TE Vwgh Beschluss 2022/12/7 Ra 2022/09/0108

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Veröffentlicht am 07.12.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
77 Kunst Kultur

Norm

B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1 Abs1
DMSG 1923 §11
DMSG 1923 §11 Abs1
DMSG 1923 §11 Abs5
DMSG 1923 §11 Abs8
DMSG 1923 §4
DMSG 1923 §5
VwGG §34 Abs1
VwRallg
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des em. Prof. PD Mag. Dr. A B in C, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Platz 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2021, W183 2245660-1/3E, betreffend Grabungsbewilligung nach § 11 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit E-Mail vom 31. Mai 2021 stellte der Revisionswerber im Hinblick auf das Vorhandensein einer lengyelzeitlichen Siedlung für eine geplante Grabung auf einem näher bezeichneten Grundstück in D einen Antrag nach § 11 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG) an das Bundesdenkmalamt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht). Die Fundstelle sei zwar in der Fundstellendatenbank des Bundesdenkmalamts und im Verzeichnis des Luftbildarchivs der Universität Wien registriert, allerdings sei die Fundstelle bislang nicht mit Bescheid unter Denkmalschutz gestellt worden. Er gehe daher davon aus, dass die Genehmigung weder erforderlich noch zu erteilen sei.

2        Mit Bescheid vom 9. Juli 2021 erteilte die belangte Behörde die Bewilligung gemäß § 11 Abs. 1 DMSG unter zwei näher ausgeführten Auflagen.

3        Über die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde hob das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurück. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht dies zunächst dahingehend, dass sich die geplante Grabungsfläche innerhalb einer lengyelzeitlichen Siedlung befinde, die auch in wissenschaftliche Verzeichnisse aufgenommen sei. Es sei mit einem jungsteinzeitlichen Befund zu rechnen, sodass objektive Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Denkmalen auf der zu erforschenden Fläche vorlägen. Die belangte Behörde sei daher zuständig, über den Antrag zu entscheiden. Im Hinblick auf näher dargelegte Ermittlungs- und Begründungsmängel im Zusammenhang mit den erteilten Auflagen sei der Bescheid jedoch aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen gewesen.

5        Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 14. Juni 2022, E 249/2022-5, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 28. Juli 2022 dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG ist die Revision gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichts zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil dieser von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Hat das Verwaltungsgericht den behördlichen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverwiesen, so kann ein solcher Beschluss eine Rechtsverletzung entweder dadurch bewirken, dass das Verwaltungsgericht von der Regelung des § 28 Abs. 3 VwGVG zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung getroffen hat, oder dadurch, dass es von einer für die betroffene Partei nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl. etwa VwGH 28.3.2017, Ro 2016/09/0009, mwN).

9        Mit seiner - in der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhobenen - Revision macht der Revisionswerber nicht geltend, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von der Befugnis nach § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG Gebrauch gemacht habe und selbst eine Sachentscheidung zu treffen gehabt hätte. Das Zulässigkeitsvorbringen zielt vielmehr darauf ab, dass der verfahrenseinleitende Antrag mangels Vorliegens eines geschützten Denkmals zurückzuweisen gewesen wäre, wozu es jedoch an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

10       Zusammengefasst bringt der Revisionswerber dazu vor, dass er fest mit der Entdeckung eines Denkmals im Sinn der Definition des § 1 Abs. 1 DMSG rechne. Dieses Denkmal sei aber nicht geschützt, weil dessen Erhaltung nicht „im öffentlichen Interesse“ gelegen sei. Trotz Kenntnis des Befundes habe die belangte Behörde diesen niemals unter Schutz gestellt, sodass das „öffentliche Interesse an der Erhaltung“ nicht „wirksam“ im Sinn des § 1 Abs. 4 DMSG geworden sei, und es sich beim beabsichtigten Fund vor dem Hintergrund des § 11 DMSG um eine „normale Sache“ handle. Es fehle jedoch Rechtsprechung zur Frage, ob eine Bewilligung nach § 11 DMSG auch im Hinblick auf trotz Kenntnis der belangten Behörde nicht unter Schutz gestellte Denkmale nötig sei; ebenso zur Frage, ob § 11 DMSG nur auf Grabungen anwendbar sei, die „denkmalschutzrelevante“ Gegenstände beträfen oder auch auf „Denkmale im weitesten Sinn“ betreffende Grabungen.

11       Zudem wird im Zulässigkeitsvorbringen ein Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008) darin erblickt, als das Verwaltungsgericht in jenem den durch die geplanten Grabungen zu untersuchenden archäologischen Befund („die letzten Überreste eines mutmaßlich lengyelzeitlichen Hauses“) unrichtigerweise als „denkmalschutzrelevanten Gegenstand“ qualifiziere, obgleich bezüglich dieses Gegenstands bereits durch Unterlassung einer der Behörde bereits möglichen Unterschutzstellung gemäß § 9 Abs. 3 DMSG davon ausgegangen werden könne, dass seine Erhaltung nicht im öffentlichen Interesse gelegen sei.

12       Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:

13       Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, dass das Bundesdenkmalamt zuständig sei, über einen Antrag auf Grabungsbewilligung nach § 11 Abs. 1 DMSG abzusprechen, wenn objektive Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Denkmalen auf der zu erforschenden Fläche vorlägen, unabhängig davon, ob das aufzufindende Denkmal bereits unter Schutz stehe oder nicht. Zu den vom Revisionswerber dazu aufgeworfenen Rechtsfragen fehlt es jedoch weder an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, noch ist das Bundesverwaltungsgericht von dieser abgewichen.

14       Wie sich schon aus dem klaren Wortlaut des Denkmalschutzgesetzes zweifelsfrei ergibt, sind Denkmale nach § 1 Abs. 1 DMSG von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung (siehe etwa auch VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, Rn. 13).

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund der Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 1 DMSG (RV 1769 BlgNR 20. GP, 37 f) zudem bereits wiederholt ausgesprochen, dass nicht jedes Objekt von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung als Denkmal unter Schutz zu stellen ist (vgl. VwGH 12.11.2013, 2012/09/0077; 4.10.2012, 2010/09/0079).

16       Die in § 11 Abs. 1 DMSG normierte Bewilligungspflicht für Nachforschungen durch Veränderung der Erdoberfläche ist an die Voraussetzung geknüpft, dass die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung) „zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale“ unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche erfolgt. Das bedeutet, dass entweder ein Denkmal bereits vorhanden sein muss (und untersucht) oder ein solches entdeckt werden soll. Der Umstand, dass die von den Grabungen betroffenen Bereiche seitens des Bundesdenkmalamts (bislang) nicht unter Schutz gestellt wurden, ändert nichts an der Erforderlichkeit einer Bewilligung nach § 11 Abs. 1 DMSG (vgl. auch dazu VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, Rn. 15, 21).

17       Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang mit der Unterlassung einer Unterschutzstellung nach § 9 Abs. 3 DMSG argumentiert, übersieht er, dass diese Bestimmung in Zusammenhang mit § 8 DMSG über Zufallsfunde von Bodendenkmalen steht und sich auf aufgefundene Bodendenkmale bezieht, weshalb sie hier nicht einschlägig ist.

18       Dass § 11 DMSG aber grundsätzlich sämtliche Bodendenkmale unabhängig von einer bereits erfolgten Unterschutzstellung umfasst und lediglich mitunter für bereits unter Schutz gestellte Denkmale strengere Vorschriften aufstellt, ergibt sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut (vgl. Abs. 5 und Abs. 8 leg. cit., die - anders als etwa § 11 Abs. 1 DMSG - jeweils ausdrücklich auf Denkmale abstellen, hinsichtlich derer bereits festgestellt wurde, dass deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist; siehe ausdrücklich nur solche Denkmale betreffend etwa auch §§ 4 und 5 DMSG).

19       Der Revisionsweber bringt in seiner Revision nun aber selbst vor, dass er „fest mit der Entdeckung eines Denkmals im Sinne der Definition des § 1 Abs. 1 DMSG“ rechne. Ausgehend von dem - vom Revisionswerber ebenfalls nicht in Zweifel gezogenen - Vorhandenseins von Überresten eines mutmaßlich lengyelzeitlichen Hauses im Grabungsgebiet ist das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Beurteilung, dass für die Grabungen eine Bewilligung des Bundesdenkmalamts erforderlich sei, daher von der dazu bereits ergangenen, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der klaren Gesetzeslage nicht abgewichen.

20       Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. Dezember 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090108.L00

Im RIS seit

23.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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