TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/6 Ra 2021/12/0022

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Veröffentlicht am 06.12.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/12 Urkunden
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §18
AVG §18 Abs3
AVG §45 Abs3
AVG §56
AVG §58
SigG 1999 §2 Z1
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
  1. AVG § 18 heute
  2. AVG § 18 gültig ab 01.01.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  3. AVG § 18 gültig von 01.03.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  4. AVG § 18 gültig von 01.01.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  5. AVG § 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  6. AVG § 18 gültig von 01.07.1995 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  7. AVG § 18 gültig von 01.02.1991 bis 30.06.1995
  1. AVG § 18 heute
  2. AVG § 18 gültig ab 01.01.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  3. AVG § 18 gültig von 01.03.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  4. AVG § 18 gültig von 01.01.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  5. AVG § 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  6. AVG § 18 gültig von 01.07.1995 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  7. AVG § 18 gültig von 01.02.1991 bis 30.06.1995
  1. VwGG § 41 heute
  2. VwGG § 41 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 41 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 41 gültig von 01.07.2012 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  5. VwGG § 41 gültig von 01.01.1991 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  6. VwGG § 41 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990
  1. VwGG § 42 heute
  2. VwGG § 42 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 42 gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. VwGG § 42 gültig von 01.07.2008 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  5. VwGG § 42 gültig von 01.01.1991 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  6. VwGG § 42 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des Personalamts Salzburg der Österreichischen Post AG, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2021, W259 2221091-2/3E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Mehrdienstleistungen (mitbeteiligte Partei: G G in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Mitbeteiligten „gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Personalamts Salzburg der Österreichischen Post AG vom 05.12.2019“ zurück und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Das Bundesverwaltungsgericht traf dabei folgende Feststellungen:

„Die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Personalamtes Salzburg der Österreichischen Post AG vom 05.12.2019 trägt keine Unterschrift jener Organwalterin, die die Erledigung genehmigt hat. Die Erledigung enthält anstelle der Unterschrift auch kein Verfahren zum Nachweis der Identität der Genehmigenden und der Authentizität des Inhalts der Erledigung oder eine Beglaubigung. Im Verwaltungsakt befindet sich auch keine Durchschrift oder Kopie der an den Beschwerdeführer zugestellten Ausfertigung der Erledigung.

Gegen diese Erledigung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.“

3        Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, gemäß § 18 Abs. 3 AVG seien schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; sei die Erledigung elektronisch erstellt, könne an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-Government-Gesetz - E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

4        Gemäß § 18 Abs. 4 AVG habe jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssten mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein. Ausfertigungen in Form von Ausdrucken mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchten keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen hätten die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift könne die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimme und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden sei. Das nähere über die Beglaubigung werde durch Verordnung geregelt.

5        Im Anwendungsbereich des § 18 AVG müsse jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen (Organwalter) zurechenbar bleiben (Hinweis auf VwGH 10.9.2015, Ra 2015/09/0043; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009, jeweils unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I², § 18 Rz 8).

6        Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen habe, müsse die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehabe und von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein (Hinweis auf VwGH 28.6.2011, 2010/17/0176; 29.11.2011, 2010/10/0252). Fehle es an einer solchen Genehmigung, liege kein Bescheid vor (Hinweis auf VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018; 31.10.2014, Ra 2014/08/0015; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).

7        Gemäß § 18 Abs. 3 AVG müsse also jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift - bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung - genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sein. Andernfalls komme eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genüge (Hinweis auf VwGH 24.10.2017, Ra 2016/10/0070, unter Hinweis auf VwGH 29.11.2011, 2010/10/0252).

8        Für den gegenständlichen Fall bedeute dies Folgendes: Im vorliegenden Fall sei keine im Sinne des § 18 Abs. 3 AVG dokumentierte Genehmigung der Erledigung vom 5. Dezember 2019 erfolgt, weil die Urschrift nicht mit der Unterschrift der Genehmigenden versehen und diese auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität der Organwalterin genehmigt worden sei.

9        Bei dieser Ausfertigung handle es sich daher um eine „sonstige Ausfertigung“ im Sinne des § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG, die dementsprechend zu unterschreiben oder zu beglaubigen sei (Hinweis auf VwGH 28.2.2018, Ra 2015/06/0125). Fehle es an einer Unterschrift oder Beglaubigung, sei der Bescheid den Parteien gegenüber nicht wirksam geworden (Hinweis auf VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102).

10       Da das angefochtene Schriftstück somit keinen einer Beschwerde nach Art. 130 B-VG zugänglichen Rechtsakt darstelle, bedinge dies eine gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AVG von amtswegen wahrzunehmende sachliche Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (idS Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K10 unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG). Die vorliegende Beschwerde richte sich somit gegen einen Nichtbescheid, weshalb diese zurückzuweisen gewesen sei.

11       Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision wurde zusammengefasst damit begründet, dass die vorliegende Entscheidung nicht von der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche und auch sonst keine Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage vorlägen.

12       Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision des Personalamts Salzburg der Österreichischen Post AG mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

13       Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird Folgendes vorgebracht:

4.1 Das Verwaltungsgericht weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach ein Bescheid mit Zustellung an die (bzw. im Mehrparteienverfahren zumindest an eine) Partei als erlassen anzusehen ist (VwGH 22.02.2001, 99/20/0487; VwGH 25.11.2015, Ra 2015/09/0104) und die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels ausspricht, zu prüfen hat, ob die Zustellung des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, und das Ergebnis ihrer Feststellungen dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung vorzuhalten hat (VwGH 7.8.2002, 2002/08/0075). Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für die Verwaltungsgerichte (VwGH 01.08.2019, Ra 2019/02/0114).

4.2 Entgegen dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht erstens keine Feststellungen zum Inhalt der Erledigung vom 05.12.2019, wie sie der mitbeteiligten Partei zugestellt wurde, getroffen, weshalb nicht feststeht, dass sich die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen einen im Rechtssinn nicht existenten Bescheid richtet. Zweitens hat das Verwaltungsgericht keine Ermittlungen darüber gepflogen, ob der mitbeteiligten Partei die Erledigung in der in Punkt 1.2 beschriebenen Fassung mit Unterfertigung durch eine approbationsbefugte Person zugestellt wurde, sondern seine Entscheidung ausschließlich auf den ihm vorgelegten Akteninhalt gestützt. Drittens hat das Verwaltungsgericht das Ergebnis seiner Feststellungen nicht den Verfahrensparteien im Beschwerdeverfahren, jedenfalls nicht der mitbeteiligten Partei als Rechtsmittelwerberin, vorgehalten.

4.3 Bei Durchführung eines mängelfreien Verfahrens, das Ermittlungen zum Inhalt der der mitbeteiligten Partei zugestellten Erledigung und dem Vorhalt der Ergebnisse der Feststellungen vor der Erlassung des Beschlusses einschließt, wäre das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gelangt, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei zulässig, jedenfalls nicht aus dem im angefochtenen Beschluss angeführten Grund unzulässig ist, weil die der mitbeteiligten Partei zugestellte Erledigung eine Bescheid iSd §§ 56 ff AVG darstellt, der mit seiner Zustellung in rechtliche Existenz getreten ist.“

15       Die revisionswerbende Partei schloss der Revision eine Kopie der Erledigung vom 5. Dezember 2019, die von einer Beamtin (unter Anführung ihres Namens in Druckschrift) handschriftlich unterfertigt ist, sowie deren Approbationbefugnis an.

16       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt. Sie ist auch berechtigt.

17       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einer Erledigung die Bescheidqualität, wenn die Urschrift - bzw. der betreffende „Referatsbogen“ nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist. Davon kann nur abgesehen werden, wenn die der Partei zugestellte Ausfertigung eine dem § 18 Abs. 3 AVG entsprechende Unterfertigung durch den Genehmigenden (Originalunterschrift, elektronische Signatur) trägt und eine nicht unterschriebene Durchschrift im Akt verbleibt (vgl. etwa VwGH 28.2.2018, Ro 2015/06/0016; 22.6.2010, 2006/11/0058; jeweils mit Hinweis auf VwGH 28.4.2008, 2007/12/0168, mwN). Im Falle des Zutreffens der Behauptungen der revisionswerbenden Partei läge daher ein Bescheid vor.

18       Die Wahrung des Parteiengehörs, das zu den fundamentalen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit der Hoheitsverwaltung gehört, ist von Amts wegen, ausdrücklich, in förmlicher Weise und unter Einräumung einer angemessenen Frist zu gewähren. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG, der gemäß § 17 VwGVG in Verfahren vor Verwaltungsgerichten anzuwenden ist, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen (vgl. etwa VwGH 27.6.2022, Ra 2022/11/0035, mwN). Unterlässt das Verwaltungsgericht dies und geht vom Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes aus, ohne dies dem Rechtsmittelwerber vorgehalten zu haben, hat es das Risiko einer Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses zu tragen. Damit unterliegt das zur Frage des Vorliegens des vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Zurückweisungsgrundes in der Revision erstattete Vorbringen auch nicht dem vor dem Verwaltungsgerichtshof herrschenden Neuerungsverbot (vgl. etwa VwGH 1.8.2019, Ra 2019/02/0114, zur Verspätung einer Beschwerde, mwN).

19       Zutreffend wurde in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht den Parteien jene Umstände vorzuhalten gehabt hätte, aufgrund derer es davon ausgeht, dass ein vor ihm bekämpfbarer Bescheid nicht vorliegt, und weiters dazu hätte Parteiengehör einräumen müssen. Da es dies unterlassen hat, ist der angefochtene Beschluss mit einem Verfahrensmangel belastet, bei dessen Vermeidung das Verwaltungsgericht - bei Vorliegen der von der revisionswerbenden Partei behaupteten Umstände - zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

20       Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 6. Dezember 2022

Schlagworte

Parteiengehör Parteiengehör Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021120022.L00

Im RIS seit

23.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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