TE Vwgh Erkenntnis 2022/12/12 Ro 2021/10/0009

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Veröffentlicht am 12.12.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/10 Auskunftspflicht
40/01 Verwaltungsverfahren
72/01 Hochschulorganisation

Norm

AuskunftspflichtG 1987
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1
AuskunftspflichtG 1987 §4
AVG §1
B-VG Art20 Abs4
B-VG Art81c
UniversitätsG 2002 §3
UniversitätsG 2002 §98
UniversitätsG 2002 §98 Abs11
UniversitätsG 2002 §98 Abs2
UniversitätsG 2002 §98 Abs3
UniversitätsG 2002 §98 Abs6
UniversitätsG 2002 §98 Abs8
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
  1. B-VG Art. 20 heute
  2. B-VG Art. 20 gültig ab 01.01.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 141/2022
  3. B-VG Art. 20 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 20 gültig von 01.10.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2010
  5. B-VG Art. 20 gültig von 01.01.2008 bis 30.09.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  6. B-VG Art. 20 gültig von 01.01.1988 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 285/1987
  7. B-VG Art. 20 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1987 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  8. B-VG Art. 20 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 20 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 81c heute
  2. B-VG Art. 81c gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 81c gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 81c gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  1. VwGG § 42 heute
  2. VwGG § 42 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 42 gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. VwGG § 42 gültig von 01.07.2008 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  5. VwGG § 42 gültig von 01.01.1991 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  6. VwGG § 42 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision des Univ.-Doz. Dr. W K in W, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. Februar 2021, Zl. W274 2231597-1/2E, betreffend Auskunftserteilung in einer Angelegenheit des Universitätsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Rektorin der Technischen Universität Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Technische Universität Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1.1. Mit zwei Schreiben aus dem Juli 2019 ersuchte der Revisionswerber die belangte Behörde - soweit für die vorliegende Revisionsentscheidung von Belang - um Auskünfte betreffend den Inhalt der im Berufungsverfahren für eine „Professur für öffentliches Recht“ eingeholten beiden Gutachten zu seiner Bewerbung um diese Stelle.

2        Nachdem die begehrten Auskünfte nur teilweise erteilt worden waren, beantragte der Revisionswerber mit Antrag vom 27. August 2019 (u.a.) die Erlassung eines Bescheides gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz, in dem begründet dargelegt werde, weshalb ihm über die genannten Gutachten „keine Auskunft erteilt“ werde.

3        Mit Bescheid vom 24. Februar 2020 stellte die belangte Behörde daraufhin gemäß § 4 iVm § 1 und § 2 Auskunftspflichtgesetz fest, dass dem Revisionswerber diesbezüglich ein Recht auf Auskunft nicht zukomme und von der Technischen Universität Wien keine Auskunft erteilt werde.

4        1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Februar 2021 gab das Bundesverwaltungsgericht einer vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde nicht Folge, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zuließ.

5        Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht - soweit für die vorliegende Revisionsentscheidung von Interesse - aus, die belangte Behörde sei nicht vom Organbegriff des Auskunftspflichtgesetzes erfasst. Sie sei nämlich weder ein Organ der Gebietskörperschaft Bund im Sinne des § 1 Abs. 1 erster Fall Auskunftspflichtgesetz noch ein Organ der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung im Sinn des § 1 Abs. 1 zweiter Fall Auskunftspflichtgesetz, weil Universitäten lediglich „selbstverwaltungsähnlicher Charakter“ zukomme. Zudem handle es sich bei Verfahren nach § 98 Universitätsgesetz 2002 - UG um kein behördliches Verfahren, sondern um ein privatrechtliches Verfahren zur Berufung von Universitätsprofessoren (Hinweis auf VfGH 13.6.2017, KI1/2017 = VfSlg. 20.164).

6        Weiters sei zu beachten, dass die Aufkunftspflicht auf die jeweilige örtliche und sachliche Zuständigkeit des ersuchten Organs beschränkt sei. Die Kompetenz der Rektorin (der belangten Behörde) im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren gemäß § 98 UG beschränke sich auf die Auswahlentscheidung aus dem von der Berufungskommission erstellten Besetzungsvorschlag. Die (eingangs wiedergegebene) Auskunftsfrage beziehe sich auf die beiden im Berufungsverfahren erstellten Gutachten; da die belangte Behörde die zwei Gutachter nicht bestellt habe (Hinweis auf § 98 Abs. 3 UG), sei - selbst wenn man eine „grundsätzliche Anwendbarkeit des AuskPflG unterstellen würde“ - die sachliche Zuständigkeit des ersuchten Organs überschritten.

7        Die belangte Behörde sei daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, keiner Auskunftsverpflichtung in Zusammenhang mit den im Rahmen eines Berufungsverfahrens gemäß § 98 UG eingeholten Gutachten zu unterliegen.

8        Die Zulassung der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, „welche Folgen sich aus der Rechtsnatur der Zuständigkeit der Organe von Universitäten im Zusammenhang mit Berufungsverfahren für die Anwendbarkeit der Auskunftspflicht ergeben“.

9        1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

10       Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt. Der Revisionswerber hat darauf mit Äußerung vom 21. Juni 2021 repliziert (und in diesem Schriftsatz seine Revisionsgründe auf die Auskunftsfrage zu den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten eingeschränkt).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       2. Für den vorliegenden Revisionsfall sind folgende Bestimmungen in den Blick zu nehmen:

Auskunftspflichtgesetz (BGBl. Nr. 287/1987 idF des BGBl. I Nr. 158/1998)

§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; [...]

§ 2. Jedermann kann schriftlich, mündlich oder telephonisch Auskunftsbegehren anbringen. Dem Auskunftswerber kann die schriftliche Ausführung eines mündlich oder telefonisch angebrachten Auskunftsbegehrens aufgetragen werden, wenn aus dem Begehren der Inhalt oder der Umfang der gewünschten Auskunft nicht ausreichend klar hervorgeht.

[...]

§ 4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist.“

Universitätsgesetz 2002 - UG (BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 20/2021)

Aufgaben

§ 3. Die Universitäten erfüllen im Rahmen ihres Wirkungsbereichs folgende Aufgaben:

1.   Entwicklung der Wissenschaften (Forschung und Lehre), Entwicklung und Erschließung der Kunst sowie Lehre der Kunst;

2.   Bildung durch Wissenschaft und durch die Entwicklung und Erschließung der Künste;

3.   wissenschaftliche, künstlerische, künstlerisch-pädagogische und künstlerisch-wissenschaftliche Berufsvorbildung, Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten, die eine Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern, sowie Ausbildung der künstlerischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten bis zur höchsten Stufe;

4.   Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses;

5.   Weiterbildung, insbesondere der Absolventinnen und Absolventen von Universitäten und von Pädagoginnen und Pädagogen;

6.   Koordinierung der wissenschaftlichen Forschung (Entwicklung und Erschließung der Künste) und der Lehre innerhalb der Universität;

7.   Unterstützung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und Lehre sowie der Kunst;

8.   Unterstützung der Nutzung und Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse in der Praxis und Unterstützung der gesellschaftlichen Einbindung von Ergebnissen der Entwicklung und Erschließung der Künste;

9.   Gleichstellung von Frauen und Männern und Frauenförderung;

10.  Pflege der Kontakte zu den Absolventinnen und Absolventen;

11.  Information der Öffentlichkeit über die Erfüllung der Aufgaben der Universitäten.

[...]

Rechtsform

§ 4. Die Universitäten sind juristische Personen des öffentlichen Rechts.

Berufungsverfahren für Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren

§ 98. (1) Die fachliche Widmung einer unbefristet oder länger als drei Jahre befristet zu besetzenden Stelle einer Universitätsprofessorin oder eines Universitätsprofessors ist im Entwicklungsplan festzulegen.

(2) Jede Stelle ist vom Rektorat im In- und Ausland öffentlich auszuschreiben. In das Berufungsverfahren können mit ihrer Zustimmung auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter oder Künstlerinnen und Künstler, die sich nicht beworben haben, als Kandidatinnen und Kandidaten einbezogen werden.

(3) Die im Senat vertretenen Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren haben auf Vorschlag der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren des Fachbereichs mindestens zwei - davon mindestens eine externe oder einen externen - Gutachterinnen oder Gutachter zu bestellen. Sie können diese Aufgabe aber auch an die Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren des Fachbereichs und des fachlich nahe stehenden Bereichs übertragen. Die Rektorin oder der Rektor hat das Recht, eine weitere Gutachterin oder einen weiteren Gutachter zu bestellen.

(4) Der Senat hat eine entscheidungsbevollmächtigte Berufungskommission einzusetzen. Die Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren stellen mehr als die Hälfte der Mitglieder und die Studierenden mindestens ein Mitglied. Der Berufungskommission können auch Angehörige anderer Universitäten oder postsekundärer Bildungseinrichtungen angehören.

(5) Die Berufungskommission hat zu überprüfen, ob die vorliegenden Bewerbungen die Ausschreibungskriterien erfüllen und jene Bewerbungen, die die Ausschreibungskriterien offensichtlich nicht erfüllen, auszuscheiden. Die übrigen Bewerbungen sind den Gutachterinnen und Gutachtern zu übermitteln, welche die Eignung der Bewerberinnen und Bewerber für die ausgeschriebene Stelle einer Universitätsprofessorin oder eines Universitätsprofessors zu beurteilen haben.

(6) Die Rektorin oder der Rektor hat allen geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten Gelegenheit zu geben, sich in angemessener Weise zumindest dem Fachbereich und dem fachlich nahe stehenden Bereich zu präsentieren.

(7) Die Berufungskommission erstellt auf Grund der Gutachten und Stellungnahmen einen begründeten Besetzungsvorschlag, der die drei für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle am besten geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu enthalten hat. Ein Vorschlag mit weniger als drei Kandidatinnen und Kandidaten ist besonders zu begründen.

(8) Die Rektorin oder der Rektor hat die Auswahlentscheidung aus dem Besetzungsvorschlag zu treffen oder den Besetzungsvorschlag an die Berufungskommission zurückzuverweisen, wenn dieser nicht die am besten geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten enthält.

(9) Die Rektorin oder der Rektor hat ihre oder seine Auswahlentscheidung dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen vor Aufnahme der Berufungsverhandlungen bekannt zu geben. Der Arbeitskreis hat das Recht, innerhalb von zwei Wochen Beschwerde zu erheben. Über diese entscheidet die Schiedskommission mit Bescheid.

(10) Weist die Schiedskommission die Beschwerde ab, kann die Rektorin oder der Rektor die Berufungsverhandlungen aufnehmen. Gibt die Schiedskommission der Beschwerde statt, wird die Auswahlentscheidung unwirksam. Eine neue Auswahlentscheidung ist unter Beachtung der von der Schiedskommission vertretenen Rechtsanschauung zu treffen.

(11) Die Rektorin oder der Rektor führt die Berufungsverhandlungen und schließt mit der ausgewählten Kandidatin oder dem ausgewählten Kandidaten den Arbeitsvertrag.

(12) Die Universitätsprofessorin oder der Universitätsprofessor erwirbt mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Universität die Lehrbefugnis (venia docendi) für das Fach, für das sie oder er berufen ist. Eine allenfalls früher erworbene Lehrbefugnis wird hievon nicht berührt.

(13) Die Lehrbefugnis (venia docendi) einer Universitätsprofessorin oder eines Universitätsprofessors in einem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis erlischt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.“

12       3. Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 18.5.2022, Ro 2021/10/0008, mwN).

13       Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision - in Konkretisierung der Zulassungsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses - im Wesentlichen vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 27.2.2009, 2008/17/0151 = VwSlg. 17.641 A, und 24.5.2018, Ro 2017/07/0026) abgewichen, wonach das Auskunftspflichtgesetz analog auf Körperschaften des öffentlichen Rechts - und damit auch auf Universitäten - anzuwenden sei.

14       Zudem fehle Rechtsprechung zur Frage, ob „die Rektorin oder ein anderes Universitätsorgan über Berufungsverfahren nach § 98 UG 2002 Auskunft erteilen muss“. § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz beschränke die Auskunftspflicht der darin genannten Organe auf die „Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches“. Da es sich beim Berufungsverfahren nach § 98 UG um einen „privatrechtlichen Auswahlprozess“ (ebenso unter Hinweis auf VfSlg. 20.164) handle, stelle sich die Frage, was zu den Angelegenheiten des Wirkungsbereiches privatrechtlich handelnder Organe zähle.

15       4. Mit Blick auf dieses Vorbringen ist die Revision zulässig; sie erweist sich auch als berechtigt.

16       4.1. Dem Revisionswerber ist zunächst insofern zuzustimmen, als der Verwaltungsgerichtshof in nachstehend zitierten Entscheidungen zum Auskunftspflichtgesetz bereits mehrfach festgehalten hat, dass Art. 20 Abs. 4 B-VG „alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe“ zur Auskunftserteilung verpflichtet. Art. 20 Abs. 4 B-VG knüpft mit dieser Wendung nicht an einen organisatorischen, sondern einen funktionellen Organbegriff an. Damit werden nicht nur Organe, die organisatorisch den Gebietskörperschaften zuzurechnen sind und Verwaltungsaufgaben besorgen, zur Auskunftserteilung nach Art. 20 Abs. 4 B-VG verpflichtet, sondern auch solche, die - ohne organisatorisch in die Verwaltungsorganisation eingegliedert zu sein - mit der „Besorgung von Verwaltungsaufgaben“ betraut sind.

17       Eine „systematische Reduktion“ des ersten Satzes des Art. 20 Abs. 4 B-VG kommt wegen des erschließbaren Willens des historischen Gesetzgebers nicht in Betracht. Es ist davon auszugehen, dass dann, wenn der einfache Gesetzgeber (hier: der Bund) erkannt hätte, dass er auch für die beliehenen und die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts eine Regelung zu treffen gehabt hätte, er von dieser (durch Analogie anzunehmenden) Kompetenz auch Gebrauch gemacht und - weil Art. 20 Abs. 4 B-VG die größtmögliche Einheitlichkeit der Vorschrift über die Auskunftspflicht zum Ziel hat - für diese die gleichen Regelungen getroffen hätte (vgl. dazu VwGH 27.2.2009, 2008/17/0151 = VwSlg. 17.641 A, sowie 28.3.2014, 2014/02/0006, jeweils betreffend die Finanzmarktaufsichtsbehörde, 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, betreffend die Umweltbundesamt-GmbH und 28.6.2021, Ro 2021/11/0005, betreffend das Arbeitsmarktservice; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des Auskunftspflichtgesetzes auf Universitäten vgl. im Übrigen VwGH 20.5.2015, Ro 2014/10/0095).

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Auskunftspflicht nach dem Auskunftspflichtgesetz gleichermaßen im Bereich der Hoheitsverwaltung wie in jenem der Privatwirtschaftsverwaltung besteht (vgl. etwa wiederum VwGH Ro 2021/11/0005 unter Hinweis u.a. auf VwGH 29.3.2017, Ra 2017/10/0021; weiters VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083). Der Hinweis des Verwaltungsgerichtes auf die bereits erwähnte Rechtsprechung des VfGH (VfSlg. 20.164), der zufolge das Berufungsverfahren nach § 98 UG - anders als nach der dem UG vorgelagerten Rechtslage - kein behördliches Verfahren, sondern (nunmehr) privatrechtlicher Natur ist, vermag daher die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, aus diesem Grund sei das Auskunftspflichtgesetz nicht anwendbar, nicht zu tragen.

19       Soweit die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung erkennbar in Zweifel zieht, dass es sich bei dem Berufungsverfahren um die „Besorgung von Verwaltungsaufgaben“ (vgl. dazu Rz 16) handle, kann dem nicht gefolgt werden, steht doch die Auswahl von geeigneten Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren nach dem in § 98 UG geregelten Verfahren in untrennbarem Zusammenhang mit der Erfüllung der den Universitäten durch § 3 UG übertragenen (öffentlichen) Aufgaben (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch den im Dritten Hauptstück des B-VG zur „Vollziehung des Bundes“ unter „A. Verwaltung“ platzierten Art. 81c zu Stellung und Funktion der Universitäten).

20       4.2. Auch die im Weiteren vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, die begehrte Auskunft zum Inhalt der nach § 98 Abs. 3 UG eingeholten Gutachten unterliege mangels sachlicher Zuständigkeit des ersuchten Organs, konkret der Rektorin, nicht der Aufkunftspflicht (vgl. oben unter Rz 6), greift zu kurz, lässt dies doch die zentrale - letztlich leitende - Rolle der Rektorin im Berufungsverfahren nach § 98 UG außer Acht:

21       So obliegen dieser nach der Ausschreibung der Stelle durch das Rektorat (§ 98 Abs. 2 UG) - neben der allfälligen Bestellung einer weiteren Gutachterin oder eines weiteren Gutachters (§ 98 Abs. 3 letzter Satz UG) - die Schaffung einer Gelegenheit für Kandidatinnen und Kandidaten, sich zu präsentieren (§ 98 Abs. 6 UG), die Entscheidung über die Auswahl aus dem Besetzungsvorschlag oder dessen Zurückverweisung an die Berufungskommission (§ 98 Abs. 8 UG), die Führung von Berufungsverhandlungen und schließlich der Abschluss des Arbeitsvertrages (§ 98 Abs. 11 UG). Die nach § 98 Abs. 3 UG eingeholten Gutachten stellen eine wesentliche Grundlage der nach § 98 Abs. 8 UG von der Rektorin zu treffenden Entscheidung dar (vgl. dazu Kucsko-Stadlmayer in Perthold-Stoitzner, UG3, § 98 Rz 45).

22       Vor diesem rechtlichen Hintergrund fällt auch die Auskunft über den Inhalt der genannten Gutachten in den sachlichen Zuständigkeitsbereich der Rektorin, zumal - worauf der Revisionswerber treffend hinweist - die die Gutachter gemäß § 98 Abs. 3 erster und zweiter Satz UG bestellenden Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren dem Auskunft begehrenden Bewerber im Regelfall nicht bekannt sind.

23       5. Aus diesen Gründen hat das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

24       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Dezember 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Besondere Rechtsgebiete Organisationsrecht Körperschaften des öffentlichen Rechtes Selbstverwaltung VwRallg5/2 sachliche Zuständigkeit Verwaltungsrecht allgemein Ausgliederung Privatisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021100009.J00

Im RIS seit

23.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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