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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASchG 1972 §27 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Sulyok und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales in Wien I, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juni 1995, Zl. 317.848/2-III/A/2a/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 359b GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Erledigung vom 28. Dezember 1993 erließ die Bezirkshauptmannschaft Landeck hinsichtlich der näher beschriebenen Betriebsanlage der P-GmbH & Co KG in I einen Feststellungsbescheid im Sinne des § 359b Abs. 1 GewO 1973, sprach aus, daß dieser Bescheid als Betriebsanlagengenehmigungsbescheid für die Anlage gelte und verfügte als Auflage, daß gemäß § 27 Abs. 6 AnSchG familienfremde Arbeitnehmer in dem gegenständlichen Barlokal nicht beschäftigt werden dürften. Gleichzeitig wurde der Antrag der P-GmbH & Co KG um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 97 der Allgemeinen Arbeitsnehmerschutzverordnung (AAV) zum Zwecke der Beschäftigung von Arbeitnehmern trotz der zu geringen Raumhöhe des Barlokales abgewiesen.
Über Berufung der P-GmbH & Co KG behob der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 25. Jänner 1995 die die Vorschreibung einer Auflage sowie die Abweisung des Antrages nach § 97 AAV betreffenden Spruchpunkte des erstbehördlichen Bescheides und erteilte der P-GmbH & Co KG gemäß § 97 Abs. 1 AAV die Genehmigung, im gegenständlichen Lokal ständige Arbeitsplätze einzurichten, obwohl die Raumhöhe nach § 4 Abs. 1 leg. cit. nicht gegeben sei.
Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat für den
14. Aufsichtsbezirk in Innsbruck Berufung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der diese Berufung mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 1995 gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG i.V.m. § 359a GewO 1994 als unzulässig zurückwies. Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes des § 359a GewO 1994 aus, das dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren zugrundeliegende Ansuchen stamme vom 2. November 1993, sodaß die Bestimmung des § 359a GewO 1994 hier anzuwenden sei. Da dort Verfahren nach § 359b GewO 1994 nicht angeführt seien, ende in den Fällen, in denen in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig sei, der administrative Instanzenzug gemäß Art. 103 Abs. 4 B-VG beim Landeshauptmann. Die Berufung an den Bundesminister sei daher unzulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer zusammengefaßt geltend, wenn in einem Bewilligungsverfahren nach § 77 GewO 1994 zufolge § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 243/1972 (AnSchG), auch Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen seien, gingen gemäß § 30 Abs. 1 AnSchG die Befugnisse, die nach den Vorschriften des AnSchG der zuständigen Behörde zustünden, in einem Fall wie dem vorliegenden auf die zuständige Bewilligungsbehörde über. Gemäß § 30 Abs. 3 AnSchG ende in einem solchen Fall der Instanzenzug bei dem in diesem Verfahren zuständigen Bundesminister. Diese Vorschrift bestimme somit im Sinne des Art. 103 Abs. 4 B-VG, daß auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit der Instanzenzug nicht beim Landeshauptmann ende und sehe für Verfahren, in denen Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen seien, stets einen Instanzenzug bis zum Bundesminister vor. Sei somit gemäß § 27 Abs. 2 AnSchG der Arbeitnehmerschutz in einem "durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift" vorgesehenen Bewilligungsverfahren zu berücksichtigen, sei demnach dritte Instanz der in diesem Verfahren zuständige Bundesminister, sonst der Bundesminister für Arbeit und Soziales. Die entgegenstehende Auffassung der belangten Behörde sei rechtswidrig. "Der in diesem Verfahren zuständige Bundesminister" im Sinne des § 30 Abs. 3 AnSchG sei hinsichtlich Verfahren nach der Gewerbeordnung der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, da § 30 Abs. 3 AnSchG auf die abstrakte Zuständigkeit abstelle und nicht darauf, ob in einem bestimmten Verfahren ein Instanzenzug an diesen Bundesminister vorgesehen sei. Der zweite Fall des § 30 Abs. 3 AnSchG ("sonst der Bundesminister für soziale Verwaltung") beziehe sich nach Auffassung des Beschwerdeführers nur auf Verfahren betreffend Betriebsanlagen, die nicht einer Bewilligung nach einer anderen bundesgesetzlichen Vorschrift bedürften. Die belangte Behörde hätte daher über die Berufung des Arbeitsinspektorates meritorisch entscheiden müssen. Sofern die belangte Behörde aber die Auffassung vertrete, nicht der im Verfahren gemäß § 359b GewO 1994 zuständige Bundesminister zu sein, hätte sie davon ausgehen müssen, daß gemäß § 30 Abs. 3 zweiter Fall AnSchG der Instanzenzug beim Bundesminister für Arbeit und Soziales ende; sie hätte die Berufung gemäß § 6 Abs. 1 AVG daher an diesen weiterleiten müssen, da diese Bestimmung auch für Rechtsmittel gelte.
Gemäß § 359a GewO 1994 geht in den Fällen, in denen bei Verfahren betreffend Betriebsanlagen in erster Instanz die Verwaltungsbehörde zuständig ist, der administrative Instanzenzug zum Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, wenn es sich um
1.
Verfahren über ein Ansuchen um die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage (§ 77 Abs. 1), in denen die Genehmigung von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilt, vom Landeshauptmann hingegen nicht erteilt oder von der Bezirksverwaltungsbehörde nicht erteilt, vom Landeshauptmann hingegen erteilt worden ist,
2.
Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage (§ 81), in denen die Änderungsgenehmigung von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilt, vom Landeshauptmann hingegen nicht erteilt oder von der Bezirksverwaltungsbehörde nicht erteilt, vom Landeshauptmann hingegen erteilt worden ist,
handelt.
Nach § 27 Abs. 2 AnSchG, BGBl. Nr. 243/1972, das zufolge § 127 Abs. 1 Einleitungssatz i.V.m. § 131 Abs. 1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, im vorliegenden Fall anzuwenden ist, weil das gegenständliche Verwaltungsverfahren am 1. Jänner 1995 bereits anhängig war, ist eine Bewilligung nach § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes nicht erforderlich bei Betrieben, für die durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift eine Bewilligung vorgeschrieben ist, sowie bei sonstigen Betrieben, die unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung fallen. In dem betreffenden Bewilligungsverfahren sind jedoch die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen und die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben, soweit dies unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 24 erforderlich ist.
Nach § 30 Abs. 1 leg. cit. hat die Befugnisse, die nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes der zuständigen Behörde zustehen, bei den der Aufsicht der Arbeitsinspektion unterliegenden Betrieben in erster Instanz, wenn die Anlage des Betriebes einer Bewilligung nach einer anderen bundesgesetzlichen Vorschrift als nach diesem Bundesgesetz bedarf, die hiefür zuständige Bewilligungsbehörde, sonst die Bezirksverwaltungsbehörde auszuüben; wird jedoch von einer im selbständigen Wirkungsbereich des Landes tätig werdenden Behörde eine Bewilligung erteilt, so ist zuständige Behörde der Landeshauptmann.
Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle endet der Instanzenzug in jenen Fällen, in denen zuständige Behörde nach Abs. 1 die auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften in Betracht kommende Bewilligungsbehörde ist, bei dem in diesem Verfahren zuständigen Bundesminister, sonst beim Bundesminister für soziale Verwaltung; in den Fällen des Abs. 2 erster Satz beim Bundesminister für Verkehr.
§ 27 Abs. 2 AnSchG verweist bei Betrieben, für die, wie im vorliegenden Fall, durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift, das ist hier die Gewerbeordnung 1994, eine Bewilligung vorgeschrieben ist, die Beachtung der Belange des Arbeitnehmerschutzes in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht in das betreffende Bewilligungsverfahren. Die Bewilligungsbehörde hat in dem nach den "sonstigen bundegesetzlichen Vorschriften" nach den hiefür geltenden Verfahrensvorschriften abzuführenden Verfahren die materiellen Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes zu beachten und die danach allenfalls erforderlichen Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben.
Ausgehend von diesem normativen Gehalt des § 27 Abs. 2 AnSchG ist der Hinweis in § 30 Abs. 3 leg. cit. auf den "in diesem Verfahren zuständigen Bundesminister" auch als Verweis auf die in dem betreffenden Verfahren anzuwendenden Normen der funktionellen Zuständigkeit zu verstehen, sodaß der Rechtszug an den nach der Kompetenzverteilung des Bundesministeriengesetzes sachlich in Betracht kommenden Bundesminister nur offen steht, wenn nach den anzuwendenden Verfahrensvorschriften ein solcher Rechtszug eröffnet ist. An den Bundesminister für soziale Verwaltung geht der Rechtszug hingegen nur "sonst", d.h. in den nicht in den Regelungsbereich des § 27 Abs. 2 leg. cit. fallenden Verfahren.
Ausgehend von dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsansicht der belangten Behörde, § 30 Abs. 3 AnSchG eröffne im nach den das Verfahren betreffend Betriebsanlagen regelnden Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 abzuführenden Verfahren neben § 359a GewO 1994 keinen weiteren Rechtszug, weder an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten noch an jenen für soziale Verwaltung, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995040161.X00Im RIS seit
01.06.2001