden zu stellen gewesen wären, sei die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und daraus folgend des Fragerechtes von erheblicher Relevanz, zumal das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Erkenntnis im Hinblick auf die Befangenheit zweier Kommissionsmitglieder und das Vorliegen einer unzureichenden Begründung der Entscheidung der belangten Behörde hätte gelangen können.
14 Dazu ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungen im Habilitationsverfahren nicht als solche über zivilrechtliche Ansprüche („civil rights“) im Sinn des Art. 6 EMRK zu qualifizieren sind (vgl. VwGH 30.1.2019, Ra 2019/10/0002; 12.9.2005, 2002/10/0217, unter Hinweis auf Rechtsprechung des EGMR).
15 Im Fall der Geltendmachung eines Verfahrensmangels setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 7.9.2022, Ra 2022/11/0120; 27.7.2022, Ra 2022/10/0057; 18.5.2022, Ro 2021/10/0008, mwN).
16 Mit der wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung zur Verletzung des Fragerechtes der Parteien zeigt die Revisionswerberin die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht in der im Sinn der dargestellten Judikatur geforderten, konkreten Weise auf. Die pauschale Behauptung bloß des Themas, zu dem eine Befragung hätte stattfinden sollen, lässt ohne Darlegung konkreter Fragestellungen und der aus der Befragung abzuleitenden Sachverhaltsfeststellungen keine Rückschlüsse auf die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels zu.
17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021100067.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023