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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1986 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. September 1994, Zl. SD 548/94, betreffend Ausstellung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. September 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Jänner 1994 auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 6 Abs. 1 Z. 6 Waffengesetz (WaffG), abgewiesen.
In der Begründung stützte sich die belangte Behörde im wesentlichen darauf, daß aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 8. März 1994 der Berufungswerber die geforderte Verläßlichkeit nicht besitze. Die belangte Behörde habe zudem einen weiteren Gutachter beigezogen. Der Chefarzt der Bundespolizeidirektion Wien sei in seinem Gutachten vom 3. August 1994 aufgrund seines Befundes ebenfalls zum Ergebnis gelangt, daß der Berufungswerber aufgrund seines krankhaften Geisteszustandes nicht als verläßlich angesehen werden könne.
Der Beschwerdeführer tritt dem angefochtenen Bescheid im wesentlichen mit der Behauptung entgegen, daß der Schluß der Behörde auf Vorliegen einer Geisteskrankheit in den Gutachten überhaupt keine Deckung finde, weil daraus keine im gegenwärtigen Zeitpunkt vorliegende Geisteskrankheit zu erkennen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es ist Aufgabe eines Sachverständigen, der Behörde im Zuge eines Verfahrens Fachwissen zur Sachverhaltsermittlung zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht notwendig, daß Befund und Gutachten eines Sachverständigen das Niveau einer wissenschaftlichen Darstellung aufweisen müssen, sondern das aus einem Befund und dem Urteil (dem Gutachten im engeren Sinn) bestehende Gutachten muß zumindest so gestaltet sein, daß es auf seine Schlüssigkeit hin überprüft werden kann. Der Befund hat alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, die für das Urteil erforderlich sind (vgl. hiezu die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 369, wiedergegebene
hg. Rechtsprechung).
Das "Gutachten" des Amtsarztes Dr. U vom 8. März 1994 gibt in äußerst knapper Form das Ergebnis der Untersuchung wieder und verweist im wesentlichen auf im Akt enthaltene stationäre Behandlungen des Beschwerdeführers, weitere Behandlungen und auf die Anzeige mit anschließender Gerichtsverhandlung wegen gefährlicher Drohung und Körperverletzung 1992, aus welcher sich ergebe, daß der Beschwerdeführer noch immer an Verfolgungswahn leide und nicht in der Lage sei, seine Emotionalität unter Kontrolle zu halten.
Diesem äußerst knappen "Gutachten" fehlen wesentliche Ausführungen (etwa konkret durchgeführte Untersuchungen, konkrete Benennung jener Grundlagen sowie jener daraus gewonnenen Merkmale, die zum Urteil des Amtsarztes führten), sodaß die Schlüssigkeit nicht überprüfbar ist.
Der Beschwerdeführer ist der ihm gebotenen Gelegenheit, zu diesem "Gutachten" Stellung zu nehmen, nicht nachgekommen, sondern kritisiert erst anläßlich der Berufung das "Gutachten" mit Ausführungen, die lediglich die Nichtberücksichtigung des Freispruchs im Gerichtsverfahren zu Recht rügen, sich ansonsten jedoch in unsachlichen Angriffen gegen den Gutachter und weitere namentlich nicht genannte Ärzte samt unterschwelliger Anschuldigung von strafrechtlichen Handlungen der Ärzteschaft und im Hinweis auf den Fall des K erschöpfen.
Die belangte Behörde veranlaßte zwar eine neuerliche amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers. Diese erbrachte am 3. August 1994 jedoch nur folgendes "Gutachten" (Akt S. 71):
"Obgenannter wurde heute vom Gefertigten pol.chefärztl. untersucht.
Die Vorgeschichte darf als bekannt vorausgesetzt werden; unter anderem ein längerer stationärer Krankenhausaufenthalt im Psychiatrischen Krankenhaus Ybbs.
Bei der heutigen Untersuchung fällt der Genannte durch etwas dissimulierte Verfolgungsideen auf. Er spricht viel, ist ängstlich, bei längerem Erzählen kommt es zu einem plötzlichen Abriß des Gedankenductus. Halluzinationen werden negiert, verfolgt fühlt er sich von der Behörde und von den behandelnden Ärzten. Ein relativ enges System ist explorierbar.
Nach § 6 Waffengesetz ist eine Verläßlichkeit mit Sicherheit aufgrund des Bestehens einer Geisteskrankheit, die dem schizophrenen Formenkreis zugeordnet werden kann, nicht gegeben."
Auch diesem "Gutachten" fehlen konkret nachvollziehbare Kriterien (z.B. auf welche Stellen der teils zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangenden "Vorgeschichte" es sich stützt, welche konkreten Untersuchungen durchgeführt wurden), um den Schluß, beim Beschwerdeführer bestehe zum Untersuchungszeitpunkt eine Geisteskrankheit des schizophrenen Formenkreises, nachvollziehen zu können. Zudem ist nicht ersichtlich, ob es von einem tauglichen Sachverständigen (z.B. Facharzt für Psychiatrie) erstellt wurde. Ein solches "Gutachten" kann in seiner Beweiskraft sogar durch die Äußerung eines diesbezüglichen Laien bekämpft werden. Die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers ist daher geeignet, die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels aufzuzeigen, daß sie sich auf ein unzureichendes "Gutachten" stützte und weitere Ermittlungen zu dem für § 6 Abs. 1 Z. 6 WaffG maßgeblichen Sachverhalt, nämlich zu einer gegebenenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde vorliegenden Geisteskrankheit oder Geistesschwäche unterließ.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Damit ist jedoch nicht gesagt, daß dem Beschwerdeführer die gemäß § 6 WaffG geforderte Verläßlichkeit für die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zukommt.
Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, daß für die Feststellung mangelnder Verläßlichkeit nicht notwendigerweise das Vorliegen einer Geisteskrankheit entscheidend ist, sondern aufgrund des nach Wortlaut und Sinn der Regelung des § 6 WaffG anzulegenden strengen Maßstabes (vgl. die in Hauer - Kepplinger, Waffengesetz, Seite 30, wiedergegebene hg. Rechtsprechung) selbst die hinreichend nachvollziehbare Feststellung, daß eine Person Anzeichen einer Geisteskrankheit aufweise, den Schluß rechtfertige, daß es dem Betreffenden an der erforderlichen Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG fehle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1977, Zl. 2794/76, VwSlg. 9355 A/1977; betreffend paranoide Reaktionsbereitschaft).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 59 iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend "Barauslagenersatz" (zu verstehen als Ersatz für BUst) war abzuweisen, da die Beschwerde nur in zweifacher Weise samt Beilage einer Ausfertigung (Kopie) des angefochtenen Bescheides einzubringen war, weshalb nur eine Gebührenpflicht in Höhe von S 270,-- entstanden ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200805.X00Im RIS seit
25.04.2001