TE Vwgh Beschluss 2022/12/7 Ra 2019/08/0075

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Veröffentlicht am 07.12.2022
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Index

E1P
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs4
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VwGG § 28 heute
  2. VwGG § 28 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. VwGG § 28 gültig von 01.01.2017 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017
  4. VwGG § 28 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 28 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 28 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 28 gültig von 01.01.1991 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  8. VwGG § 28 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des W R, vertreten durch Mag. Thomas Rosecker, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Herzog Leopold-Straße 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2019, W216 2175646-1/8E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde (im Folgenden: AMS) vom 18. Oktober 2017, mit der unter Bestätigung des Ausgangsbescheids des AMS vom 10. August 2017 (mit Fristverlängerung aufgrund eines Krankengeldbezugs) ausgesprochen worden war, dass der Revisionswerber den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG für den Zeitraum von 24. Juli bis 10. September 2017 verloren habe und dass Nachsicht nicht erteilt werde.

2.2. Das Verwaltungsgericht hielt begründend fest, dem Revisionswerber sei ein Vermittlungsvorschlag als Metallschleifer bei einer GmbH zugewiesen worden. Er sei unter einem darauf hingewiesen worden, dass die Bewerbung online durchgeführt werden sollte, wobei auch eine Internetadresse der GmbH angegeben worden sei. Der Revisionswerber habe sich aber in der Folge per E-Mail um die Stelle beworben und keine Online-Registrierung durchgeführt.

Am 21. Juli 2017 habe der Revisionswerber das vereinbarte Vorstellungsgespräch bei der GmbH wahrgenommen, wobei er sich auch dort geweigert habe, eine Online-Registrierung am Bewerbungs-PC vorzunehmen. Seiner nachträglichen Behauptung, er hätte damals die Daten nicht eingeben können, weil der PC in der Sonne gestanden und ihm schwindlig geworden sei, stehe ein vom AMS eingeholtes meteorologisches Gutachten entgegen, wonach zu jenem Zeitpunkt eine mittlere Bewölkungsdichte und keine starke bzw. direkte Sonneneinstrahlung bestanden habe. Zudem hätten bei einem diesbezüglichen Hinweis die Mitarbeiter der GmbH für Schatten (etwa durch Herablassen der Jalousien) sorgen können. Aufgrund der Weigerung zur Vornahme einer Online-Registrierung, die für das Bewerbungsverfahren unabdingbar sei und bei der es sich um einen gängigen Prozess handle, sei ein weiteres Bewerbungsverfahren (zunächst) nicht möglich gewesen.

Die GmbH habe dem Revisionswerber in der Folge eine zweite Chance eingeräumt und mit ihm ein weiteres Bewerbungsgespräch für den 24. Juli 2017 vereinbart, auch um ihm die Möglichkeit zu geben, sich eine Online-Registrierung nochmals zu überlegen. Am betreffenden Tag habe der Personalverantwortliche der GmbH telefonisch um Verschiebung des Termins um einige Stunden ersucht, woraufhin der Revisionswerber bekundet habe, dass er sich generell nicht registrieren wolle und daher nicht kommen werde. Der Personalverantwortliche habe daraufhin dem AMS mitgeteilt, dass der Revisionswerber das weitere Bewerbungsverfahren verweigert habe.

Mangels Vorlage ärztlicher Atteste, Befunde etc. könne auch nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber aus gesundheitlichen oder sonstigen nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen die Stelle nicht habe annehmen können.

2.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, der Revisionswerber habe sich zwar um die vom AMS vermittelte der Betreuungsvereinbarung entsprechende Stelle beworben, dies jedoch nicht im Wege der geforderten Online-Bewerbung, sondern nur per E-Mail. Seinen dagegen vorgetragenen Argumenten sei nicht zu folgen gewesen. Durch die mehrfache Verweigerung einer Online-Bewerbung habe der Revisionswerber daher die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG vereitelt. Eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung sei nicht feststellbar gewesen. Es seien auch keine Nachsichtsgründe im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG vorgelegen. Folglich sei der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den genannten Zeitraum auszusprechen gewesen.

2.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen gewesen. Das AMS habe in einem umfangreichen Beschwerdevorprüfungsverfahren (mit Befragung der involvierten Personen und Ermöglichung einer Stellungnahme) den Sachverhalt und die berührten Rechtsfragen geklärt, eine mündliche Erörterung würde keine weitere Klärung bringen. Dem Entfall der Verhandlung stünden auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Grundrechtecharta (GRC) nicht entgegen.

2.5. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3        3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe - in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - die Durchführung einer vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung unterlassen, obwohl die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht vorgelegen seien.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird damit freilich nicht aufgezeigt.

4        4.1. Rechtsfragen des Verfahrensrechts - wie jene der Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung - sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/08/0099).

4.2. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs lassen die Akten im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann. Dies ist (insbesondere) dann der Fall, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Ein bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalts kann außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 9.7.2019, Ra 2019/08/0101; 26.9.2019, Ra 2019/08/0134).

Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2019/08/0062).

5        5. Vorliegend zeigt der Revisionswerber nicht konkret auf, inwiefern die soeben dargestellten Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht erfüllt wären.

6        6.1. Der Revisionswerber macht geltend, er habe schon im Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass der festgestellte Sachverhalt nicht den Tatsachen entspreche und dass ein Dienstverhältnis deshalb nicht zustande gekommen sei, weil der Vorstellungstermin am 24. Juli 2017 vom potenziellen Dienstgeber kurzfristig ohne Begründung abgesagt worden sei.

6.2. Was zunächst das Vorbringen betrifft, der Sachverhalt entspreche nicht den Tatsachen, so ist darin ein bloß pauschales Bestreiten zu erblicken, aus dem eine Verletzung der Verhandlungspflicht nicht abzuleiten ist.

6.3. Was die weitere Behauptung anbelangt, ein Dienstverhältnis sei wegen einer Terminabsage durch den Dienstgeber nicht zustande gekommen, so geht aus dem angefochtenen Erkenntnis - wie schon aus der Beschwerdevorentscheidung des AMS - hervor, dass sich der Revisionswerber zwar um die vermittelte Stelle beworben hat, dies jedoch nicht im Wege der erforderlichen Online-Bewerbung, sondern bloß per E-Mail, worin das Verwaltungsgericht und das AMS eine Vereitelung der Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG erblickten.

Entscheidungswesentlich war somit die Verweigerung einer Online-Bewerbung durch den Revisionswerber. Dass dieser zu einer solchen Bewerbung insbesondere beim in Rede stehenden Termin am 24. Juli 2017 bereit gewesen wäre, wurde aber in der Revision und im gesamten Verfahren nicht behauptet.

Dieser entscheidungswesentliche Umstand konnte daher aufgrund der Unterlagen als geklärt angesehen werden.

7        7. Der Revisionswerber beruft sich weiters auf diverse gesundheitliche Beeinträchtigungen (Belastungshypertonus, Hyperhidrosis, latente Hyperthyreose, allgemeine Schwäche), an denen er seit Frühjahr 2017 gelitten habe und in Ansehung derer erst ab Ende 2017 eine Besserung eingetreten sei.

Er brachte aber weder in der Revision noch im gesamten Verfahren vor, inwieweit das die Unzumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung bewirkt hätte.

Auch insoweit ist daher lediglich von pauschalen bzw. unsubstanziierten Einwendungen auszugehen, die einen Verstoß gegen die Verhandlungspflicht nicht darlegen können.

Daran ändert auch nichts, dass der Revisionswerber sein Verhältnis zum AMS als „sehr angespannt“ beschrieb und ihm vom AMS eine im Beschwerdeverfahren beantragte Fristerstreckung nicht gewährt wurde.

8        8. Aus den vom Revisionswerber angeführten - zu anders gelagerten Fallkonstellationen ergangenen - Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs ist für seinen Rechtsstandpunkt ebenso nichts zu gewinnen.

9        9. Insgesamt war daher das Vorbringen nicht geeignet, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätte.

In der Revision wird folglich keine Rechtsfrage aufgezeigt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 7. Dezember 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019080075.L00

Im RIS seit

23.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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