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E1PNorm
BAO §166Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der A GmbH in B, vertreten durch die Hofbauer & Wagner Rechtsanwälte KG in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Mai 2019, Zl. RV/7103099/2012, betreffend Haftung für Lohnsteuer für die Jahre 2007 bis 2009, Festsetzung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2007 bis 2009, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine im Realitäten- und Wohnungswesen tätige GmbH.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die vom Finanzamt nach einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA), in deren Rahmen bestimmte für die Revisionswerberin tätige Arbeiter steuerlich als Dienstnehmer iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 qualifiziert worden waren, erlassenen Haftungsbescheide für die Lohnsteuer der Jahre 2007 bis 2009 und Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrags sowie des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2007 bis 2009 als unbegründet ab. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
7 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass nach § 28 Abs. 3 VwGG eine außerordentliche Revision auch „gesondert“ die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. In den gesonderten Gründen zur Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 26.7.2022, Ra 2022/13/0073, mwN).
Die vorliegende Revision enthält kein solches gesondertes Zulässigkeitsvorbringen, sodass sie sich schon deshalb als unzulässig erweist.
8 Der Revision gelingt es aber auch im Übrigen nicht, ihre Zulässigkeit aufzuzeigen.
9 So wird in der Revision unter anderem vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe trotz entsprechenden Antrags keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Damit sei es der Revisionswerberin nicht möglich gewesen, wesentliche Umstände und Argumente ins Treffen zu führen, insbesondere ein Beweisvorbringen zu erstatten und Beweismittel zu führen.
10 Den Verwaltungsakten ist - in Übereinstimmung mit dem Revisionsvorbringen - zu entnehmen, dass die Revisionswerberin in ihrer Berufung (nunmehr Beschwerde) vom 14. Juli 2011 einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und das Finanzamt im Vorlagebericht vom 24. Oktober 2012 an das Bundesfinanzgericht durch Ankreuzen des unzutreffenden Feldes den Eindruck erweckt hat, dass ein solcher Antrag nicht gestellt worden sei.
11 § 274 Abs. 1 Z 1 BAO bestimmt, dass eine mündliche Verhandlung u.a. dann stattzufinden hat, wenn dies in der Beschwerde beantragt wird.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Unterlassung einer rechtzeitig beantragten mündlichen Verhandlung - außerhalb des Anwendungsbereichs der Grundrechtecharta (GRC) - eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG dar, die nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führt, wenn dieser Verfahrensmangel relevant im Sinne eines möglichen Einflusses auf das angefochtene Erkenntnis sein könnte und der Revisionswerber eine solche Relevanz auch aufzuzeigen vermochte (vgl. etwa VwGH 22.6.2022, Ra 2020/13/0038; 9.2.2022, Ra 2021/13/0137).
13 Dass dem Bundesfinanzgericht durch die Unterlassung der mündlichen Verhandlung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender, relevanter Verfahrensmangel unterlaufen wäre, vermag die Revision jedoch nicht aufzuzeigen.
14 Soweit gemeinsam mit der Revision nicht von der Finanzbehörde beanstandete Rechnungen anderer selbständiger Firmen vorgelegt werden, die vergleichbare Tätigkeiten ausgeübt hätten und bei denen insbesondere auch die Verrechnung auf Basis erbrachter Stundenleistungen erfolgt sei, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, darzutun, dass dem Bundesfinanzgericht bei der rechtlichen Beurteilung der revisionsgegenständlichen Vertragsverhältnisse ein Fehler unterlaufen wäre.
15 Wenn weiters gerügt wird, die Revisionswerberin habe nicht an der Befragung ihrer „Auftragnehmer“ teilnehmen dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im BAO-Verfahren nicht gilt (vgl. etwa VwGH 11.6.2021, Ro 2020/13/0005). Dass die Revisionswerberin keine Gelegenheit gehabt hätte, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern (§ 183 Abs. 4 BAO), wird in der Revision auch nicht behauptet.
16 Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen. Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. etwa VwGH 18.5.2022, Ra 2021/15/0058; 13.12.2021, Ra 2021/15/0108; 21.11.2018, Ra 2018/13/0045, jeweils mwN).
17 Wenn in der Revision vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die als Dienstnehmer qualifizierten Personen zum Teil nicht nur für die revisionswerbende GmbH, sondern auch für andere „Firmen derselben Familie“ tätig geworden seien, steht dies für sich der Annahme des Bestehens von Dienstverhältnissen gegenüber der Revisionswerberin schon deshalb nicht entgegen, weil einzelne allenfalls gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechende Umstände am maßgeblichen Gesamtbild nichts Entscheidendes zu ändern vermögen (vgl. VwGH 18.12.2013, 2009/13/0230).
18 Auch ist das Vorliegen einer entsprechenden Gewerbeberechtigung ebenso unerheblich wie die Meldung der Beschäftigten bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, weil es bei der Beurteilung einer Tätigkeit nicht darauf ankommt, in welches äußere Erscheinungsbild die Vertragspartner ihr Rechtsverhältnis gekleidet haben oder welche Beurteilung auf anderen Rechtsgebieten zutreffend sein sollte (vgl. VwGH 2.2.2010, 2009/15/0191). Auch die steuerliche Erfassung einer Person schließt dessen Qualifikation als Dienstnehmer nicht von vorneherein aus.
19 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2021/15/0058).
20 Dass die Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts zu den einzelnen Merkmalen oder die darauf basierende Gesamtbeurteilung mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln behaftet wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 14. Dezember 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019130068.L00Im RIS seit
23.01.2023Zuletzt aktualisiert am
23.01.2023