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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §38Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision der Landespolizeidirektion Kärnten, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2021, W221 2170437-1/27E, betreffend Ersatzanspruch gemäß § 18a Abs. 1 B-GlBG und Entschädigung für erlittene persönliche Beeinträchtigung gemäß § 19b B-GlBG (mitbeteiligte Partei vor dem Verwaltungsgericht: K H in K), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Kärnten vom 7. Juli 2017 stattgegeben und dem Mitbeteiligten gemäß § 18a Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) einen Ersatzanspruch für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis 30. April 2013 in der Höhe der Bezugsdifferenz zwischen dem Monatsbezug, den er bei diskriminierungsfreier Betrauung mit der Funktion des Sachbereichsleiters und ersten Stellvertreters des Kommandanten der Polizeiinspektion F (Verwendungsgruppe E2a/Funktionsgruppe 5) erhalten hätte, und seinem tatsächlichen Monatsbezug (Verwendungsgruppe E2a/Funktionsgruppe 4) sowie einen Ersatzanspruch für den Zeitraum von 1. Mai 2014 bis 31. Oktober 2016 in Höhe der Bezugsdifferenz zwischen dem Monatsbezug E2a/5 und E2a/6 sowie eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung gemäß § 18a Abs. 1 iVm § 19b B-GlBG in der Höhe von EUR 2.000,-- zuerkannt. Es sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Es traf dabei umfangreiche Feststellungen und nahm eine ausführliche Beweiswürdigung vor. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass der Mitbeteiligte für die verfahrensgegenständliche Funktion besser geeignet gewesen sei als seine Mitbewerber und auf Grund seiner Weltanschauung beim beruflichen Aufstieg gemäß § 18a Abs. 1 B-GlBG diskriminiert worden sei.
2 Das Bundesverwaltungsgericht führte soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz aus, wenn die belangte Behörde auf die Urteile des Landesgerichts Klagenfurt und des Oberlandesgerichts Graz verweise und eine Bindungswirkung behaupte, sei auszuführen, dass eine Bindung nur bei Vorfragen im Sinne des § 38 AVG bestehe. Da die Zivilgerichte im Amtshaftungsverfahren eine andere Rechtsfrage als Hauptfrage zu beurteilen hätten (Vorliegen eines Ermessensmissbrauchs seitens des Entscheidungsorgans), handle es sich um keine Vorfrage im Verfahren nach § 18a B-GlBG im Sinne des § 38 AVG. So führe das Oberlandesgericht Graz in seinem Urteil beispielsweise aus, dass die Frage, ob die vom Mitbeteiligten ausgeübten Tätigkeiten als höherwertig einzustufen seien als jene des Mitbewerbers, nicht entscheidungsrelevant sei, weil keinesfalls ein Ermessensmissbrauch seitens des Entscheidungsorgans vorliege, sondern allenfalls eine bloße Fehleinschätzung, während diese „Fehleinschätzung“ aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts bei der Beurteilung der besseren Eignung des Mitbeteiligten, zu einem anderen Ergebnis bei der hier gegenständlichen Frage führe.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Landespolizeidirektion Kärnten. In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ausgeführt, entgegen dem Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts sei die Revision zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Bindung der Verwaltungsgerichte an zivilgerichtliche Entscheidungen nicht bestehe. Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31. Juli 2015, 27 Cg 15/14f, sei die Amtshaftungsklage des Mitbeteiligten mit der Begründung abgewiesen worden, dass kein Missbrauch des eingeräumten Ermessens bei der Besetzungsentscheidung vorgelegen sei. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 16. März 2016, 5 R 154/15, sei der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten keine Folge gegeben und festgestellt worden, dass der Entscheidung des im Bundesministerium für Inneres zuständigen Ernennungsorgans keine unsachlichen oder motivfremden (insbesondere keine parteipolitischen) Erwägungen zu Grunde gelegen seien.
4 Das Bundesverwaltungsgericht komme nunmehr - völlig konträr zur zivilgerichtlichen Entscheidung - zu dem Schluss, dass sehr wohl parteipolitische Erwägungen ausschlaggebend für die gegenständliche Personalentscheidung gewesen seien, ohne jedoch konkrete Feststellungen dazu zu treffen. Dabei verkenne das Bundesverwaltungsgericht jedoch die Rechtslage, weil auf Grund des gleichen Sachverhaltes und der letztlich auch gleichen Fragestellung des Vorliegens einer parteipolitischen Besetzung bereits res iudicata vorliege und auf Grund des verfassungsrechtlichen Vertrauensgrundsatzes das Bundesverwaltungsgericht an diese Entscheidung gebunden sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sein Abgehen von den Entscheidungen der Zivilgerichte nicht begründet und dazu keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angeführt.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Entgegen den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision trifft es nicht zu, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Bindung der Verwaltungsgerichte an Entscheidungen der Zivilgerichte vorliegt. Gemäß § 38 erster Satz AVG, der nach § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwenden ist, ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Umstand, dass es sich bei der Vorfrage um eine Frage handeln muss, über die von der anderen Behörde oder dem Gericht als Hauptfrage zu entscheiden ist, sich daraus ergebe, dass der besondere prozessökonomische Sinn der Vorschrift des § 38 AVG nur dann erreicht werden könne, wenn die andere Entscheidung, deren Ergehen abgewartet werde, in der Folge die Behörde binde, wobei eine solche Bindungswirkung jedoch immer nur eine Entscheidung über eine Hauptfrage entfaltet (vgl. etwa VwGH 20.3.2014, 2012/08/0154, mwN). Weiters wurde ausgesprochen, dass sich die (gegenseitige) Bindung der Gerichte und der Verwaltungsbehörden im Allgemeinen nur soweit erstrecke, wie die Rechtskraft reiche, das heiße, sie erfasse nur den Inhalt des Spruchs, nicht aber die in der Begründung vorgenommene Beurteilung von Vorfragen (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019, mwN; 21.12.2011, 2008/08/0233). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verwaltungsbehörde an die Entscheidungsgründe eines rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils nicht gebunden (vgl. VwSlg. 704/1949).
10 Der damit in Einklang stehenden Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Oberlandesgericht Graz nicht über eine Hauptfrage entschieden habe, die im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Vorfrage zu beurteilen wäre, wurde in der Zulässigkeitsbegründung nichts entgegengesetzt.
11 Entgegen dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung hat das Bundesverwaltungsgericht auch umfangreiche Feststellungen getroffen, aus denen es die diskriminierenden Erwägungen für die vorliegende Personalentscheidung ableitete.
12 In der Revision wurden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. Dezember 2022
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021120028.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023